Langlebig, eigenständig und mit einer gewaltigen Tiefgründigkeit – das ist die Habenseite der südsteirischen Lagenweine. Das Preis-Genuss-Verhältnis wird allerdings auch arg strapaziert, vor allem, wenn das Wetter in der klimatisch leidgeprüften Region nicht mitspielt. Die Qualität sinkt dann, die Preise, hart an der 40 Euro-Grenze, leider nie. Auch am Einstiegslevel lässt sich ähnliches – Klassikweine unter 10 Euro werden rarer, Trinkspass fallweise auch, beobachten. Die Südsteiermark als Sandwich-Kind des Weinbaus? Nicht ganz, denn die Mitte wird gerade vernünftig aufgebaut. Einige, wie Willi Sattler, verfolgen das Konzept der Ortsweine schon länger, ein weiterer Fan des Konzepts, Alois Gross, steht diesmal im Mittelpunkt.
Aus einem Weinort stammend, als Lagencuvée, idealer Weise ohne Traubenzukauf, und mit einem Preis zwischen 12 und 15 Euro zu erstehen, haben diese Weine folgende Aufgaben:
1) Sie unterfordern den Kenner nicht,
2) schonen die Börse und
3) bieten, was man „value for money“ nennt (wenn man WU-Absolvent ist und mit dem aufgestellten Polohemd-Kragen durch die Steiermark „cruise-t“).
Wir halten es lieber mit der bodenständigen Definition Alois Gross‚: „Weine zum wertigen Dahinplätschern“. Besser kann man es nicht sagen – und vier Vorschläge dazu schenkte der Wein-Weise aus Ratsch ein. Besser gesagt zwei Ortsweine, die aktuell im Weingut am Nussberg gekeltert werden, aus zwei Jahrgängen. Der Sauvignon Blanc „Ratsch“ aus dem Jahr 2013 ist dabei zugänglicher als der Morillon, den Gross nach einem alten Hohlmass „Startin“ getauft hat. Als Wein noch in Eimern geerntet (und gemessen) wurde, „ergaben 12 Eimer zu 56 Litern ein Startin-Fass“. Die alten Masse schwanken zwar, doch kann man sich in etwa ein 600-Liter-Holzfass vorstellen. Und in einer Mischung aus bis zu 16 Jahren alten Fässern und sporadisch eingestreuten neuen Gebinden reift der Morillon in Ratsch. Dazu aber später.
Mit dem Sauvignon blanc 2013 zieht nämlich ein Duft nach weisser Schokolade, Ribisln und etwas Rosengelée durch den Raum. Auch Maracuja gesellt sich dazu, alles in allem ein Duftbild, das dem Vorurteil „Stachelbeere, Brennessel, grüne Paprika“ entgegengesetzt ist. Auch am Gaumen spielt der Ratsch – ganz nach dem Sauvignon-Credo der Loire-Legende Didier Daguenau – die tropenfruchtige Karte: Vor allem Ananas, auch etwas Guave und eine beachtliche Saftigkeit kennzeichnen ihn. Sucht man „grüne“ Noten, dann wäre das am ehesten dezenter Waldmeister, der gegen Ende merkbar wird.
Sein Vorgänger, der in kleinen Mengen noch erhältliche Ratsch 2012, stammt aus einem Jahrgang, der in der Südsteiermark für extreme Saftigkeit steht. Insofern überrascht die Nase nach Lychee und deutlicher noch nach Ananas nicht wirklich. Auch am Gaumen flutscht der tropische Sauvignon nur so dahin; ein gutes Indiz, wie sich der 2013er noch entwickeln wird.
Steiermark 2012 – das Jahr des Saftes
Für den Morillon werden jährlich einzelne Chargen aus den Ratscher Lagen verschnitten. Der Vorteil, so „Lois“ Gross: „Wir wissen von jeder die Stärken und die Schwächen – nur was in einem Jahr Stärke war, muss es nicht auch im nächsten sein“. 2013 ergab sich daraus ein Wein mit einem kühlen, zart kreidigen Duft, der mit etwas Luft dann Quitte und etwas grünen Pfeffer erahnen lässt. Der erste Schluck zeigt, dass der Chardonnay [für Einsteiger und deutsche Leser nachgetragen: Morillon gilt als das steirische Synonym für Chardonnay], deutlich länger braucht. Noch jugendlich, getragen von einer Pink Grapefruit-Note, bittet er förmlich noch um mehr Flaschenreife. Der würzige Zug im Finale, an frischen Koriander erinnernd, zeigt, dass hier noch mehr kommt. Und wer’s nicht glaubt, der sollte den Vorgängerjahrgang kosten – wir tun es.
Und aus dem „Jahr des Saftes“, wie wir 2012 spontan taufen, sieht der Startin schon ganz anders aus. Riecht man in das Glas hinein, scheint ein Schalter zwischen grüner Frische und den Holznoten hin und her zu wechseln: Saftige grüne Kiwischeiben wechseln sich mit Vanillenoten ab, dazu kommen Milchkaffee, Nuss, aber auch dezente Lychee. Das Wechselspiel treibt der Startin 2012 auch am Gaumen. Saftige Tropenfrucht, fast Ananasjoghurt (leicht laktisch, aber im besten Sinne, ist dieser Morillon), dazu aber wieder die Sekundäraromen: Vanille satt und gegen Ende ein deutlicher Kokosraspel-Schub.
Sohn Hannes wollte keinen „geholzten“ Chardonnay machen, erzählt Alois Gross begeistert vom Händchen für die Fassreifung, sondern den Charakter der Sorte durchschimmern lassen. Besser kann man es nicht beschreiben, im Moment gefällt dieser Ortswein in seiner Janusköpfigkeit ungemein.
Die Lagenweine der Rieden Nussberg, Kittenberg und Sulz haben den Namen des Weinguts Gross aufgebaut. Zu Recht das Prädikat Kultwein verdient der „Perz“, eine so eigenständige Interpretation des fälschlich als Reb-Leichtgewicht geschmähten Gelben Muskatellers. Leider, so Alois Gross, wird es sie 2014 aufgrund der geringen Erntemenge leider nicht geben. Insofern richtet sich der Fokus verstärkt auf die Ortsweine – und das ist gut so!
Bezugsquelle:
Weingut Gross, Sauvignon Blanc „Ratsch“ 2013 und 2012 sowie der Morillon „Startin“ 2013 bzw. Restmengen 2012 sind um jeweils EUR 13,50 ab Hof erhältlich, www.gross.at