Es beginnt wie ein Witz mit langem Bart: „Trinkprotokoll.at geht in die beste Cocktail-Bar der Welt und kommt mit einem Bier heraus“. Doch, was Alex Kratena von der Londoner Artesian Bar mit den Jungs von Partizan gebraut hat, könnte Schule machen. Simpel gesagt. hat sich das Mastermind der Bar im Londoner Langham Hotel einen Lieblingsdrink als Bier erzeugen lassen. Das kann man bei der Brauerei in Bermondsey übrigens auch als Privater tun: 1.200 Flaschen sind für 3.600 britische Pfund drinnen [wie das genau geht, steht hier].
Doch zurück zu Kratena, für den „ein Gedeck aus Bier und Negroni schon lange ein Favorit von uns war“. „Uns“ meint in dem Fall den weltweit verehrten Artesian-Kollegen Simone Caporale, dessen Youtube-Videos heute studiert werden wie in den 1990ern Charles Schumanns Barbuch. Ein Bier mit dem italienischen Drinks zu verstärken, kam für die Artesian-Belegschaft aber nicht in Frage, „uns ging es um den Geschmack des Negroni, also sollte das Bier nicht zu stark sein“. Letztlich sind es 6,5% Alkohol geworden, an die man bei dem herben, mit Chinarinde (die auch Tonic Water seine Bitterkeit gab) aromatisierten Bier am allerwenigsten denkt.
Technisch gesehen, wird ein belgischer Bier-Typ von der Partizan Brewery als Basis genommen – das im Winter als Sommerbier eingebraute „Saison“ (oder „Farmhouse Ale“). Ein Saison aus der Wallonie hatte meist mehr Kohlensäure, war leichter im Alkohol und mitunter mit Früchten aromatisiert. Im konkreten Falle wurde natürlich mit Geschmacksstoffen gearbeitet, die für den Negroni typisch sind (also Botanicals, die auch im Vermouth, Gin und Campari zu finden sind). Das Etikett wurde im typischen Partizan-Stil von Alec Doherty gestaltet und zeigt den Namensgeber des Drinks, den Grafen Negroni, einmal selbst als Barmann.
Gefärbt wird der gehopfte Londoner Negroni etwa wie es bis 2006 auch der Campari wurde: mit dem Sekret der Cochenille-Schildlaus. Wer es nicht so genau wissen will, sollte den Farbstoff „E 120“ am Etikett nicht nachschlagen; Perfektionist Alex Kratena ist aber genau auf diese traditionelle Färbung stolz, die sich in Italien bis zur als Medizin angewandten confectio alchermes des 18. Jahrhunderts zurückverfolgen lässt. Rhabarber, Pfeffer und deutscher Hopfen aus der Hallertau sind weitere Zutaten.
Der Duft nach roten Beeren passt bestens zur Farbe, das Saison aus der besten Bar der Welt erinnert an Kirschen, Grapefruit und etwas Rhabarber-Kompott. Zart in der Kohlensäure, setzt sich am Gaumen diese Rotfruchtigkeit, diesmal eher als roter Apfel zu deklarieren, fort. Auch Blutorange könnte man vermerken. Ab der Mitte gesellen sich aber Wermut-Noten dazu, die gegen Finish komplett in Richtung Bitterkeit driften.
Wobei die Art dieser nachhängenden Bittere schon beachtlich ist – das ist definitiv keine Hopfennote, sondern erinnert eher an Artischocken. In Zeiten der hopfenstopften IPA-Schwemme einmal eine wohltuende Kost-Notiz, die das „Negroni Saison“ tatsächlich als Aperitif-tauglich ausweist. Ähnlich sieht das auch Alex Kratena. Seine Empfehlung: „Wir trinken es auf Eis und mit einer Orangen-Scheibe! Salute!”
Bezugsquelle:
Partizan Brewing & Artesian Bar, “Negroni Saison” ist international in kleinsten Mengen bei der Brauerei direkt um ca. EUR 4 (je nach Pfund-Wechselkurs) erhältlich, www.partizanbrewing.co.uk