Schmucken De Lorean wie in „Zurück in die Zukunft“ gab es keinen, einen Doc Brown allerdings schon: Die „Zeitreise“, zu der das Weinforum Thermenregion lud, führte in 22 Etappen, vulgo: Weinen, in die Vergangenheit. Zehn Jahre umfasste die Auswahl der Weine, die auch zeigen sollten, wo die Zukunft für die Sortenwahl an der Südbahn liegt. Wie bei H.G. Wells, einem anderen Zeitreise-Experten (der aber nur „nach vor“ reiste), gab es auch eine Vision, wie der Klimawandel im Gebiet aussehen könnte. Willi Balanjuk, an dessen Seite man gerne zum Marty Mc Fly des Weines mutiert, skizzierte etwa den St. Laurent als einen möglichen Gewinner, der auch wärmere Durchschnittstemperaturen wegsteckt.
Es ging zwar zurück bis ins Jahr 2009, um die Reifung der vier Sorten Zierfandler, Rotgipfler, Pinot Noir und eben St. Laurent zu studieren. Doch man wollte es nicht beim Abfeiern der bekannten Benchmarks wie Johann Stadlmanns Zierfandler „Mandlhöh“ oder dem Rotgipfler „Rodauner“ von Karl Alphart belassen. Sie gab es ebenso wie die famosen Süßweine der Südbahn – unter denen die Trockenbeerenauslese vom Rotgipfler 2018 von Otmar Biegler brillierte. Der Gumpoldskirchner hatte mit dem 2017er „Brindlbach“, seinem ikonischen Rotgipfler, gleich zwei Weine am Start. Und das mit Recht. Wie ein langsam zerschmelzendes Bonbon, das nach Papaya und Laugenbrezel schmeckt, zeigte sich dieser Wein aktuell in Topform.
Bei den anderen drei Parade-Disziplinen wurde es aber auch spannend, wenn man in die Gegenwart kam bei der flüssigen „Zeitreise“ im Casino Baden. Andreas Knötzl etwa war uns bisher in Tattendorf noch nicht aufgefallen. Doch sein Pinot Noir braucht sich neben den bekannteren (und größeren) Häusern der Blauburgunder-Hochburg keinesfalls verstecken. Mit 16 Monaten im kleinen Holzfass hat man die burgundische Lehrmeinung – kein Pinot Noir ohne neues Holz! – am Weingut Knötzl jedenfalls brav umgesetzt. Die Reserve des Jahrgangs 2018 riecht wahlweise nach Eberraute oder Coca Cola, einer nicht untypische Würz-Note des Pinot Noirs (finden zumindest wir), Amarena-Kirschen und etwas Marzipan. Das Auffallende ist aber die fast schon selchige Rauchigkeit dieses Weins aus der Riede Gestorne. Sie passt auch gut zur leichten Schärfe im Duft, die an Kerbel erinnert.
Diese würzige Seite zeigt der Knötzl-Burgunder dann auch im Mund; hier ist es herbes Kakaopulver, das vorlegt und von etwas Herz-Kirsche fruchtig abgefedert wird. Diese Reserve 2018 geht auch schön auf, immer mehr Nuancen entdeckt man bei diesem – überaus preiswerten – Tattendorfer Prachtexemplar der Sorte.
Und wo wir bei den Rotweinen der Region sind, darf auch der St. Laurent nicht fehlen. Einen Ort weiter, in Teesdorf, bringt das Heurigen-Weingut Frühwirth einen mehrfach ausgezeichneten Sortenvertreter hervor. Er ist fast ein Jubiläumswein, denn vor 50 Jahren wurde die KONSUM-Filiale angekauft, die zur Keimzelle des beliebten Heurigen werden sollte. Heute bewirtschaften Gerlinde und Johann Frühwirth das Weingut und das Händchen für den „Laurent“ zeigt sich beim 2018er „Premium“, der im Duft nahe am Pinot Noir, seinem Sorten-Verwandten, angesiedelt ist. Zu dessen Grund-Aromen kommt hier aber eine prononcierte Kräuterwürze, aus der Thymian und Lorbeer herausragen. Auch ein pikant-frecher Roter Paprika lässt sich aus dem Glas vernehmen.
Die Meisterschaft der Frühwirths erweist sich aber erst beim Kostschluck so richtig, denn dem an sich warmen Jahrgang eine solche frische Säure abzutrotzen, ist beachtlich. Sie braucht es auch, denn geschmacklich wird es jetzt tiefdunkel: Graphit, Plantagen-Schoko jenseits der 70% Kakaogehalt, getrocknete Oliven und Nusslikör zeigen, dass es hier nicht um Fruchtigkeit geht. Die Jugendlichkeit ist zwar noch merklich, vor allem im Finale, aber diesen St. Laurent sollte man sich rechtzeitig sichern. Er wird herrlich zu jedem Bratl aus dem Ofen oder einem Ragout aufschrammeln, klassischer Weise sollte ein Bœuf Bourguignon damit gekocht und genossen werden.
Und auch aus Baden, der Bezirksstadt selbst, gab es Empfehlenswertes. An sich sind Anton Märzweiler jun. und Sohn Lorenz für ihre Rotweine bekannt, doch diesmal kam aus dem idyllischen „Streiterhof“ (Heimstatt herrlicher Spanferkel!) ein sehr trinkfreudiger 2019er Zierfandler. Die rare Sorte riecht in diesem Fall nach frisch geraspelten Zitruszesten, ein wenig auch nach Traubenkernen und Gelben Kiwis. Dieser herb-fruchtige Mix hat auch einen Apfel-Ton aufzuweisen, er erinnert an die alte Sorte Braeburn – dickschalig und leicht mostig ersteht er vor dem geistigen Auge.
Im Mund allerdings wird es wieder zitrus-fruchtig; hier bringt der Badener Weißwein eine trockene Art mit, die zum einen an die marokkanischen Salz-Zitronen erinnert, zum anderen herb-animierend wie der weiße Wermut Noilly Prat ausfällt. Diese unkonventionelle Art, für die wir gerne den trefflichen Ausdruck „Fruchtbitter“ von Willi Balanjuk entlehnen, macht den Weißen vom Streiterhof zu einem perfekten Begleiter zu Fisch. Was sich auch prompt mit einem Zander im Hotel At the Park ausprobieren ließ. Denn so viel Zeitreisen macht schließlich auch hungrig!
Bezugsquellen:
Streiterhof Märzweiler, Zierfandler 2019 kostet EUR 7,20 ab Hof, www.streiterhof.at
Weingut Knötzl, Pinot Noir Reserve 2017 ist um EUR 10,70 ab Hof bzw. im Webshop erhältlich, https://knoetzl-weinshop.at
Heurigen-Weingut Frühwirth, St. Laurent „Premium“ 2018 ist um EUR 12,20 ab Hof bzw. im Webshop erhältlich, https://fruehwirth.bio