Okay, die gezackten Blätter der Zitronenmelisse (hier „Lemon balm“ genannt) kennt man. Was aber ist „Gorse“, der gelbe Strauch, der hier wuchert??? Wir sind zur Nachhilfe beim Botaniker. Und das in Islay, der schottischen Hebrideninsel und Hochburg des rauchigen Whiskys. Denn hier entsteht in der Lomond-Brennblase namens „Ugly Betty“ auch Gin in der Bruichladdich-Destillerie. Master Distiller Jim McEwan hatte die Idee, mit den lokalen Pflanzen – „botanicals“ heißen die Aroma-Geber im Gin-Speak – eine Spirituose zu erzeugen, die schneller am Markt ist als die Whiskys. Der Clou der 2010 vorgestellten Kreation namens „The Botanist“ war, dass man „botanicals“ hier wörtlich nahm und ein lokales Ehepaar auf Sammeltrip schickte.
Was seinerzeit als ökonomische Notmaßnahme gedacht war, ist nach dem Verkauf von Bruichladdich an die Rémy-Cointreau-Gruppe ein starker Pfeiler im Sortiment. Genau genommen, macht der Gin so viel Produktion aus wie die Single Malts des Hauses. Heute sorgt Adam Hannett (kl. Foto neben besagter „Ugly Betty“) neben den Whiskys auch für die Destillation des Gisn, für die Pflanzensammlung der 22 Botanicals hat man einen eigenen Mitarbeiter. James Donaldson pflückt Moor-Birke, Römische Kamille, Zitronenmelisse, Wasserminze, Schwarzen Holunder, Salbei, Thymian, echtes Labkraut, Stechginster, Minze oder Besenheide, wenn diese „reif“ sind. Was bei einer Wurzel anders aussieht als bei Blüten – auch das lernen wir von ihm.
Bei unserem Besuch ist gerade die Saison des „Gorse“ (Stechginster) und mindestens so zahlreich wie die kleinen Lämmer findet man die gelben Hecken auf der Whisky-Insel. Ein paar blutige Finger später wissen wir auch, wie die kleinen Blüten schmecken – nach ungesüßter Kokosnussmilch nämlich. Und das am unwirtlichen Hebriden-Strand! Sieben Mal wurde im Vorjahr der Sack mit dem Sammelgut (Zusammensetzung der Mengen – natürlich! – geheim) gefüllt. Wie ein großer Tee-Beutel wirkt der 20 Liter-Sack, an dem der zu Dampf gewordene Alkohol vorläuft und so den Geschmack „auszieht“.
Die Basis dieser Dampfdestillation bildet ein mit herkömmlichen Botanicals wie Wacholder, Zitrusfrüchten, Engelwurz und Cassia infusionierter Getreidealkohol. Er wird hier als Konzentrat mit mehrfacher Botanical-Menge angesetzt, aus dem am Ende – nach dem Kontakt mit den lokalen Zutaten im Geistkorb – mit Wasser aus der eigenen Quelle und Neutralalkohol „The Botanist“ gemischt wird, erklärt Adam Hannett (kl. Foto neben „Ugly Betty“). So läßt sich auch mit einer nicht ständig betriebenen Brennblase eine große Menge erzeugen, die der Markt mittlerweile von der Islay-Destillerie einfordert.
Technisch ist der „Botanist“ aus Schottland ein London Dry Gin, in diesem Fall erinnert die erste Duft-Probe genau an das, was man unter einem klassischen Gin versteht: Vor allem die Zitrusfrüchte sind gleich einmal da in der Nase. Zu den klassischen Duftnoten mit reichlich Wacholder kommt ein Eindruck im Mund, der fast schon cremig ausfällt. Angesichts der 46% – ein Vorteil, wenn man damit sein „Gin&Tonic“ bereitet – ist das bemerkenswert, denn nie wird der hohe Alkohol unangenehm. Diese anfangs ölige Konsistenz frischt dann aber merklich auf, bis es am Ende vor Würze fast „bremselt“. Weisser Pfeffer (wer’s kennt: auch die nordischen Pfeffer-Kekse), Thymian und Minze sorgen für die frischen Eindrücke, in die sich zum Abschied ein zarter Honig-Ton mischt.Im Rückaroma gibt es erneut einen Touch Zitrusfrische.
Für den Einsatz im „Gin&Tonic” spricht das dann für ein klassisches, möglichst trockenes Tonic, denn aromatisierte Varianten würden die Balance des „Botanist“ eher stören. Und dann wäre es schließlich schade um die gesammelten Naturstoffe.
Bezugsquelle:
The Botanist, Islay Dry Gin, ist um EUR 34,90 (0,7 Liter-Flasche) beim Weisshaus-Shop erhältlich, www.weisshaus.at