Karl Neustifter ging 2007 den Schritt zurück. In der Riede Steinberg begann der Poysdorfer Winzer wieder mit einer Stockkultur. Davon hatte man sich zugunsten der so genannten Drahtrahmenziehung für die Reben schon lange verabschiedet. Die Triebe einen Draht entlang zu führen, erspart viel Arbeit. Doch früher einmal rankten sich die Pflanzen an einzelnen Pfählen (eben den Stöcken) hoch. Diese kompakte Wuchsform ergab neben erheblich mehr Arbeit, aber auch kleinere und extraktreiche Weintrauben. Das wollten die Neustifters genau wissen – und verpasste dem Grünen Veltliner „Stockkultur“ eine markante Flasche. Diesen Wein ziert eine Kellerkatze, jenes Tier, das sich der Legende nach angeblich immer am Fass mit dem besten Wein niederließ.
In diesem Falle prangt – die optisch immer variierte – Katze auf den schwarzen Flaschen aus den Jahrgängen 2020, 2017 und 2011. Womit sich eine kleine Vertikale dieses „burgundischen“ Veltliners aus großen und kleinen Holzfässern ergab. Und ein Vergleich zum 2010, den wir hier beschrieben haben.
Kräftig in der Farbe und mit seinen 14% auch kein Leichtwein, verdient der jüngste in der Serie durchaus eine kurze Belüftung. Dann kommen Honigmelone, Kaktusfeige und mit der Zeit auch Mango deutlicher zum Vorschein. Die interessanten Bei-Note liefert Gurkenschale, aber auch Kapernbeeren sind zu erschnuppern. Im Mund breitet sich der „Stockkultur“ im wahrsten Sinn des Wortes schön aus. Ein wenig laktisch wirkt das fast, wenn sich die cremige Exotik – neben Mango nun auch karamellisierte Ananas – im Gaumen bemerkbar macht. Dieser Veltliner wirft alles nach vorne, was er hat. Ein intensiver Eindruck, in dem man auch getrocknete Orangenräder ausmachen kann, bleibt lange präsent. Wohlgemerkt aber nicht über den Nachgeschmack. Das ist eindeutig ein „horizontaler“ Wein. Aber einer, der packt und in Erinnerung bleibt.
Es mag nicht überraschen, dass Neustifters 2017er „Stockkultur“ deutlich zugänglicher ausfällt. Doch der Niveausprung durch die Lagerung ist dann schon bemerkenswert. Hier findet sich die Tropenfrucht, üppig und mit dem Füllhorn verteilt, schon in der ersten Nase. Die herben Noten des 2020ers sind hier nicht mehr vorhanden. Stattdessen lässt sich die Cremigkeit förmlich riechen – zwischen Weichkaramell alias die Karamellbonbons mit der Kuh drauf und Butterkeks, das in den Tee getunkt wurde.
Saftig und mit einem dann doch überraschenden säurig-würzigen Ton – ein wenig wie Honigsenf von Maille – legt der 2017er los. Die Gewichte hat er dabei verschoben. Vorne weg zeigt er die Reste der Sorten-spezifischen Apfelnote, inklusive Säure. Hinterher allerding kommt die breitere Anlage der ungewöhnlichen und mittlerweile auch schon reiferen Veltliner-Reserve. Aktuell ein mächtiges, aber nicht zu schweres Glas Weißwein. Und eine „Stockkultur“, die z. B. zu einem Salzstein-gereiften Kotelett vom Schwein oder Kalbsfilet mit Kapernsauce zu gefallen weiß.
Bliebe noch der älteste Wein der Vertikale von Neustifters „Weißem mit der Katze“. Er stammt aus dem Jahrgang 2011. Und man könnte sagen, dass er die beiden anderen Jahre verbindet. Denn das herb-gemüsige Element des 2020ers kommt hier in Form geraspelter Karotten und Knollensellerie durch. Nimmt man den dezenten Apfel und die Nuss-Noten hinzu, erinnert das an den animierenden Duft eines Waldorf-Salats. Doch da haben wir noch nicht über die Exotik gesprochen – sie wirkt leichtfüßig für das Alter des Weines und bringt Duftnoten von Guave, Papaya und Pitahaya mit. Man erwartet also auch im Geschmack etwas Anderes als die Mango der bisherigen Jahrgänge. In der Tat hat die Zeit etwas Großes daraus geschliffen, das in seiner tiefgründigen, runden und auch leicht nach Honig schmeckenden Art an Veltliner-„Smaragd“ jenseits von 12 Jahren Reife erinnert.
Ein Alzerl Safran ist da, auch wieder die dezente Senfkorn-Würze, die der cremigen Art so gut steht. In diesem Stadium wirkt die „Stockkultur“ beinahe alterslos. Und sie ruht geschmacklich so in sich, dass man nur raten kann, alle Weine dieser Art länger zu lagern, als es die eigene Geduld erlaubt. Kleine Schlucke einschenken und großes Glas verwenden – dann schnurrt auch die innerliche Katze bei diesem 2011 aus Poysdorf.
Bezugsquelle:
Weingut Neustifter, Grüner Veltliner „Stockkultur“ ist noch in den genannten drei Jahrgängen (2011, 2017 und 2020) erhältlich, jeweils zu EUR 96,- ab Hof oder im Neustifter-Shop, www.weingut-neustifter.com