Er hat ja selber fast die größte Freude: Maxi Zankl steht im ersten Stock des Wiener Dogenhofs und denkt sich „Was für geile Weine“! Der vom Sommelier zum Weinhändler mutierte Salzburger hat drei „seiner“ Weingüter versammelt, um deren Spätburgunder (für Österreicher: Pinot Noir) zu verkosten. Er selbst ist überzeugt, dass die Sorte besser denn je zuvor gekeltert wird. Quod sit demonstrandum! Weshalb sich Pinot-Freunde versammelt haben, die sich auf den Vergleich der beiden Pfälzer Winzer (Christmann und Rings) mit dem Rheinhessen-Newcomer Jan Raumland einlassen wollen.
Das einstündige Meeting mit dem Trio in Rot hat etwas von „Speeddating“. Nur dass in der Praterstraße am Ende jeder seinen Liebling findet. Oder gleich „polygam“ trinkt. Die berühmte Lage Idig etwa trägt auf ihren sieben Hektar nicht nur Riesling. Der Pinot Noir von Christmann ist in jeder Faser großes Kino, aber auch Importeur Zankl muss buchstäblich um jede Flasche des 2021ers kämpfen. Es zahlt sich halt auch aus; denn der „Idig“ liefert Würze zum Abwinken. Wie reifer Parmesan (!) und Kakao riecht es aus dem Glas. Banalere Dinge wie eine Frucht-Note lassen sich etwas bitten; allenfalls Himbeere und Kirsche – beide getrocknet und zum Pulver gemahlen – sind zu merken. Die pikant-würzigen Töne bleiben lange erhalten. So schlank der Nachhall auch ausfällt, die pfeffrigen Gewürze sind noch lange zu schmecken.
Doch vielleicht ist vor dem Schwärmen ein Wort zum Pfälzer Spätburgunder angebracht. Das letzte Mal haben wir mit Sophie Christmann Riesling verkostet (die Details stehen hier). Doch das neuerdings gestraffte Sortiment des Pfälzer Weinguts hat eine zweite Mehrheits-Rebsorte zu bieten. Der Spätburgunder gab einst sogar zu Witzen Anlass, erinnert sich die Winzerin. Studierende von der Mosel stichelten immer wieder, wer denn solche Rotweine brauche? Doch einige der Weinberge in Gimmeldingen stehen auf purem Kalk. Mehr Burgunder-Heimat geht kaum. Und entsprechend noch deutlicher wird Christmann dann im Detail – denn die Geschichte spricht für eine lange Tradition mit der französischen Sorte. Der Weinbau der Mönche von Cîteaux strahlte hier bis an die Ränder Deutschlands aus: Das Zisterzienser-Tochterkloster in Eberbach bewirtschaftete die Pfälzer Rieden mit den „fränkischen“ Burgundern. Und man hat diese Meisterschaft nicht verlernt. Das zeigt der „Aus den Lagen“ des Jahrgangs 2021.
Es ist ein Rotwein, bei dem Maxi Zankl zum Gück nicht feilschen muss. Doch die Qualität diese vermeintlichen Einstiegsweins überrascht. Im Duft sind „Chocopops“ präsent, die sich mit einer generell malzigen Art verbinden. Erst in zweiter Lesung kommt auch Frucht zum Vorschein – bei Pinot generell eher ein gutes Zeichen. Die getrocknete Kirsche unterschreibt gleichsam final das Formular. Wie um zu sagen, „hey, keine Angst, wir sind eh ein Pinot“. Im Mund beeindruckt dann die Eleganz dieses Rotweins, der leichtfüßig die Roten Apfel-Geschmacksnoten über dem Gaumen verteilt. Ätherisch leicht zu sein und damit klar die Handschrift einer Burgunder-Versteherin zu zeigen, ist die eine Sache. Eine so feine, aber klar an Rauchpaprika anklingende Würze in die Flasche zu bringen, die andere. Der „Aus den Lagen“ liefert nämlich beides ab. Modernere Weinbeschreiber würden das wohl einen Überperformer nennen.
