Während die Einschätzungen zum Jahrgang 2022 die Runde machen – „Weine mit ausgeprägter Reife, feiner Frucht und harmonischer Säure“, so die offizielle Lesart – blicken wir zurück. Denn nach dem Einblick in die aktuellen Lagenweine der Wachau (hier zu lesen), blieb es ruhig, was die gewaltige Kost-Woche von Grafenegg betrifft. Was schlicht damit zu tun hat, dass diese Austro-Variante der En primeur-Verkostung 81 „Erste Lagen“ umfasst, die teils erst jetzt in den Handel kommen. Und das Trinkprotokoll macht zwar gerne Gusto, aber eben auch erfüllbaren. „Warten Sie sechs Monate, dann gibt’s den Wein“, zählt nicht zu unserer Attitüde.
Womit wir nun die Weine nachreichen, die uns unter all den Mitgliedsbetrieben der Traditionsweingüter am besten gefallen haben. Lediglich bei den Rotweinen (Carnuntum, what else?) erfahren noch einige Flaschenreife, doch dazu kommen wir erst in einer weiteren Folge. Den Start machen zwei Rieslinge, denn diese Rebsorte gefiel uns quer durch die verkosteten Gebiete gut. Wobei das Kamptal mit einigem Recht den Auftakt macht.
Der stets verlässliche Davis Weszeli hatte dort 2017 mit extrem heißen Tagen zu kämpfen. Seine Antwort lautete, mitunter nachts den Bewuchs zu reduzieren – es gibt also weniger Menge. Wobei sein Riesling „trotz der extremen Temperaturen erstaunlich hohe Säurewerte und eine klare und präzise Aromatik“ aufweist, wie er sagt. Und der „Ried Heiligenstein“ bringt auch gleich die unverwechselbare Rauchigkeit des „Höllensteins“ in Stellung. Wir sagen dazu gerne „Kapselpracker-Munition“ und erinnern uns an die Zeit als Steppke – auch wenn die volle Frucht nicht ganz zu diesem Schwelgen passt. Wie britische Orangenmarmelade (die mit „thick cut“ am Etikett) und reife Melone riecht es aus dem Glas. Erst dahinter lässt sich die Steinobst-Note der Sorte wahrnehmen.
Im Mund überrascht die von Weszeli angesprochene Säure, sehr präzis und mit einem Anklang an Passionsfrucht-Saft kommt der 2017er auf den Gaumen. Er war einer der ältesten Weine in Grafenegg und doch noch zu jung. Süß-sauer bleibt das Spiel, das an Orangen-Kandis und frische, säuerliche Tropenfrüchte erinnert. Das wird noch beeindruckender werden, wenn man – wie der Winzer – etwas Geduld mit dieser Füllung hat.
Ebenfalls schon in feiner früher Form zeigte sich Martin Diwalds „Ried Goldberg“, der auch moderaten Alkohol (12,5%) mitbrachte und erneut zeigt, wie gut sich der Großriedenthaler Bio-Winzer auf Riesling versteht. Der gemischte Zitrusabrieb im Duft – wir notierten Zedratzitronen und Kumquat – legt sich vor die Marillen-Duftnoten. Auch sie steht aber für säurige, keineswegs überreife Fruchtakkorde. Entsprechen straff kommt auch das Mundgefühl daher; druckvoll zeigen sich die Zitrus-Filets. Ein Haucherl Gerbstoff greift dem 2020 Riesling noch unter die Flügel und hebt ihn in trinkfreudige Höhen. Auch hier dauert es, ehe die Sortenaromatik sich „zuschaltet“ – der Nachhall von rauchig unterspickter Marille gefällt aber dafür bestens.
Erste Veltliner-Pflicht? Säure-Erhaltung!
