Die „absolute Königsklasse beim Weißwein“ (© Gerhard Lobner, Weingut Mayer am Pfarrplatz) erfährt in ungeraden Jahren immer ihren Feiertag. Mit einem „Line up“ von sechs Riesling-Spezialisten erinnert die Verkostung von 30 Sorten-Vertretern an ein Rockkonzert für den Wein-Gaumen. Die heurige Auflage von „Riesling United“ zeigte einmal mehr, was der aus Rheinhessen stammende Johannes Hasselbach in seinem Einleitungsstatement postulierte: „Riesling funktioniert als Vergrößerungsglas für die Herkunft“. Mit Gästen aus der Pfalz, der Mosel und eben Rheinhessen wurde die Verkostung beim Mayer am Pfarrplatz somit auch zu einer wichtigen Präsentationsfläche des deutschen Rieslings und seiner Unterschiede.
Denn immer noch bekommt man zu wenig von dieser Speerspitze des lediglich 50.000 Hektar umfassenden Sortenanbaus (dessen Löwenanteil sich Österreich und Deutschland teilen) zu sehen. Ein Fehler! Weingut Gunderloch-Winzer Hasselbach (kl. Foto rechts) etwa hat gleich im ersten Durchgang mit einem Gutsriesling aufgezeigt. Der Preis-Leistung-Wein aus dem Traditionsbetrieb in Nackenheim zeigte die Finesse bereits an der Basis des deutschen Rieslings auf. Der 2018er „Vom Roten Schiefer“ verband rauchige Noten mit Zitrusfrüchten im Duft, dass es nur so eine Freunde war. Der Gutswein von Gunderloch brachte die Agrumen-Frische und Lebendigkeit auch am Gaumen mit, im Finale gesellte sich zu einer zarten Rauchigkeit auch noch Koriandergrün. Knackig in jeder Hinsicht, gab dieser Wein eine Talentprobe, was an diesem Abend noch aus deutschen Riesling-Rieden ins Glas kam.
Und die Gastgeber? Die punkteten im dritten Flight – „Riesling Besonderheit“ betitelt – mit dem Nussberger „Weisser Marmor“ 2016. Für den Schweizer Sitznachbar war dieser Mayer am Pfarrrplatz sogar der Wein des Abends. Das war nachvollziehbar: Kreide pur legte sich über den gelbfruchtigen Duft von Grapefruit, Quitten und Birnen, ja, sogar Gelbe Fisolen waren zu riechen. Der Kostschluck dieses Wiener Ausnahme-Rieslings lässt sich als „juicy mit feiner Klinge“ zusammenfassen. Die Marille strahlt am Gaumen, wird aber immer wieder von den mineralischen Noten verdeckt, als schöbe sich eine Wolke vor diese Fruchtsonne, die mit zunehmender Reife noch heller scheinen wird. Ein Riese im Kinderbett, könnte man sagen. Schön, ihn jetzt schon kennenlernen zu dürfen.
Doch zurück zu den Gästen. Denn auch das renommierte Weingut Christmann hatte seine jüngste Generation, Sophie (die Tochter von VdP-Präsident Steffen Christmann), zum Pfarrplatz entsandt. Mit 70% Riesling am Weingut ist man für dieses Festspiel der Sorte schließlich auch prädestiniert. Der 2016er „Idig“ ließ die Handschrift der Pfälzer am deutlichsten werden. „Earl Grey“-Tee, dieser Mix aus zarte herben Noten, etwas Rauch und vor allem Zitrusfrüchten, war die erste Assoziation, die die Nase vermittelte. Aber da waren auch Karamell-Kekse, die eine Kraft anzeigten, die der ein dann am Gaumen wirken ließ.
Man hatte viel zu schreiben, wollte man mit dem Aromenbogen dieses Rieslings schritt halten; Zitronenmelisse, Malaga-Eis, Pfirsich, dazu auch Weißer Pfeffer zeigen an, dass dieser „Idig“ am liebsten einen 360-Grad-Bogen an Geschmäckern beschreibt. Die Finesse wird allerdings von einer gefährlichen Süffigkeit begleitet. Hier ist kein Gramm Fett zuviel, das kann man eindeutig sagen.
