Es hatte schon Züge eines „running gags“; seit mindestens fünf Jahren begann der Dialog mit Michael Kerschbaum stets mit einem „Isser schon fertig“? Vor Jahren hatte der Winzer aus Horitschon von seinem Plan eines luxuriösen Blaufränkisch erzählt, der länger reifen sollte als die bekannten Rotwein-Cuvées. Im Blaufränkischland, so die einfach nachvollziehende Idee, sollte der „vin de garde“, das Flaggschiff, der Beste halt auch ein reinsortiger „BF“ sein.
Die Riede dazu hatte Kerschbaum mit der bekannten Lage Dürrau. Nun ging es an den Feinschliff, für den man sich am Ende zehn Jahre Zeit ließ. Denn der „X“, wie Michael Kerschbaum seinen Neuzugang nannte, stammt aus dem Jahrgang 2015. Dieser Tage wurde der mit einem markanten gepinselten „X“ versehene Rotwein vorgestellt.
In Österreich werden viele Rotwein zu jung getrunken, bevor sie noch ihr Potential entfalten konnten
Michael Kerschbaum, Winzer
Diese Kennzeichnung wird bei der kleinen Auflage (3.000 Flaschen) sogar händisch aufgemalt – die Individualität hat so auch einen optischen Anzeiger. Technisch wurde der Wein aus dem saftigen Jahrgang 2015 für 18 Monate im neuen Barrique gereift. Die anschließende Passage im 2.400 Liter-Fass währte weitere sechs Monate. Dieser zwei Jahre dauernden Reifung folgte die lange Flaschen-Lagerung. Acht Jahre ließ sich das Weingut dafür Zeit. Und am Ende gibt das Ergebnis der Kerschbaum’schen Version von „Ten Years After“ recht. So viel darf man vorwegnehmen von unserem Trinkprotokoll.
Doch gehen wir’s systematisch an! Dunkel und mit einem Rubin-roten Rand zeigt der „X“ schon optisch eine gewisse Noblesse.Die Frucht-Düfte fallen tiefgründig und recht dunkel aus. Beerenfrucht, vor allem Heidelbeere, legt in der Nase vor. Danach erst zeigt sich die Würze von getrockneten Schwarzen Oliven und Wald-Erde. Die typische Sauerkirsch-Anmutung lässt sich erst nach rund zehn Minuten im Glas erkennen, wenn der Wein atmen konnte. Dann aber ist auch Cranberry zu erschnuppern und auch die herbe Kräuter-Seite – für sie steht Lorbeer – wird ausgeprägter.
Doch keine Angst! Am Gaumen ergibt sich ein herrliche rotfruchtiger Wein, der komplett aus einem Guss ist. Weichsel und Preiselbeere sind mit einer leichten Säurigkeit versehen, die den Zug des Blaufränkisch befördert. Den zweiten Strukturgeber, das Tannin, braucht dieser Wein gar nicht. Alles ist wunderbar abgeschliffen und sorgt dafür, dass dies kein Wein für’s Gehirn ist. Den „X“ muss man nicht verstehen, auf kein Podest stellen, sondern einfach genießen. Denn er ist momentan gerade richtig. Als Plädoyer für Reife und Geduld kann man ihn dennoch sehen. Vor allem aber, das sei zur Saison angemerkt, ist er ein herrlicher Begleiter zu Rehwild.
Bezugsquelle:
Weingut Kerschbaum, Blaufränkisch „X“ 2015 kostet EUR 119,- (0,75 Liter-Flasche) – direkt ab Hof oder im Web-Shop, www.kerschbaum.at