Aus dem „generell strafferen“ (© Sophie Christmann) Jahrgang 2021 beeindruckt dann auch ein Burgunder eines Winemakers, den hierzulande noch kaum jemand kennt. Jan Wong Raumland macht gerade einmal 3.500 bis 4.000 Flaschen jährlich, wobei die Basis dafür vom Allerfeinsten ist. In einer seltenen Nachwuchsförder-Aktion überließ Oliver Spanier von den Battenfeld-Spaniers dem aufstrebenden Geisenheim-Absolventen einen Weinberg. 3.124 m² umfasst der „Rosengarten“, der beim Boutique-Weingut WongAmat den Löwenanteil stellt. Die Familiengeschichte, die Thailand-Reisende vielleicht über den Wong Amat Beach im nördlichen Pattaya kennen, ist interessant. Und schrammt sogar am Königshaus vorbei. Deshalb ehrt Jan auch den in Fernost wohlklingenden Familiennamen mit seinen 2021 erstmals geernteten Weinen.
Der „Kriegsheimer Rosengarten“ 2021 unterscheidet sich deutlich vom 2022er, mit dem er sich einen Flight teil. Zwischen Fleischsaft und Moos bewegt sich das Duftbild dieses Pinot Noirs vom Südhang mit dem typisch deutschen „Rotliegenden“ als Boden. Mit Luft dreht der Wein dann auf; Schwarze Johannisbeere und Eukalyptus erinnern entfernt an Cabernet – nur daß hier alles kühl und doch schön würzig bleibt. Am Gaumen stellt sich dann die Befriedigung ein, die Pinot-Freunde so lieben. Das ist genau die Sorte! Auf einer Basis von Sauerkirsche setzt der „Rosengarten“ dann seine Glanzlichter. Sie schmecken nach Weinblättern vom Griechen, pikantem Rosenpaprika und erneut Weichsel. Vor allem ist das aber das schlank, aber lange nachklingende Finale. Dieser Wein – wohlgemerkt aus Jan Raumlands (kl. Bild rechts) erstem eigenen Jahrgang – weiß Eleganz mit fast schon gefährlicher Süffigkeit zu verbinden. Es ist kein kopflastiger, „zerebraler“ Pinot, sondern fällt eher so aus, wie der junge Winzer seinen persönlichen Ansatz beschreibt: „Viel passiert aus dem Bauch heraus“.
Intuitiv arbeiten auch die Gebrüder Rings. Mal ist der Neu-Holz-Anteil unter ihren Fässern sehr hoch. Dann wieder überrascht aber ein Wein, der bei geschlossenen Augen auch als Chardonnay durchging. Der 2020er „Saumagen“, ein Großes Gewächs gemäß deutscher Nomenklatur, erinnert mit dem reduktiven Stil und einer Handvoll Schwarzem Sesam in der Tat mehr an weiße Burgunder von kargen Kalkböden. Doch irgendwann macht sich die rote Ribisl bemerkbar. Ihr säuriger Duft vermengt sich mit Rauchpaprika (piment d’Espelette). Dieser Jahrgang von Andi und Steffen Rings macht richtig neugierig: Wird er diese Spannung am Gaumen auch zeigen? Oder ist es ein Nasenwein aus Freinsheim?
Die Entwarnung lässt nicht lang auf sich warten. Typisch und somit schlank kommt der Pinot Noir daher, stützend greift die Säure ein, wenn das fast schon zu leise im Geschmack wird. Frische liefert eine Anmutung von Grünkaffee und Kaffeekirschen-Schale („Cascara“). Die Würze ist da mit eingebaut. Auch der Trinkfluss des Rings-Lagenweins ist bereits voll ausgeprägt, die klare Einschätzung einer großen Zukunft aber auch. Der 202er ist immer noch jugendlich. Vor allem aber hält er bis zum Ende die Spannung eines „weißweinigen“ Pinot Noirs aufrecht. Schon allein dafür – sich die Nuancen dieser Welt-Sorte in Erinnerung zu rufen – hat sich der Abstecher in den Zweiten Bezirk ausgezahlt. Denn es ist nie zu früh für Spätburgunder!
Bezugsquelle:
Weingut Christmann, Spätburgunder „Aus den Lagen“ 2021 ist um EUR 29,- zu haben;
WongAmat, Spätburgunder „Kriegsheimer Rosengarten“ 2021 ist ausverkauft; der Folgejahrgang 2022 kostet EUR 69,-
Weingut Rings, Spätburgunder „Saumagen“ 2020 wird um EUR 90 angeboten; Alle drei Weine über Importeur Zankl, www.zankls-weine.com