Der italienische Rotwein hat ein Geheimnis und zwei Ausformungen. Zum einen wird selbst in großem Maßstab erzeugten Etiketten Flaschenreife gewährt. Die kann von sechs Monaten bis zu zwei Jahren reichen, stabilisiert aber immer das Zusammenspiel aus Frucht, Säure und Gerbstoff. Letzterer ist auch verantwortlich für die erwähnten beiden Ausformungen. Denn entweder ist das Tannin in der Jugend forsch, weil es für die lange Lagerzeit bereit ist (etwa ein klassisches Barolo-Phänomen, letztens war auch ein Jahrgang 2011 noch „bretterhart“). Oder aber die Weine sind seidig und zugänglich, was bei entsprechender Säure ebenfalls nicht bedeutet, dass man sie im ersten Jahr wegschlotzen muss. Anders gesagt, liegt die Stärke in zugänglichen Abfüllungen erinerseits und in lange nachreifenden Weinen andrerseits. Der Mittelbau, der etwa eine Stärke des heimischen Weinbaus ist – Blaufränkisch Reserven etwa – hat es da etwas schwerer. Damit hätten wir aber auch genug verallgemeinert angesichts der Menge an italienischen Rotweingebieten und ihren unterschiedlichen Sorten und Zugängen.
Es ist aber eine nötige Vorrede, denn ein „so jung?“, samt ungläubigem Augenaufschlag, begleitete die Verkostung des 2019er „Lucente“. Und dieser Wein ist durchaus nicht „zu jung“. Sondern er gehört zu der zweiten Kategorie von Weinen – in diesem Falle aus der Toskana -, von denen wir sprachen. Genau genommen wurde er bei den Marchesi Frescobaldi dafür geschaffen. Denn der 1993 kreierte „Luce“ aus Montalcino war einer dieser Langstrecken-Weine. Und ihm zur Seite stellte man zwei Jahre später dann einen ebenfalls aus Sangiovese und Merlot-Trauben gekelterten „Zweitwein“, der schneller konsumierbar sein sollte. Heute sind es rund 400.000 Flaschen, die nur von diesem Wein gefüllt werden und dennoch will man keinen beliebigen Wein abfüllen.
Der Jahrgang 2019 jedenfalls kam diesem Vorhaben entgegen; denn es regnete endlich einmal genug, vor allem aber zu den richtigen Zeitpunkten und nicht während der Lese: „Die milden Temperaturen im September und die guten Wasserreserven begünstigten ein langsames und regelmäßiges Heranreifen der Trauben, Voraussetzung für eine hervorragende Weinlese”, erinnert sich Alessandro Marini von der Tenuta Luce. Ein Jahr in Barriquefässern bedeutet in diesem Fall einen recht großen Anteil an wieder befüllten Fässern, was die Aromatik, auf die wir gleich kommen werden, merklich prägt.
Denn in der Nase zeigt das Ergebnis er saftigste Kirsche, im Duft nach roten Früchten nahmen wir aber auch Preiselbeere wahr. Eine feine Würze mit zartem Pfeffer-Ton erinnert an Sandelholz, aber auch alten Balsamico jenseits der 25 Jahre. Die Kraft der 14,5 % vol. ist zu merken, aber eher an der Power der Röst-Noten, denn mit einer wirklich alkoholischen Note. Rund und saftig legt sich der 2019er „Lucente“ auf den Gaumen. Vor allem der feinkörnige Gerbstoff fällt – und gefällt – von Beginn weg bereits.
Wieder sind da herbe, aber sehr reife Früchte wie Cranberry. Der Sauerkirsch-Geschmack bildet den Kern dieses Weins aus der Toskana. Mit einem geschliffenen Tannin verabschiedet sich die Cuvée mit einem relativ langen Finish. Und so gar nicht jugendlich! Falls wieder wer fragen sollte…
Bezugsquelle:
Tenuta Luce, Lucente 2019 ist um EUR 24,90 (0,75 Liter-Flasche) beim Weinshop24 online erhältlich, www.weinshop24.cc