Die Welt ist immer noch ungerecht. Und so bekommt Dr. Marc Rauschmann, der mit BraufactuM viel für die Akzeptanz von deutschem Manufaktur- oder Handwerksbier (um einmal das allgegenwärtige „Craft Beer“ zu vermeiden) getan hat, dann und wann auch Schelte. Denn die kleine feine Brauerei, die auch internationale Bierikonen wie Teo Musso mit Kreationen beauftragt hat, stellt kein Start-up von Studenten dar. Die Radeberger-Gruppe, ihrerseits wieder Tochter des noch gigantischeren Oetker-Portfolios, hat die Boutique-Brauerei finanziert. Das macht sie manchen immer noch verdächtig, wobei pragmatische Trinker – wir sagen jetzt einmal: die eindeutige Mehrheit – immer noch von der Qualität der Ergebnisse ausgehen. Und die ist beachtlich, wie man angesichts einer Verkostung beim neuen Österreich-Importeur feststellen durfte, nachdem das Lob schon länger durch die Weiten des Webs und die Enge der Magazinspalten geisterte.
Zwei der Biere überzeugten bei der Verkostung besonders, das obergärige Bitterbier „Colonia“ und das „Progusta“. Das als Apéro ideal platzierte Colonia riecht wie guter Süßwein, sagen wir eine 2010er Scheurebe Trockenbeerauslese: Getrocknete Ananas, dazu Grapefruitzeste und kandidierte Limettenschale. Am Gaumen kommt eine schöne Rezenz dazu, wie die Brauersprache die Frische des Antrunks nennt, aromatisch setzt sich gelbe Birne und etwas Kiwi in Szene, auch Orangen-Melisse schimmert durch, ehe die Bittere auftritt. Diese unterstützt den frischen Eindruck, trocknet gerade so aus, dass man jetzt bereit wäre für den ersten Gang. Wobei der Sommelier am Neben-Sitz recht hat, auch zu Creme-Suppen, wir denken gerade an Grünspargel oder Erbsen, passt dieses „Köln“-Bier fein.
Statt einer Speise serviert man allerdings das vermutlich bekannteste Erzeugnis der BraufactuM-Serie, das Progusta. Das India Pale Ale (IPA= alkoholreicher, hier 6,8%, und gehopfter) wurde mit Hallertauer Mittelfrüh und Citra Hopfen gebraut und eröffnet eine vielschichtige Duftwelt: Marille, viel Steinobst und auch eine leichte herbe Note, die mit ihrem Bockshornklee-Aroma an Curry erinnert. Der Antrunk schillert noch mehr in die verschiedensten (Geschmacks-)Richtungen, hier kommt zur Dörrmarille noch eine orangige Komponente dazu, vor allem aber ein cremig-süßer Akzent, der an gute Milchschokolade denken lässt. Bei aller Fruchtigkeit ist auch dieses Bier animierend, wenngleich deutlich weniger trocken im Finish. Punkto Foodpairing, für das Craft Beer momentan ja so gehype-t wird, bietet sich Pecorino stravecchio an, guter Vorarlberger Bergkäse mit mindestens 12 Monate Reife oder ein Gruyere.
Vorstellbar, wenn man mit ausdrucksstarken Zutaten wie Pancetta statt müdem Schinken auffährt, wäre auch eine intensive Pasta Carbonara oder – wegen dem Kontrast zur Bittere – ein Risotto mit Radicchio aus Treviso. Das ist gelebte deutsch-italienische Freundschaft am Teller!
Bezugsquelle:
BraufactuM „Colonia“ ist im 24er Karton zu EUR 48, das „Progusta“ (sechs 0,75 Liter-Edelflaschen) um EUR 52 erhältlich, beides bei Del Fabro, www.delfabro.at