Maurizio Zanella hat eine ganze Generation von jetzt circa 65-jährigen Weinkritik-Kollegen beeindruckt. Der Eigentümer von „Ca‘ del Bosco“ stellte seine Weine stets mit den besten der Welt in eine gedeckte Verkostung. Die bekannten Franciacorta-Schaumweine standen neben den crus der Champagne, seine Pinots mussten den Vergleich mit zehnfach teureren Gewächsen aus der Burgund aushalten. Diese nicht billige Methode ist für junge Weingüter – Signore Zanella stieg 1969 in dieses Business ein – aber unendlich lehrreich. Wer derlei für übersteigertes Selbstbewußtsein von Quereinsteigern, eine Mikrostufe vorm Größenwahn, hält, irrt. Es geht um das Gegenteil: Demütig zu sehen, wo man steht und den weiten Weg abzuschätzen, den man vor sich hat.
So zumindest legte es Günther Neukamp, dessen leidenschaftliche „Mission Cabernet Franc“ wir aus großer Sympathie für diese Sorte aufmerksam verfolgen (kann man hier nachlesen). Denn das junge Weingut im Weingut – die Rieden und Keller hat Thomas Stadler in Halbturn – dreht beharrlich an der Qualitätsschraube. Die neuen und größeren Fässer, die Neukamp im Rotweinkeller zeigt, sind z. B. eine Antwort auf die zu starke Prägung der ersten Abfüllungen durch Barriques. Nun sind es 500 Liter-Gebinde, in denen der kommende Cabernet Franc reift.
In der Zwischenzeit aber stehen drei Karaffen vor uns, in denen drei Sortenvertreter warten. Darunter die Ikone des reinsortigen Cabernet Francs aus den Weingärten der Marchesi Antinori. In Bolgheri wächst der „Matarocchio“ heran, der neben 18 Monaten im Holzfass auch noch ein Jahr in der Flasche verbringt. 18 ist auch eine wichtige Zahl; denn dieser Wein kostet in etwa soviel wie 18 Flaschen von Neukamp&Stadlers Newcomer. Er wird nicht 18 mal so gut sein, doch wie weit diese Weltliga entfernt vom beschaulichen Halbturn und unserem Verkosttisch sein wird, stellt die Forschungsfrage an diesem Vormittag dar.
Die erste Aufgabe wird es also sein, den teuren „Italo“ in diesem Trio überhaupt zu erkennen. Da haben wir Glück; denn die drei Weine sind deutlich unterschiedlich. Der von Senior Josef Stadler listig eingeschmuggelte „Pirat“, ein Blaufränkisch aus seiner eigenen Fechsung, fällt schnell auf. Er ist leichter und unkomplizierter als die beiden Cabernets, vor allem aber erinnert nichts an die sortentypischen Attribute. Frisch, leicht säurig und mit feinem Weichsel-Duft erfüllt er aber die wichtigste Aufgabe: „Testet die Tester“!
Auch der zweite Schritt fällt leicht, denn dank ausgedehnter Schulungsnächte in der famosen Osteria Wein&Brot sind wir auf die „italienische“ Nase trainiert. Dieses merklich hochwertige und perfekt eingesetzte Holz verrät den Süden! Wie Weihrauch riecht die dritte Karaffe, die Frucht hingegen lässt sich noch verhalten an. Zarte Beerentöne, eher Heidelbeere als Cassis, werden von einem Erdrutsch an Kakao- und Eichentönen begraben. Dass dazwischen eine feine, blumige Duftnote von Geranien und kandiertem Veilchen durchblitzt, zeigt, dass hier nichts „überholzt“ wurde. Aber dieser Wein ist ein Paradebeispiel für (zu) kurzen Aufenthalt in der Karaffe. Drei Stunden sind ein übliches „Fenster“, wenn abends Gäste kommen. Doch hier wäre die Variante des Vorabend-Öffnens und somit 12 bis 15 Stunden klar zu bevorzugen.
Teures Holz, langes Leben und der Trinkspaß
Erst allmählich entspannt sich die Kraft, die zwischen Teer und Dörrobst angelegt ist, dieses 2016ers. Diese dritte Karaffe MUSS den „Matarocchio“ beinhalten – da kann man der Nase eines alten Trinkprotokollanten trauen! Und der Vergleich mit dem nunmehr verbleibenden „Einser“ macht auch sicher. Denn für ein Duftbild wie dieses gibt es nur einen Ausdruck: „Voll die Sorte“! Damit ist ein großer Unterschied zu den Antinoris gegeben, deren Edelholz-Nase den „CF“ erst nach längerem freigibt. Kantig und mit Kräuterwürze, aber ohne das vielfach immer noch gefürchtete „Grün“, tritt dieser 2019er auf. Wie Moosgummi oder etwas Eukalyptus wirkt diese würzige Ader am Gaumen. Schnell breitet sich die Fruchtigkeit dieses Halbturner Weines im Mund aus. Sein Trinkfluss ist beachtlich und wird von einem fruchtig pumpenden Zwei-Takter angetrieben: Heidelbeere und Amarena-Kirsche geben den Saft, der feine Gerbstoff im Finale hält den Wein auf „Zug“.
Und der Italiener? Den haben wir noch nicht verkostet, aber er überrascht angesichts der jugendlichen Duftkraft – im Mund wird die Sorte klarer erkennbar, auch wenn wir ihn ohne Information zu der Sorte wohl auf eine Cuvée mit Merlot getippt hätten. Denn so dunkel und saftig ist der Kostschluck vom „Matarocchio“ 2016. Holunder und erst später und deutlicher auch Cassis sorgen für Nachdruck. Wenn ein sehr wertiger Wein zu einem „blutigen“ Steak gefragt wäre, dann hätte man hier einen Kandidaten. Bei Neukamp&Stadlers 2019er wiederum drängt sich eher Lamm – gerne auch vom Grill – auf. Die Kräuterwürze und zugänglichere Jugend sprechen für dieses „Pairing“. Apropos Paare: Wie ist nun das Match zu bewerten? Die Langlebigkeit des Toskaners steht außer Frage. In fünf Jahren wird er in einer gedeckten Kost vermutlich mehrheitlich den Halbturner überflügeln. Bis dahin aber hat der Cabernet Franc aus dem Seewinkel eindeutig die Trinkfreude auf seiner Seite. Und wäre dem nicht so, dann hätten die Antinoris – seit 26 Generationen im Weingeschäft – offenbar etwas falsch gemacht.
Bezugsquellen:
Guado al Tasso, „Matarocchio“ 2016 ist kaum zu bekommen, rund EUR 485 veranschlagt z. B. der deutsche Händler Lobenberg, www.gute-weine.de
Neukamp & Stadler, Cabernet Franc Reserve „Ried Kaiserberg” 2019 kostet EUR 24, direkt im Webshop der Winzer, www.neukampundstadler.at