Die Analogie zum Glöckchen des Christkinds ist für Whisky-Freunde nicht weit hergeholt. Bis man ins Zimmer darf, in dem dann die Limited Releases von Diageo warten, steigt die Spannung. Denn der größte Eigentümer schottischer Destillerien sorgt hier gern für Überraschungen. Heuer gibt es z. B. eine optische Klammer am Etikett – die Fauna und Flora um die jeweilige Brennerei – von Illustratorin Charlotte Day, um die Zusammengehörigkeit der Kollektion zu betonen. Auch stehen 2019 nur acht statt bisher zehn Raritäten bereit. Der jahrelange Klassiker Caol Ila, den es als ungetorfte Islay-Abfüllung gab, fehlt auch. Dafür hat man die Preis-Range ausgedehnt. Bereits unter 100 Euro (für den „Cragganmore 12 years“) gibt es die unwiederbringlichen Whiskies, nach oben setzt man mit der 1.700 Euro-Flasche von Mortlach aber auch eine neue Spitzenmarke.
Der 26 Jahre alte Special Release-Whisky liegt mi diesem Preisschild selbst für viele Sammler außerhalb der finanziellen Reichweite. Aber sieben Flaschen für Österreich sind ohnehin eine quantité négligeable. Mit Bratapfel und überhaupt recht geiler Süße, viel Zimt, Salzmandeln und auch nussigen Noten erinnert der mit 53,3 volumsprozent gefüllt Whisky aus dem Jahr 1922 an „Toffifee“. Die feine Würze – irgendwo zwischen Maltesers und Kakaopulver angesiedelt – begleitet auch am Gaumen einen Kern aus roten Früchten (wieder Apfel, aber auch Preiselbeeren). Hier haben die Sherry-Fässer einen Fuss-Abdruck hinterlassen, der mindestens so groß ist wie der Preis.
Bei den rauchigen Single Malts war der 12-jährige Lagavulin eine Klasse für sich. Auch er bringt mit 56,5% einen kräftigen Antritt mit, beachtlich ist aber schon die Nase nach Pfefferoni, Zündholz-Schwefel und einem säurigen Touch, der an Tequila anklingt. Tatsächlich wird die Nähe zum „new make“, also dem ungelagerten, frischen Whisky von der Islay-Destille, diskutiert bei der Vorstellung der Serie im Planter’s Club. Gibt man Wasser hinzu, wird die pikant-säuerliche Gemüse-Note noch deutlicher, da sind dann Anklänge an Senfgurke da.
Im Mund aber steckt der „Laga“ gleich die Räume ab: Rauch! Viel Rauch! Genauer gesagt die maritime Variante, in der Jod und Pfeffer mitschwingen. Der Islay-Charakter spring förmlich auf und klingt über einen kurzen Schokolade-Anflug überaus trocken aus. Das lange Finale gehört wieder dem Rauchmalz. Es knistert wie ein Lagerfeuer – und geht ebenso langsam aus.
Dem gegenüber hat der Talisker Limited Release (es ist ein 15-jähriger Whisky) anfangs schon den vollen Speckrauch zu bieten. Der 2002 auf Skye destillierte Dram erinnert an ein Ildefonso, das ein wahnwitziger Patissier in Speck eingerollt hat. Denn auch cremiges Nougat ist im Geruch da. Gelagert wurde der 57,3% Alk. starke Malt in einem frisch ausgekohlten US-Eichenfass, die Rauch-Note bleibt auch stets präsent im Mund. Lang-Pfeffer, Schokolade, aber auch eine erdige Komponente steht zu Buche. Schließt man den Talisker mit Wasser auf, wird die Frucht heller. Jaffa-Cakes und Pfirsich schleichen sich im Duft ein, am Gaumen wird er runder und akzentuiert mit einem Touch gebrannte Mandeln die Schoko-Gebäck-Noten.
Das Gespenst mit den Früchten: Pittyvaich 29 years
Dann hat das Gespenst von Dufftown seinen Auftritt. Als „ghost whisky“ bezeichnet man Abfüllungen, deren Destillerien nicht mehr existieren. Und im Falle von Pittyvaich blühte die Brennstätte tatsächlich nur kurz. 18 Jahre war man – vor allem als Zulieferer für Blends – aktiv, bis 1992 in Zeiten der erlahmten Whisky-Konjunktur die Pforten schlossen. der „Pittyvaich 29 years“ stammt aus einem Mix aus PX- und Oloroso-Sherry-Fässern. Verleugnen lässt sich das aber eh nicht. Denn Nüsse und süße, rote Früchte, bei denen man an Erdbeeren denken kann, melden sich in der Nase. Dazu kommt kandierte Orange und eine malzige Note. Weich und mit nur feiner Würze, in der wieder nussige Akzente mitschwingen, benetzt der 51,4% starke 1989er auf den Gaumen.
Das trockene Finale spült etwas Minze die Kehle hinunter, zuvor schälen sich aus dem leichten getreidigen Charakter salzige Erdnuss-Flips. Seine Fruchtigkeit kann man noch steigern; mit ein paar Tropfen Wasser bringt der Geruch dann Weingummi (Haribo Goldbär Ananas) und Grapefruitschalen mit.
