Es war das erste Mal, dass Hannes Schuster zu einer Vertikale seines „Sankt Margarethen“ lud. Gemeinsam mit trinkreif.at wollte man die Entwicklung eines Weines nachvollziehen, der schon eine Metamorphose erfuhr. Anfangs als „Rusterberg“ gefüllt, enthielt der Blaufränkisch des Weinguts Rosi Schuster damals noch Anteile aus Nachbarorten. Seit 2012 ist es ein reiner Ortswein. Und – so viel Spannungsaufbau sei erlaubt – es wird nicht die letzte Veränderung sein.
Doch bevor es so weit war mit dem Vergleich der Blaufränkischen, wurde den Weißweinen des Hauses die Ehre gegeben. Furmint ist neu bei Schuster und er hat ihn mehrheitlich auf Schieferböden gepflanzt – „Kalk würde zu viel Säure mitbringen“. Tatsächlich erinnert der 2022er auch so an Limetten-Fruchtfleisch und – deutlich weniger – an Himbeere. Frisch und Säure-geprägt ist der Duft, der auch an gebackene Apfelspalten erinnert mit seiner Mischung aus Rauch und Säure, die die Frucht umgarnen. Am Gaumen bringt der Furmint dann ein Zitrus-Popourri in in Stellung. Der weiße Teil von Zitronengras-Stängeln wäre ebenfalls zu nennen. Und dann ist da noch der Geschmack nach Salzzitronen („Beldis“) im Finale, der diesen engmaschigen Wein krönt. Extrem animierend fällt der Erstling aus, ein gut gewählter Apéro – nicht nur für diese Verkostung, sondern überhaupt!
Noch faszinierender ist aber der Welschriesling aus Sankt Margarethen, „er stellt fast eine Monopollage dar“. Der 50 Jahre alte Weingarten mit dem schönen Namen „Saurüssel“ ergibt einen rauchig-reduktiven Weißwein, wie man ihn derzeit liebt. Die feine Klinge merkt man dem Geruch nach Birne, Sesambrot und kokelndem Zündholz an. Am Gaumen wird es feinmineralisch bei der Struktur, den Geschmack bestreitet wieder Birne, aber auch ein Alzerl Zitronenzeste. Der Gerbstoff erinnert in seiner feinen Form auch an den weißen Teil (Albedo) von Zitrusfrüchten. Engmaschig und animierend wirkt dieser „Welsch“, der einmal mehr zeigt, was mit der Sorte „geht“ – so man sie nur erst nimmt.
Damit war auch das Stichwort gegeben für die zehn Jahrgänge des roten Stars „Sankt Margarethen“. Denn die Jahrgangsunterschiede, die man am Weingut Rosi Schuster bewusst herausstreicht, wollten in den drei Flights genau beleuchtet sein. Denn beim Ausbau reagiert der Winzer eher instinktiv, „16 bis 24 Monate waren sie jeweils im Fass“. Der erste Höhepunkt stammte aus einem Jahrgang, in dem Regen zum „schlechtest möglichen Zeitpunkt“ (© Schuster) fiel. 2014 zeigt aber eine pure Weichsel-Frucht, die wie frisch aufgebrochene Früchte duftet. Sogar ein feiner Stein-Ton ist dabei. Wie eine Sehne spannt sich diese – leider ausverkaufte – „Sankt Margarethen“; erst aber der Gaumenmitte strafft sich hier alles. Kühl und nahezu einem Pinot Noir ähnlich endet dieser Wein lang und hochelegant.
Noch ärger traf es das Weingut 2016 während der vier Frostnächte; 80% des normalen Ertrags waren verloren! Der Rest, den es kaum noch zu kosten gab angesichts der lächerlichen Menge, die das Wetter ihm beließ, besitzt aber einen äußerst interessanten Charakter. Erdbeere, Fleischsaft, Radicchio Trevigliano und Rote Rübe verbinden sich rotfruchtig zu einem Duftbild voller Würze und Kraft. Breitschultrig und mit vorne am Zahn noch intensiven Gerbstoff zeigt sich dieser „Sankt Margarethen“. Blutorange und Sauerkirsche machen hier einen sehr trinkanimierenden Rotwein mit viel Finesse aus.
Vom Jahrgang 2018, einem weiteren Favoriten des trinkreif-Tastings, gab es erstmals auch noch etwas zu kaufen. Wer sich hier eindeckt, bekommt einen anfangs an herbe Flora erinnernden Typus ins Glas – wie ein Tulpenfeld duftet der Blaufränkisch. Timut-Pfeffer repräsentiert Würze und Säure, Nuss-Schokolade den Schmelz und die Kante zugleich (ein aufgelöster Widerspruch, der sich durch einige Jahrgänge zieht!). Erst dahinter kommt die Weichsel als Sorten-Kennzeichen. Das aber in klarer Duft-Ausprägung. Im Mund ist der „Sankt Margarethen“ 2018 der vielleicht hell-fruchtigste der ganzen Serie. Das fällt vor allem gegenüber der Probe aus 2017 auf; hier sind es dunkle Beeren, die bereits an Brombeere anklingen im Geschmack. Auf diese Note (wir hatten sie auch beim 2013er geschmeckt), wird noch zurückzukommen sein.
Zwei große Jahre, einmal nicht vergriffen: 2018 und 2019
Der „Sankt Margarethen“ 2018 aber erinnert mit der Würzigkeit an Föhren-Pech, auch ein erdig-grüner Pfeffer-Ton ist zu schmecken. Beides wird von der Sauerkirsche vorbereitet, die sich aus einer säurigen Frische in eine herbe Richtung entwickelt. Sie darf dann in fein zerstäubter Pfeffrigkeit lebendig und lange auf der Zunge bleiben. Hier erreicht der „Sankt Margarethen“ sein erstes Genussplateau. Sechs Jahre sollte man diesem diffizilen Blaufränkisch durchaus gewähren (länger ist kein Fehler!).
