Unter den Jahrgangspräsentationen der heimischen Weingüter gehört „Weinrieder extrem“ nicht nur dem Namen nach zu den außergewöhnlichen. In Poysdorf lässt Fritz Rieder mit seinen Söhnen Bernhard und Lukas alljährlich große Vertikalen seines gesamten Weißwein-Portfolios auffahren – und das ausschließlich in Magnums. Internationale Kult-Weingüter flankieren mit ihren Rotweinen zudem das Angebot, das drei Tage lang für Verzückung sorgt. Denn vom einfachen Veltliner bis zu den Schatzkammer-Stücken á la Eiswein „Schneiderberg“ (= Riesling aus dem Jahr 2003) werden die Korken gezogen.
Die wertvollsten Trauben sind auch hier die der Einzellagen, die in außergewöhnlich guten Jahren dann separat vinifiziert werden. Bestes Beispiel dafür war der Grüne Veltliner-Lagenreserve „Hohenleiten“ 2018 – der noch als Fassmuster serviert wurde. Süß-saure Duftschwaden (man darf an Senfgurken denken) steigen ebenso aus dem Glas wie die erdige Grundierung von Kurkuma, dazu die frische Kräuter-Anmutung der Zitronenmelisse. Die saftigen Tropenfrüchte werden auch durch den leichten Restzucker (acht Gramm), den Rieder zulässt, getragen. Papaya und – wer’s aus der Patisserie kennt – „essbare Erde“, also ein Schoko-Malz-Touch, stehen zu Buche. Doch da kommt auch wieder dieser leichte Gerbstoff des Kurkuma als Wiedergänger – die Jugendlichkeit des „Hohenleiten“ schimmert hier noch durch. Das Potential dieses Weines – auch für einen Flight bei weiteren Auflagen von „Weinrieder extrem“ – ist evident.
Dass bei den Weinrieders große Rieslinge und Veltliner bis hinauf in den Prädikatswein-Bereich entstehen, wissen nicht nur Top-Köche wie Heston Blumenthal. Die Verkostung vor Ort bestätigte das auch eindringlich. Die echte Überraschung war aber eine Weißburgunder-Serie, die Fritz Rieder nach einem Gespräch mit Anton Kollwentz vor Jahren (es gab noch die Weinmesse „Vinova“) unter dem Lagen-Namen „Kugler“ abfüllte. Man würde ihn mit der Sorten-Rarität sonst „sofort in eine Schublade stecken“, riet der burgenländische Burgunder-Fuchs seinem jungen Kollegen. Und der „Kugler“ stellt seither die Lage anstatt der Sorte heraus.
Komplex! Weinviertler Weißburgunder x 3
Das ergibt dann etwa einen zart rauchigen Dessert-Becher voller Zitrusfrüchte: Grapefruit und Zitronenmelisse kommen beim Jahrgang 2015 der alten Burgunder-Selektion durch. Kräuter wie angeklatschte Minze und Thai-Basilikum flirren ebenfalls ums Glas. Der Kostschluck kleidet den Mund saftig aus, Mandarinenspalten wie einst beim Chinesen als Nachspeis‘ gereicht, notieren wir. Sesamkörner und rote Paprika folgen als Würze dieser satten Frucht, der Nachhall ist überaus lang, der 2015er „Kugler“ endet trocken und mit einem zarten Tabak-Ton.
Wer die Buttrigkeit als Kennzeichen eines Burgunders abgespeichert hat oder das „Nusserl“ sucht, um dann beglückt „Weißburgunder!“ zu rufen, sollte sich dem 2013er widmen. Er ist ganz anders als der 2015er; bereits im Duft kommen strahlende Pfirsich-Töne wie bei einem Riesling durch, die Butterkeks-Note (aber auch Ananas-Gelée) deutet aber wieder in die richtige Sorten-Richtung. Dort spielt die Musik dann aber auch so richtig. Nektarinen der Abteilung „juicy“ vermengen sich mit Pink Grapefruit, die Krone setzt dem Ganzen eine schier endlose Länge auf, die auch von Kräutern und etwas Piment befeuert wird. Aktuell in einer Top-Form!
Der große Charakter der Weinviertler Burgunder und das Lagerpotential des „Kugler“ wird dann vom (leider nicht mehr erhältlichen) 2008er aufgezeigt: Marokkanische Salz-Zitronen, Lychee und ein strahlender Pfirsich-Ton in der Nase begleitet mit feinem Nerv edelsüßes Paprikapulver. Für Fritz Rieder ist es „unbestreitbar der beste dieser Weine bisher“ – und man kann ihm nur recht geben. Ein Tee-artiger Gerbstoff umschwirrt einen Kern aus Steinobst und Yuzu. Der leichte Mandarinen-Touch stellt sich auch kraft der Säure dieses elf Jahre alten Weins ein, der wirkt, als wäre er erst vorgestern gefüllt worden. Chapeau!
Bezugsquelle:
Weinrieder, Veltliner-Lagenreserve „Hohenleiten“ 2018 ist ab Oktober 2019 um EUR 29 zu haben, der „Kugler“ in den Jahrgängen 2015 und 2013 kostet je EUR 29 erhältlich, alle im Webshop des Weinguts, https://weinrieder.at/shop