Und die Grünen Veltliner aus den „Ersten Lagen“? Nun, für uns tat sich diese Sorte schwerer mit den Bedingungen des Jahrgangs. Einiges wird sich noch sortieren, aber die generelle Problematik, die typische Säure auch im Klimawandel zu erhalten, zeigte sich doch auch hier. Und vieles kann die Flaschenreife bewirken – Säure zaubert sie nicht herbei. Mitunter hilft der Boden aber mit, prächtige „GV“ zu erhalten. Ludwig Neumayer und der rote Kalk des Traisentals etwa spielten beim 2021er „Ried Rothenbart“ perfekt zu sammen. Die basischen Kalkkonglomerat-Böden sorgen für niedrige pH-Werte „und somit hohe Säurewerte“, wie es der Inzersdorfer Winzer erklärt. Rauchig wie nur präsentierte sich sein Wein, irgendwo zwischen Knäckebrot und Sesam-Cracker zu verorten. Nashi, Guyot-Birne, ein Anflug von Pfeffer – da freut man sich beim Veltliner! – und auch frisches Stroh sorgen für einen vielschichtigen Duft. Und nicht nur das Stroh und der Pfeffer zeigen an, dass man hier einen trocken-frischen Typus erwarten darf.
Am Gaumen wird der „Ried Rothenbart“ dann noch eleganter, denn die bisher verborgene florale Dimension bringt neben ganz zarten Blütenaromen (Orangenblüte vor allem) auch viel Trinkfluss mit. Das liegt an der von Neumayer angesprochenen Säure des Traisentaler Veltliners, aber auch einer eigenen Geschmacksrichtung. Würde man nur „Ribisl“ schreiben, denkt man vermutlich an ein eindimensionales „Säuremonster“, doch das Gegenteil ist der Fall. Cremig umhüllt wie eine Biskuitroulade es mit der Johannisbeer-Füllung tut, kommt dieser 2021er daher. Er stand ganz oben in unserer Auswahl der ÖTW–Veltliner der Probe.
Ebenfalls in dieser Spitzengruppe positionierte sich ein anderer bekannter Meister, der wie Neumayer zu den „elder statesmen“ des Weißweins gehört – Berthold Salomon. Von seinem Undhof war es der Kremser Wachtberg 2021, der für Begeisterung sorgte. Auch am Weingut Salomon ist es ein spezieller Boden, der Geschmeidigkeit und Würze kombiniert. „Die Geschmeidigkeit verdankt er dem Löss, die feine Mineralität dem Urgestein“, formuliert es der Winzer selbst.
Fast mit burgundisch reduktiver Art beginnt der „Ried Wachtberg“, der lange auf der Feinhefe lag. Das kann man in der rauchigen Sesambrot-Note nachvollziehen, die sich mit einem pikanten Zug paart, der an Safran erinnert. Sortentypisch ist auch Apfel-Duft vorhanden, Der Kostschluck zeigt dann eine sehr präzise Machart, die vor allem dem würzigen Tiefgang des Urgestein-Veltliners immer wieder Platz gibt. Ananas und Grapefruit spannen einen breiten Bogen aus satter und saftiger, aber auch säurig-frischer Frucht. Etwas Zimt sorgt dann für den Auftakt eines gewürz-intensiven Mittelteils des 2021ers aus dem Kremstal – es wird „funky“ am Gaumen, denn diese salzig-pfeffrigen Eindrücke hüpfen fast auf der Zunge. Und das ist keine Täuschung, denn das Finale bestreitet die wunderbare Mischung Zitrusfrucht-Salz-Süße wie man sie von eingelegten Salzzitronen (der marokkanischen Küche) kennt. Wunderbar gelungen – und vor allem sehr trinkanimierend!
Bezugsquellen:
Weingut Weszeli, Riesling „Ried Heiligenstein“ 2017 kostet EUR 74,80 ab Hof bzw. im Onlineshop des Winzers, www.weszeli.at/de/shop/
Bioweingut Diwald, Riesling „Ried Goldberg“ 2020 ist um EUR 19,50 erhältlich, z. B. bei Weinbox.at, www.weinbox.co.at
Ludwig Neumayer, Grüner Veltliner „Ried Rothenbart“ 2021 ist um EUR 29,90 ab Hof bzw. über Mail-Order erhältlich, https://weinvomstein.at/bestellung/
Undhof Salomon, Grüner Veltliner „Ried Wachtberg“ 2021 ist um EUR 25,70 ab Hof bzw. im Onlineshop des Winzers zu erwerben, www.salomonwein.at