Spannend wird es jedenfalls, wenn der nachdenkliche Schuster von einem „Weltklassejahrgang, auch bei uns am Betrieb“ spricht. Es geht um das Jahr 2019 und der Wein dazu stellt in der Tat ein Highlight der Vertikale dar. Hell und fruchtig fällt der Geruch aus. Man schnuppert wieder und wieder nach, um dann doch „Erdbeere, Lindenblüte“ hinzuschreiben. Doch keine Angst, die Würzigkeit repräsentieren im Duftbild Haselnuss-Crunch und ein Haucherl Liebstöckel.
Das seidige Mundgefühl liefert einen ersten Beweis der Finesse dieses „Sankt Margarethen“. Die geeiste Frucht erinnert an ein Johannisbeer-Sorbet. Doch wieder ist es ein anderer Punkt, der die Begeisterung befeuert: Mehr als nur eine Handvoll Schnittkräuter liefert hier Würze, die sich zusammen mit dem schon abgeschliffenen Tannin zu einer frühen Topform des „BF“ verfestigt. Herrlich auch, wie sich im Ausklang aus diesen beiden Elementen eine an Bitterkräuter gemahnende Not formt. Und spektakulär wird all das noch von einer fruchtigen Note (Sauerkirsche, jetzt aber!) durchwirkt.
Ähnlich, wenn auch nicht in dieser Expressivität, zeigt sich auch der Jahrgang 2020. Hier „lief alles wie am Schnürchen“, wie Schuster (kl. Bild rechts) sich erinnert. Dem Wein selbst merkt man diese Ruhe an. Die Kirsch-Düfte sind glasklar, Langpfeffer und Orangen-Minze sind hier die würzigen Akkorde, doch im Kern ist das schon nasal ein äußerst typischer Blaufränkisch. Rund und saftig rollt er über die Zunge, dem geht als Avantgarde eine Standarte aus Säure voran. Wie ein durchgängiger Nerv zieht sich dieses Markenzeichen durch den Korb an frischen Weichseln, der zu schmecken ist. Und es wäre nicht der „Sankt Margarethen“, wenn nicht auch Kräuter für Tiefgang und Finesse sorgen würden. Diesmal sind es Estragon-Spitzen, die herb und leicht säurig die jugendliche Art dieses Rotweines unterstützen. Zumindest antrinkbar ist dieser 2020er schon wunderbar!
Den Schluss der Weine aus den Jahren 2012 bis 2021 machte aber ein Blick in die Zukunft. Denn Hannes Schuster wird seinen Ortswein gewissermaßen auseinander bauen. Aus einem „Sankt Margarethen“ werden dann die Lagenweine „Hinkenthal“ und „Lamer“. Diese beiden sind erstmals separat gefüllt, werden aber erst im Oktober dieses Jahres erhältlich sein, zeigen aber, wie sehr sie das „Yin“ und „Yang“ des ungeschönten Blaufränkisch Hannes Schusters darstellen. Denn während der „Lamer“ 2022 klar für die hell-duftige Seite des bisherigen Ortsweins zuständig war, stammen die in einigen Jahrgängen so markanten (weil untypischen) Beeren-Aromen dunkler Natur offenbar von der Riede „Hinkenthal“. Sofort packt einen der Duft des 2022er – Buschrosen, Himbeer-Marzipan und heller Tabak vermählen sich mit Roter Johannisbeere. Im Mund legt der neue Einzellagenwein einen Blitzstart hier; viel Druck und ein deutlicher Gerbstoff-Ton begleitet die dunkle Frucht dieses Blaufränkisch. Vor allem die vorm geistigen Auge fast schwarzen Brombeeren prägen – bei aller Reife mit feiner Säure versehen – den Geschmack.
Ganz anders der „Lamer“ 2022, dessen schöner heller Rand auch die Dufteindrücke vorwegnimmt. Kirsche, Hagebutte und Rote Johannesbeere stehen hier zu Buche. Am Gaumen sind es ebenfalls frische, rote Früchte, die punkten: Ribisl und Himbeere sind präsenter als die sortentypische Weichsel. Auffällig ist aber auch der „Struktur-Vergleich“, denn gegenüber dem „Hinkenthal“ fällt die Absenz des Gerbstoffs auf. Süffig wie ein Weißwein – wenn auch einer, der nach „Roter Grütze“ schmeckt – ist dieser Rotwein. Und das in der Jugend! Definitiv will man hier nachtrinken. Während der „Hinkenthal“ definitiv seine Zeit braucht. Er war vielleicht die Handbremse im bisherigen „Sankt Margarethen“, der bedingte, dass Hannes Schusters Weine lange Zeit im Keller brauchten. Ob unsere Diagnose stimmt, wird man in den nächsten Jahren nachkosten können. Denn die beiden Einzellage ersetzen den Ortswein „erst sukzessive“, wie der Winzer seine Zukunftspläne formuliert.
Bezugsquelle:
Weingut Rosi Schuster, Furmint 2022 kostet EUR 14,40, der Welschriesling „Ried Saurüssel“ 2022 ist um EUR 45,80 zu haben, während der Blaufränkisch „Sankt Margarethen“ 2018 EUR 49,90 kostet (andere Jahrgänge sind nicht mehr/noch nicht zu haben), alle über Trinkreif.at, https://trinkreif.at