Es waren offiziell zehn Jahre Vorbereitung, bis sich auch die Thermenregion in die DAC-Architektur eingliedern konnte. „Vielleicht wird der letzte DAC auch der beste“, hoffte Weinkomitee-Obmann Heinrich Hartl bei der Präsentation der Werbelinie in Perchtoldsdorf. Vor allem eine Ortswein-Kategorie, die über die politischen Gemeindegrenzen hinausreicht, ist nach der Steiermark erst zum zweiten Mal umgesetzt worden. So wird es keinen „Traiskirchner“ in dieser Qualitätsstufe (sondern „Gumpoldskirchner“) geben. Dafür versammeln sich die beliebten Heurigengemeinden im Süden der Appellation hinter dem Ortswein namens „Wiener Neustadt“.
Gesprächsstoff liefert zudem das Logo, das auf 90 Tafeln im gesamten Gebiet den Claim „World famous wine“ begleitet. Die Bourbonen-Lilie als Synonym für den uralten Weinbau der französischen Zisterzienser werden nicht alle Heraldiker goutieren. Ebenso wie die im Weinbau ohnehin umstrittene Farbe Orange als „corporate colour“. Es ist die Antwort der Agentur Eitzenberger.The Brand Office auf die „herrschende Dualität an der Südbahn“, wie es Doris Eitzenberger formulierte. Einen gemeinsamen Namen zu finden, fiel da schwer, wie es schon den Weinbau-Politikern schwer gefallen war, die Sorten von Gumpoldkirchen und Tattendorf unter einen Hut zu bekommen. Das liberalere DAC-Reglement, das sich von einer gebietstypischen Sorte (Veltliner im Weinviertel, Blaufränkisch im Mittelburgenland) zu einem Bauchladen, speziell bei den Gebietsweinen, gewandelt hatte, macht’s nun doch möglich.
Wichtig ist aber den Marken-Kreativen wie den Winzern vor allem eines: An die große Vergangenheit der Thermenregion anzuschließen. Und die ist nicht ohne: Von der Grangie Thallern, dem mittelalterlichen Lesehof der Mönche aus Citeaux, über die höchst-besteuerte Riede während des unseligen Großdeutschen Reichs bis Hans Mosers „Reblaus“-Ode an den Gumpoldskirchner, den er „so von Herzen gern“ hatte. „Die Weine sollen auf jeder Weinkarte dieser Welt zu finden sein – denn da standen sie schon einmal“. So formulierte es Lorenz Alphart knackig. Der Traiskirchner war „froh, kein Einzelkämpfer mehr zu sein“. Denn wie Stammleser des Trinkprotokolls wissen, preschte er schon vor vier Jahren mit eigenen Ortsweinen seines Betriebs (hier zu finden) vor. Und da es die Ortsweine der DAC-Region erst kommendes Jahr zu kosten gibt, wurde der Neubeginn in Orange mit Lagenweinen gefeiert. Dass dabei die endemische Spezialität Rotgipfler nicht fehlen durfte, ist klar. Lorenz Alphart stellte seinen „Mandelhöh“ 2021 in die Kühlung, wo er allerdings nicht lang verblieb.
Heller Tabak, Mango und ein wenig auch cremige Erdnussbutter samt Nuss-Stückchen war da zu riechen. Sehr dezent auch die Vanille-Duftnote des Fass-Ausbaus. Saftig ist dieser Wein vom Alphart am Mühlbach, in dem sich wie in der Nase die Vanille erst am Ende wiederfindet. Davor sorgen Birnenquitten, etwas Ingwer und Zitronenzeste für eine gute Balance aus Frische und Nachdruck bei der Frucht. Die zarte Gerbstoff-Jugendlichkeit im Hall signalisiert: Da kommt noch mehr!
Als große Sankt Laurent-Fans kamen wir auch nicht umhin, die beiden Abfüllungen aus dem Jahrgang 2020 zu kosten, die Johann Gisperg und Heinrich Hartl a.k.a. „da Obmau“ gekeltert hatten. Gispergs Version brachte Kräuter in einer attraktiven Form in Stellung. Vor allem Thymian formte mit dunkler Schokolade und Sauerkirsche das Duftbild. Das saftige Mundgefühl erinnerte an Kirschgelée in seiner intensiven und fruchtsüßen Art. Doch auch hier ist für Würze gesorgt. Denn der Kräuterstrauß blüht spätestens ab dem mittleren Gaumen wieder auf – final etwa ist Lorbeer zu schmecken bei diesem 2020er.
Heinrich Hartl lässt ebenfalls den Herzkirschen freien Lauf bei seinem Sankt Laurent. Der griffige Duft nach Löskaffee verspricht hier aber ebenfalls einen Widerpart zu der fast strahlend klaren Rotfruchtigkeit. Im Mund ist da nicht nur Kirsche in voller Saftfülle zu schmecken, man denkt mitunter an Erdbeere – ist das gar ein Gruß des Burgunder-Cousins Pinot Noir? – bei diesem Geschmack. Sanfter ausgeprägt ist die dunklere Seite, die hier Kakaopulver repräsentieret. Der schönste Teil ist aber das Finale. Sehr elegant kommen hier die beschriebenen Noten (Frucht, Würze, Tiefgang) zum großen Schlussauftritt zusammen. Um dann fast ätherisch zu verhauchen. Erneut lässt sich hier die Handschrift eines „Burgundermachers“ klar erkennen! Und wenn die Ortsweine 2024 dann näher an der Lage als am Gebietswein angesiedelt sind, kann man sich auf diese Kategorie schon vor-freuen. Bis hin zum Hans Moser-Nachsingen. Zum Anstimmen eines Gregorianischen Chorals der Zisterzienser reicht es bei uns nämlich nicht. Egal, wie gut der Wein wäre.
Bezugsquellen:
Weingut Alphart am Mühlbach, Rotgipfler „Ried Mandelhöh“ 2021 ist um EUR 14 ab Hof bzw. im Webshop erhältlich, https://alphart.at
Weingut Johann Gisperg, Sankt Laurent „Ried Holzspur“ 2020 kostet EUR 23 ab Hof bzw. im Webshop der Teesdorfer, https://gisperg.wine
Weingut Heinrich Hartl, Sankt Laurent „Ried Kräutergarten“ 2020 wird um EUR 20,20 im „Weinladen“ in Wien-2 bzw. dessen Online-Shop angeboten, www.derweinladen.shop