Die salzige Süße der Margarita: Nik Weis
Polarisierend wurden die Weine vom St. Urbans-Hof aufgenommen. Nik Weis, hier schon einmal von uns vorgestellt, zeigte sich nicht nur bei der Vorstellung der Rieslinge prinzipienstark („Ich spreche erst darüber, wenn alle den Wein im Glas haben“). Der Restzucker, der neben den knochentrockenen Österreichern in den fünf Durchgängen als Kontrast aufgefahren wurde, bewirke einen „Margarita-Effekt“, so Weis. Wie beim Tequila-Cocktail verhülle das Salz die Süße nicht nur, sondern hebe sie zu einem neuen Ganzen, dozierte der selbstbewußte Winzer.
Schon der Auftakt mit der Saar-Lage „Ockfener Bockstein“ ließ mit seiner strahlenden Frucht (Mango und Pfirsich) an die verblichene Limonade „Sinalco“ denken. Das Große Gewächs brachte den Riesling in einer fruchtsüßen Exotik-Interpretation zum Klingen. Saftige Ananas kleidete den Gaumen aus. Die zarte Salzigkeit wurde im Abgang noch von einem Schwung Gelber Tomate gekrönt – so also geht der Margarita-Effekt!
A propos Salz: Eine Beschreibung, die wir öfters bei (deutschen) Rieslingen anbringen, besteht aus dem Vergleich mit Salz-Zitronen. Die eingesalzene Zutat der marokkanischen Küche riecht nämlich ähnlich wie die Kombination aus Mineralität und Zitrusfrische, die man gerne an Mosel, Saar, Ruwer und Nahe findet. Der 2016er „Lautentiuslay“ bringt diesen Ton mit. Aber auch weiße (also noch nicht reife) Erdbeeren oder saftige Ananas sind in seinem Duft zu finden. Saftig ohne Ende, lässt das „Große Gewächs“ vom St. Urbans-Hof auch im Mund die Tropenfrüchte raus: Ananas pur, Grapefruit und weiße Schokolade stehen in einer Symbiose, die noch um Gewürznelken ergänzt werden. Dieses üppige Dekolleté wird züchtig von Gerbstoff zusammengehalten, der – ganz am Ende – einen Kontrapunkt setzt. Schon jetzt ist dieser 2016er großes Riesling-Kino.
Gänzlich begeisternd fiel der älteste Wein des gereiften Riesling-Flights aus; Weis hatte einen 2007er „Lautentiuslay“ Spätlese mitgebracht. Während einige jüngere Kollegen deutliche Firne aufwiesen, strahlte dieser Wein vom ersten Beschnuppern an in tropischer Schönheit. Die Ananas und der leichte Rauch wurde von einem frischen Tropfen Pink Grapefruit noch verschönert. Der „Zuckerspitz“ zu Beginn erfuhr ein ähnliches Schicksal. Denn mit einem Mal drehte der Gesamteindruck in Richtung „süß-sauer“ – die Zitrusfrüchte und die immer noch spürbare Mineralität taten ein Übriges. Dieser saftige 2007er stellte nicht mehr oder weniger dar als den Prototyp eines fruchtbetonten deutschen Riesling-Stils in perfektem Zustand. Danke, Mayer am Pfarrplatz, kann man (quasi nach dem Schließen des Vorhangs vor den 30 „united Rieslings“) nur sagen.
Bezugsquellen:
Weingut Gunderloch, Riesling „vom Roten Schiefer“ Gutswein 2018 ist um EUR 9,40 bei Vicampo zu erstehen, www.vicampo.de
Weingut Christmann, Riesling „Idig“ Großes Gewächs 2016 ist um EUR 57 bei Getränke Wagner erhältlich, www.wagners-weinshop.com
Mayer am Pfarrplatz, Riesling Nussberg „Weißer Marmor“ 2016 ist um EUR 40 bei Gawein Bruckner zu haben, www.gawein.at
Nik Weis, Riesling „Bockstein“ Großes Gewächs 2017 ist um EUR 33,90 bei Wolff-Weine zu haben, www.wolffweine.de
Nik Weis, Riesling „Laurentiuslay“ Großes Gewächs 2016 ist um EUR 44,90 erhältlich, z.B. beim Versandhändler Belvini, www.belvini.de