Ein Neuzugang bestätigt die Charakterisierung der Limited Releases durch Whisky-Botschafter Thomas Plaue: „Es sind einzigartige, ungewöhnliche, manchmal auch eigenwillige Whiskys“. Denn dass der brave Speyside-Malt Cragganmore plötzlich mit 25 parts per million (ppm) Torf-Rauch verpaßt bekam, ist einmalig. Es war ein Testlauf, um einen möglichen „smoky“ Ersatz für die Blends von Johnnie Walker zu finden, sollte die Dürre auf der Insel Islay weiter für Produktionspausen aufgrund Wassermangels sorgen. Das Ergebnis hat 58,4% Alkohol und wurde 2006 gebrannt. Dieser „12 years“ erinnert an kokelndes Papier, grüne Bratwürstel, aber auch Blumenerde und Kletzenbirnen.
Der markanteste Geschmacksbestandteil aber kommt am Ende zum Vorschein, wenn der Hieb des Rauchs, der intensiv und mit medizinalem Unterton (Eibisch, Jod und Arnika) verabreicht wird, abgeklungen ist. Eine derartige Salzigkeit ist selten, wie eine Emser Pastille schmeckt der Nachklang. Hier hebt etwas Wasser die ansonsten rechts maskierte Frucht – die man dann als Kirsche erkennt.
Im Rennen um den besten der acht Single Malts spielt der 30-jährige Dalwhinnie für uns – trotz des zweithöchsten Preises (rund 480 Euro) und einer auf 25 Flaschen für Österreich limitierten Allokation – nicht mit. Kokos, Nougat und Mandeln machen aus dem an sich schon sanften Highlander hier eine Dessert-Variante, die auch am Gaumen sehr mild ausfällt. Nussig unterspicktes Toffee, das ältere Semestern den Ausruf „Stollwerck!“ entlocken könnte, kleidet den Gaumen auf. Hier sind die Ecken schon recht rund geschliffen. Für eine Stärke von 54,7% ist das beachtlich, doch letztlich auch recht brav.
Umso mehr überrascht der Singleton of Glen Ord, denn die meist weichen Geschmackbilder der Singleton-Familie zählen unter Maltheads nicht unbedingt zu den größten Lieblingen. Dieser 18 Jahre gereifte Whisky aber hat es in sich. Tropenfruchtig wie nur, erinnert er bei geschlossenen Augen an einen trockenen Rum. Pasionsfrucht und Ananas begleiten einen Touch Haselnuss-Creme und eine Duftnote, die wir glaublich beim Whisky noch nie notierten: Radicchio! Mit intensiver Würze legt der Glen Ord gleich einmal los; er zerbirst seiner Aromatik wie eine Flutwelle am Felsen und entlässt als g’schmackige Spritzer am Gaumen Pfirsich, Maracuja und einen lang anhaltenden pfeffrigen Nachhall. Eine echte Überraschung, war sich die elitäre Kosterrunde einig!
Ähnliches vermag auch der Cardhu, das brave Arbeitspferd, das so manchen Diageo-Blend aromatisch zieht. Er kommt als „14 years“ mit 55% Alkohol aus einem Fass, das früher Amontillado enthielt. Rosinen, Milchschokolade, viel Eichen-Holz und mit Luft dann auch Kirschblüten, machen einen Mix aus süßen, aber auch holzigen Düften aus. Ob man ihn mit Wasser „cutten“ sollte, wird intensiv diskutiert. Denn eigentlich ist er recht sanft für den Alkohol, die paar Tropfen Wasser wiederum nehmen ihm etwas von der pikanten Kante.
Denn zarte Paprika streift die Geschmacksknospen, etwas Kakao-Pulver (= der trockene Eindruck im Duft) und Schlehen sind ebenfalls da. Mit dem Ausklang, der nicht nur die pfeffrig-scharfe Kante einer Fass-Stärke zeigt, sondern auch dezent rauchig ist, überrascht der sonst doch so brave Cardhu. Was hier 2004 destilliert wurde, hat ordentlich Biss. Es gibt allerdings lediglich 25 Flaschen (!) für Österreich. Und wie für alle 2019er Limited Releases gilt auch hier: schnell sein, dann hat man vielleicht Glück. Wie man es eben auch tut, wenn man das Christkind erhaschen möchte.
Bezugsquellen:
Talisker, „15 years” (Special Release 2019) kostet EUR 133, der Cardhu „14 years“ (Special Release 2019) ist um EUR 145 zu haben, alle beide bei Potstill, www.potstill.org
Cragganmore, „12 Years“ (Special Release 2019) ist um EUR 89,90 erhältlich; der Lagavulin „12 years“ (Special Release 2019) kostet EUR 130; Pittyvaich „29 years“ (Special Release 2019) kommt auf EUR 419 und der Singleton of Glen Ord „18 years” (Special Release 2019) auf EUR 140 – alle bei Weisshaus, www.weisshaus.at