Wenn man am wunderschönen Verkosttisch aus hellem Holz Platz nimmt, würde man gerne eine Pfiff ausstoßen. Tut man aber nicht, denn das Ambiente von Wiens erster Sakethek signalisiert Ernsthaftigkeit. Jōji Hattori hat damit sein fulminantes Wiener Restaurant Shiki erweitert. Irgendwann wird es am anderen Ende der Krugerstraße vielleicht auch ein kleines Menü geben, doch derzeit regiert der Sake. Lange suchte der Perfektionist nach den Kühlschränken. „Für ein Brauerzeugnis wie Sake ist die richtige Temperatur wichtig, minus 2 Grad ist ideal, das können aber nur wenige Kühlgeräte“. Doch am Ende wurde ein Anbieter gefunden, in dessen vier Geräten nun vorrangig Importe von Yuri Iwata (und ihrem Sake no Ba) auf das Verkosten warten.
Wir haben uns zwei Abfüllungen angeschaut, die im neuen Sake-Glas von Josef Karners Zalto alle Facetten ausspielen konnten. Auch hier geht es um die Temperatur, wie Karner sagt: „Je dünner das Glas, desto kühler bleibt der Inhalt“. In dieses perfektionierte Gebinde kam jedenfalls ein alter Bekannter aus Japan, der noch dazu zu den Sakes mit dem höchsten Wiedererkennungswert gehört. „Haru“ oder übersetzt „Rabbit“ nennt man bei der Brauerei Kankoubai in der Präfektur Mie den Junmai Ginjo mit 60% Polierrate. Wir hatten ihn einst schon einmal in einem Pairing mit Zigarren am Start und die Flasche mit dem „lieben Hasi“ blieb in Erinnerung. Erst recht tut sie das, wenn die Doppelmagnum zum Einsatz kommt – 1,8 Liter Sake hat man nicht so oft am Tisch. Doch bei Hattoris Kostraum hat man auf das im Angebot.
Der Duft des 15% vol. leichten „Haru“ bringt einen typischen Geruch mit, nämlich Nashi Birne. Ein Anflug Lychee und flambierter Banane lässt diesen Duftkern mal fruchtiger werden; aber auch das cremige Element – wir dachten dabei an Hafermilch – ist im Duftbild vorhanden. Ebenfalls an den Frühstückstisch lässt ein leichter Geruch von Getreidespelzen denken.
Im Mund ist der Kankoubai-Sake anfangs süßlich, wobei dieser Eindruck sich nach hinten hinaus in eine fruchtige Art verwandelt. Diesmal ist es grüne Birne, die man schmeckt. Ein leichtes Mousseux zeigt die Frische (und perfekte Lagerbedingungen). Das Finale hat dann bei aller Cremigkeit auch eine leichte Säure zu bieten – der Schlusseindruck hat viel mit einem „Granny Smith“ zu tun.
Dass sich unser „Hasi“-Trinkprotokoll ein wenig wie Aperitif-Sake liest, hat schon seine Richtigkeit. Denn es gab in der Folge noch ein Angebot, das dezent kräftiger (16% vol) ist, aber auch eine legendäre Brauerei vorstellt. Seit dem Jahr 1647 ist Kamoshibito in der Präfektur Aichi aktiv. Der besondere Reis des zweiten Kostschlucks ist eine alte Sorte namens Omachi – und nicht der vielfach eingesetzte Yamada Nishiki. Den nutzt Kuheiji Kuno zwar auch, aber in seiner Abfüllung „Désir“. Ihr Zwilling nennt sich „Sauvage“ und schon die französischen Namen weisen auf die Wein-Verwandtschaft hin. Zudem führt man immer den Jahrgang der Reis-Ernte an; wir trinken vom Jahrgang 2023.
Höhere Temperaturen bei der Vergärung sollen bei den modernen Kreationen „Désir“ und „Sauvage“ stärker die Primäraromen herausarbeiten. Das Ideal sind am Ende die „fünf Geschmäcker“ alias gomi. Komplex ist beim „Sauvage“ (50% Polierrate) schon der Geruch. Feine Reismilch-Noten und frische Wiesen-Champignons treffen auf einen Tropenfrucht-Mix. Ananas und getrocknete Mango, aber auch Lychee, sind zu riechen. Der vollmundige Geschmack bringt Umami mit süßen Eindrücken (weiße Schokolade und Birne), leichtem Bitter-Geschmack (helles Malz) zusammen. Salzigkeit mag man suchen, aber die Würze von Weißem Pfeffer ist zweifellos vorhanden – besonders im Finale. Da kommen dann Frühstücksflocken mit leichter Getreide-Würze im Bier-Treber-Stil hinzu.
Hier ist zweifellos der Spaß beim Food Pairing gegeben. In Japan nimmt man den als „fetter“ empfundenen Sake der hoch aufragenden Sorte Omachi gerne als Begleitung zu Ente her. Aber auch Käse – Rotschmier-Sorten! – machen zum „Sauvage“ etwas her. Und auch das Shiki hatte einen herrlichen Begleiter am Start: „Nanbanzuke“, ein vegetarisches Sushi, das wie Thunfisch aussieht. Mit der salzigen Miso-Glasur nimmt die Aubergine aber herrlich die süßen Noten des „2023er-Jahrgangs“ aus Nagoya.
Bezugsquelle:
Kankoubai Junmai Ginjo „Haru“ ist um EUR 44,- (0,72 Liter) erhältlich; der Kamoshibito Kuheiji „Sauvage” kostet EUR 39,- (0,72 Liter-Flasche) – alle beide über die Shiki Sakethek bzw. Sake no Ba, www.sakenoba.com