Was zusammen wächst, soll zusammen verarbeitet werden. Autarkie und Nachhaltigkeit wären die modernen Schlagworte dazu, doch eigentlich gebietet das Landwirten schon der Hausverstand. Und so ist es nur folgerichtig, Kräuter, die zwischen biologisch bewirtschafteten Weinstöcken sprießen, auch gleich für das Wein-haltige Liebkind der Bar, den Wermut, zu verwenden. Die drei, die das so sehen und daher zwischen Rebzeilen nach den „Botanicals“ des Seewinkels jagen, sind Winzer Michael Andert, Sommelier Thomas Juranitsch und Bartender Hubert Peter. Letzterer entkorkt das Trio der 2017er Wermuts (ja, die Jahrgänge sind unterschiedlich! – Naturprodukt, you know?) in seiner neuen Wirkungsstätte Bruder in der Wiener Windmühlgasse.
Es ist gut, sie zusammen zu trinken, denn im Grunde offenbar jeder aus dem Trio (eine vierte Variante soll heuer folgen) eine Facette des pflanzlichen Lebens. Die Basis hingegen ist gleich, immer sind es Zweigelt-Trauben, auch wenn man sie heller (Rosé) und sehr hell (Weiss) presst, um die Vielfalt des „Wermutlich“ zu kreieren. Der mit Abstand beliebteste der drei Wermuts ist die Rosé-Variante. Sie bringt gefühlt die meiste Süße mit und fällt mit ihrer an Kornellkirschen (Dirndl) und Pekan-Nüsse erinnernden herb-fruchtigen Duftnote auf. In der trinkbaren Botanik der Herren Andert/Peter/Juranitsch repräsentiert der „Rosé“ die Blüten – mit kühlem Antrunk kommen im Geschmack zarten Blütenaromen durch, erst ab dem mittleren Gaumen erkennt man auch Bitterstoffe. So schiebt das Getränk langsam nach, aus der anfänglichen Blumen-und-Weichsel-Mischung wird ein Tannin-reiches Finish. Insgesamt stellt er einen Appetitanreger von Rang das und ergo den idealen Aperitif. Bisserl Eis dazu, eventuell Zitronenschnitz und basta!
Für uns allerdings bringt der weiße „Wermutlich“ den meisten Trinkspaß mit, was schlicht an seiner entfernten Aroma-Verwandtschaft mit einem Fino Sherry liegen dürfte. Will man auch hier Pflanzenteile als Analogie verwenden, kämen Blätter und Früchte ins Spiel. Die erste Nase „hat was von Gurkenwasser“, ist sich Hubert Peter des polarisierenden Charakters bewusst. Zwischen Borretsch und Estragon taucht aber auch ein leichter Erdbeer-Ton auf. Die Spannung zwischen Säure und Bitterkeit prägt dann am Gaumen diese Variante. Dabei bleibt er immer herrlich würzig; man denkt an Tamari-Sojasauce, dazwischen vielleicht auch an Tamarinden-Paste, mitunter erinnert der weiße „Wermutlich“ auch an gesalzene Erdnüsse. Mit diesem herbal-salzigen Touch klingt er aus, womit auch die Analogie zum nussig-maritimen Sherry klar sein dürfte. Der mag weit entfernt an der andalusischen Küste entstehen, aber aromatisch halten die Salzwiesen des Seewinkels locker mit. „See“ wie Meer, kann man in diesem Falle auch sagen.
Der rote Wermut wiederum bringt einen Mix aus Weichseln, Kaffee-Pulver, Orangenminze und Herzkirsche mit. Der Kostschluck entlarvt ihn als die „Wurzel“-Reinkarnation im Glas, neben Vanille kommen herbe Töne, die an Schwarze Nüsse, Kräuterbitter und Enzianwurzel erinnern durch. Die Bittertöne muss man mögen, der Wurzelwerk-Charakter prädestiniert ihn aber als Partner zu einem süßeren Bourbon – ein Apetloner Manhattan ließe sich so im Tumbler bauen. Und der ist dann nicht nur vermutlich gut!
Bezugsquelle:
Wermutlich, Weiss, Rot und Rosé sind um jeweils EUR 25 (0,5 Liter-Flasche) erhältlich, alle über Weinskandal, www.weinskandal.at