Der Sonnenuntergang hat jene Güte, von der Tourismuswerber träumen: Kaum, dass der Schilfgürtel des Neusiedler Sees in sattes Orange getaucht wird, übernimmt dann die Beleuchtung der Joiser „Skyline“ die Aufgabe, die einbrechende Nacht zu erhellen. So sieht die Welt im Gegenschuss zur B 50 nach Neusiedl aus, die Parndorfer Outlet-Kunden nur zu gut kennen. Doch hier oben beim Joiser Ochsenbrunnen, sind abends nicht mal mehr Radfahrer anzutreffen, lediglich Galloway-Rinder beim Truppenübungsplatz und Feldhasen begleiten den Weintrinker auf dieser Leithaberger „Höhe“ von 302 Metern.
Es ist der ideale Platz, um einen „Gritschenberg“, das Rotwein-Flaggschiff der Brüder Michael und Johannes Pasler zu verkosten. Denn auf die Blaufränkisch-Lage, die zusammen mit dem „Jungenberg“ die Joiser Aushängeschilder der Rebsorte produziert, sieht man von diesem Platz bestens. Es hat immer etwas Besonderes, den Wein zu seinen Ursprüngen zurückzubringen. Also dort zu trinken, wo er wächst. Doch man versteht in der Abendsonne, die auch die Reben wärmt, warum dieser Weingarten „weiße Wand“ genannt wird.
Doch der Rotwein ist ein vergleichsweise klassisch ausgebauter Vertreter aus dem Keller des Duos. Spannender und auch typischer für das Weingut im Weingut (Vater Franz füllt weiter seine eigene Linie) sind die Weißweine. Hier gibt es einiges, das Johannes „Projektwein“ nennt. Die leider exklusiv nach Bern gelieferte Cuvée mit dem Wespen-Etikett wäre zweifellos einer längeren Trinkprotokollierung wert. Aber sie ist leider schon dem Schweizer Sommelier „versprochen“. Doch es gibt ja auch noch die „Graue Gans“ – einen Grauburgunder modernen Zuschnitts.
Wobei man mitunter den Gästen noch auf die Sprünge hilft, wenn ihnen der „alte Name der Sorte“ nicht einfallen will. Ja, als „Ruländer“ kam man noch in den 1980er Jahren nicht um die Sorte herum. Rund um den See lockten die Schilder mit seinem Namen zu Schänken und Ab Hof-Verkauf. Aus dieser Boomzeit des zumindest lieblich, wenn nicht gleich als Süßwein ausgebauten Weines sind zum Glück einige alte Anlagen erhalten geblieben. Für die Paslers stellten diese Rebstöcke eine ideale Basis ihrer in Richtung Orange Wine tendierenden Experimente dar. Der Gerbstoff ist aber ein vertracktes Ding und so will man es auch nicht übertreiben mit dem „Bitterl“. Doch als Gegengewicht zu Fruchtsüße und mitunter als Ersatz für die von der Hitze geraubte Säure funktioniert diese Keller-Technik bestens. Vor allem aber kitzelt sie eine der schönsten Weinfarben aus den rötlichen Beerenschalen des Ruländers.
Dieser schöne Rosé-Gold-Schimmer im Glas signalisiert die längere Maischestandzeit von zwei Tagen bei diesem Weißwein. Vergoren wurde er von den Pasler-Brüdern mit Weingarten-eigenen Hefen im Holzfass. Ein Jahr Schulung im großen Eichengebinde (1.200 Liter) rundete den Burgunder des Jahrgangs 2021 ab. Sein Geruch erinnert frappant an Hagebutte, auch die Spuren des Ausbaus sind als Hefe-Touch im Fino-Sherry-Stil zu riechen. Mit Luft wird auch eine Duftspur von Äpfeln erkennbar, etwas „Golden Delicious“, mehr aber noch eine rote Apfel-Sorte.
Die farbliche Richtung stimmt, könnte man kalauern. Denn der Farbe und dem Duft folgt ein saftiges Mundgefühl, das an Himbeere erinnert. Die rote Fruchtigkeit der „Grauen Gans“ öffnet sich aber schnell in Richtung einer durchaus komplexen Würzigkeit. Gemahlener Koriander ist da zu schmecken, ja sogar Rosenblätter finden sich in dem kräftig ausfallenden Mittelteil des mit 13% vol. gefüllten Grauburgunders. Wirklich schön fällt das Finale aus, bei dem alle geschmacklichen Mitspieler die Bühne betreten. Zarte Säure, merklicher Gerbstoff, strömender Saft und feine Cremigkeit vereinen sich in einem an Blutorangen-Saft gemahnenden Geschmack. Wäre die „Graue Gans“ in der Tat ein Theaterstück, dann folgte nun lang anhaltender Applaus.
Das gilt auch für einen Wein, bei dem man – übertrieben gesagt – kaum etwas falsch machen kann. Denn vom Gritschenberg hatten wir in der Tat noch nie einen Blaufränkisch im Glas, der nicht überzeugt hätte. Das soll die Leistung der fünf Winzer in dieser Riede aber nicht schmälern, denn der fast schon an die Oberfläche reichende Kalk dieser Lage will ja erst mal in die Flasche gebracht werden. Und dafür lässt man sich am Weingut Pasler viel Zeit. „Der aktuelle Jahrgang ist der 2019er, der erst im Juli auf die Flasche kam“, so Johannes Pasler (am Bild li.). Derlei in Österreich zu hören, ist immer Balsam für’s Ohr. Zumal dann, wenn das Wort „Flaschenreife“ fällt.
Denn, dass es den „Gritschenberg“ erst jetzt gibt, liegt nur zum Teil an der 22 Monate währenden Reifung im 500 Liter-Fass. Danach bleibt der Saft von der „weißen Wand“ nahezu ebenso lange in der Flasche. Der tiefdunkle Duft nach Hollerkoch, Cassis, Steinpilzen und Johannisbeer-Gelée zeigt, wie gut sich Tertiäraromen schon ausbilden konnten. Von der Weichselfrucht eines jungen Blaufränkisch ist genau nichts zu riechen! Am Gaumen verrät die jugendliche Säure im Verein mit Sauerkirsche zu Beginn, dass man sich doch nicht getäuscht hat.
Doch dann kommt immer stärker die mildernde Kraft des Holzes zum Vorschein. Schokolade-Geschmack, mehr Sachermasse als Bitterschoko, kleidet den mittleren Gaumen aus, ehe im „grande finale“ dann die merkliche, aber gut passende Gerbstoff-Struktur einsetzt. Feine Würze rundet diese herbe Note ab. Erneut formen sich aus dem Tannin erdig-dunkle Anklänge an Edelpilze, aber auch ganz leicht pikante Noten („pul biber“-Flocken) verlängern diesen Rotwein. „Zehn Jahre ohne Not“, lautet die Lagerempfehlung, der wir uns anschließen. Wobei wir sicher schon in fünf Jahren nachschmecken werden, wie sich dieser komplexe Blaufränkisch weiterentwickelt hat. Die Prognose? So spektakulär wie der Seeblick vom Ochsenbrunnen aus!
Bezugsquelle:
Wein Pasler, Grauburgunder „Graue Gans“ 2021 kostet EUR 14, der Blaufränkisch „Ried Gritschenberg“ ist um EUR 26 zu haben – beide ab Hof bzw. im Webshop, www.paslerwein.com