Ad aedificandam abbatiam adiuvi. So steht es am Glas – und so stimmt es auch: „Ich habe zum Aufbau der Abtei beigetragen“, darf jeder von sich sagen, der sich ein Glas Westvleteren einschenkt. Doch davor muss man die markanten schwarzen Flaschen ohne Etikett darauf erst einmal bekommen. Denn da sind die Mönche so streng, wie es ihrem Orden von der Strengen Observanz gebührt.
Das Kloster Sankt Sixtus in Westvleteren hat die Biermenge streng limitiert. Von den gegenwärtig 10 Trappistenbrauereien ist man am selektivsten, verwehrt sich gegen die Kommerzialisierung: Mehr als zwei Kisten bekommen Privatkäufer nicht und selbst dieser Weg gleicht einem Büßergang. Neben dem Autokennzeichen muss per Internet auch die Ankunftszeit des Käufers angegeben werden. Doch selbst, wenn man alleine vor dem Kloster stehen sollte, wird das Bier erst zum vereinbarten Zeitpunkt ausgegeben. Danach heißt es wieder zwei Monate „aussetzen“ für den Käufer.
Wie es die raren Flaschen nach Österreich geschafft habe, sollte hier also nicht interessieren, die gute Nachricht ist: Es gibt sie. Und so läßt sich das stärkste der drei im Kloster gebrauten Biere, das mit der römischen XII versehene, genießen.
Am Anfang schwebt eine zarte Note des bei Weinen gerne als Pferdeschweiß-Ton oder „Brett“ (vom Hefepilz „Brettanomyces bruxellensis“) bezeichneten Animalität über dem Glas. Darauf folgt aber ein wahres Feuerwerk scheinbar widersprüchlicher Gerüche wie Erdbeere, gelbe Kiwi, Hibiskus und Geranie. Der erste Schluck wirkt fast sherry-artig in seiner Süße, zu der deutlichen Rosinen-Note kommt aber eine cremige Art und eine wunderbare Balance der unterschiedlichen Eindrücke am Gaumen. Alkoholisch wirkt das 10,3 % starke Westvleteren zu keiner Zeit bzw. lenkten die anderen Wahrnehmungen das Sensorium dafür ab. Das lange Finish setzt mit einem Anklang von kandierter Orange und Trockenfrüchten aus dem Christstollen noch eines drauf.
Bemerkenswert ist auch die Verwandlung, die dieses andächtig und daher in kleinsten Schlucken und langsam getrunkene Bier am Ende der Verkostung durchmachte. Aus den vielen Fruchtaromen im Duft wurde plötzlich eine dunkle Karamellnote, die an die Kirstein Blockmalz-Zuckerl erinnert, die es kurz auch in einer dunklen Variante gab. Ein rares Vergnügen, das viele gleich teure Biere experimenteller Craft-Brauereien locker in den Sack steckt. Bei diesem Trank sollte man nicht an den Preis denken, sondern überlegen, welcher Lobpreis angebracht ist.
Bezugsquelle:
Westvleteren „XII“ ist (momentan noch) im Sechser-Pack mit zwei Gläsern um EUR 69,90 erhältlich bei Craft Beer-Spezialist Ammersin, www.ammersin.at