Mit sechs Filialen startete Heinz Kammerer 1993 sein Handelshaus Wein&Co. 25 Jahre später steht das Jubiläum an (in heute 20 Filialen), Tochter Caro Kammerer konnte dazu in der Jasomirgott-Straße – intern schlicht „die Jaso“ – eine Powerfrau begrüßen, die den legendären Namen Gaja gleich zweimal trägt: Gaia Gaja hatte eine umfangreiche Präsentation des legendären Weinguts vorbereitet, zu murren gab es angesichts der Anekdoten („mein Vater ist dazu da, uns täglich zu sagen, dass wir nichts wissen“) aber wenig. Zumal man auch einiges über die Arbeitsweise Angelo Gajas erfuhr. Drei Generationen lang füllte man ausschließlich Barbaresco, der Hof florierte, doch mit dem Einstieg in den Familienbetrieb krempelte Gaja alles um.
Der Weg gab ihm letztlich recht, doch bis heute sucht die Weinlegende den Blick Außenstehender, denn „wir haben die Wahrheit nicht im Sack“ (non abbiamo la verità in tasca). Experten für Gras, Maronibäume und Insekten wurden nebst zwei Geologen beigezogen, um deren Erkenntnisse einfließen zu lassen. „Über so einen Weingarten“ – mit dichter Begrünung und ungeschnittenem Gras – „hätte mein Großvater geweint“, kommentierte Gaia Gaja die Ansicht der Lage Sorì Tildin. Doch es gab nicht nur Trocken-Training in der „Jaso“.
Den Anfang machte das Weingut in Bolgheri, das mit dem Blend aus 80% Cabernet Sauvignon und 20% Cabernet Franc zeigt, dass auch diese Sorten gemeistert werden. Der nicht leicht erhältliche 2015er „Camarcanda“ vom Weingut, das sich Ca’Marcanda schreibt, riecht nach Malven, Schwarztee und Johannesbeeren, bringt – mit viel Luft – aber auch den für Rotwein einigermaßen perversen Duft nach reifem Pfirsich mit. Gaia Gaja erinnert er immer an das Meer, tatsächlich bringt er viel Salzigkeit mit. Sie reiht sich aber am Ende ein. Zuvor strahlt hier reifer „Cab“ in seiner ganzen Cassis-Pracht, in die sich etwas Kräuter (Dille!) mischen und weißer Pfeffer auch. Der Kern ist hier eindeutig als „fleischig“ zu bezeichnen, das Tannin dagegen bleibt trotz der Jugend zart. Und dann gibt es noch diesen Salzmandel-Ton im Finish. Gelungener Einstieg in die Gaia-Welt!
Kostet man nach Erwerb der Weingüter chronologisch, geht es nun weiter in der Toskana – 1994 erfolgte Gajas Start in Montalcino, wo man unter „Pieve Santa Restituta“ abfüllt. Hier gibt es zwei Mal Brunello und diese Magnums zeigten auch, wie klar man die Weine abgrenzt. Denn der „Sugarille“, als Lagen-Brunello, kommt gänzlich anders ins Glas als der „kleine“ Brunello ohne Riedenangabe. Der 2013er „Sugarille“ ist ein tiefgründiger Wein,der aktuell nahezu abweisend wirkt. Schon im Duft braucht er lange, bis Bitterschoko, Kardamomkapseln und eine ledrige Note durchkommen. Frucht? Hier (noch) nicht. Es ist der klassische „Winter warmer“, der am Kamin wärmt, langsam getrunken wird und seine Facetten erst allmählich zeigt. Dann kommen zu den herben Noten, die vor allem an Steinpilz und Lorbeer erinnern, auch dunkle Früchte wie Brombeere oder Zwetschke.
Der Brunello di Montalcino des gleichen Jahrgangs hingegen lädt schon mit dunklem Kirsch-Rot ein, es duftet nach Brombeeren und Kakao zu Beginn. Aber hier schiebt sich mit Luft ein zweiter Layer in den Vordergrund, das sind dann hellere Früchte wie Erdbeere, aber auch die Erdige Note von Langpfeffer frischt da auf. Am Gaumen erfolgt ein noch schlanker Auftakt, wieder sind da rote Früchte und auch Hibiskus. Das Tannin zeigt sich im Finish noch ungebändigt, die Jugend des Weines zeigt aber das Potential auf, vor allem mit dem intensiven Abgang, der schwarzen Pfeffer und Oliven am Gaumen hinterläßt.
Piemonts Finest: Conteisa, Sperss und Sorì Tildin
Aus dem piemontesischen „Heartland“ stand dann die heißeste Lage auf dem Prüfstand. „Sorì Tildìn“ des Jahrgangs 2014 lockte mit Kokosnuss, reifen Ribisln und einem zarten Marzipan. Das kühlere Jahr hat für ein – schon in diesem frühen Zustand – pochendes Herz aus Frucht gesorgt: Kirsche in Reinkultur, dazu zarte Espresso-Noten und ein Finale, dass mit dem Tannin ein Warnschild aufstellt, diesen Wein nicht zu früh zu trinken. Denn der rare Wein mit dem hohen Preis ist bereits jetzt verführerisch und überraschend zugänglich. Und somit anders als die 2013er, die mit „Conteisa“ und dem berühmten „Sperss“ auf den 2014er folgten in der Probe, kräftiger ausfallen.
„Sperss“ ist Gaia Gajas Lieblingswein, er bringt bereits im Duft viel mit: Hagebutten, Graphit, Erdbeer-Eis, aber auch Kaffee. Im Mund wirkt er elegant, die Veilchen-Note und der zart herbe Charakter mischen sich mit den roten Früchten, die er in Überfülle zeigt. Das Tannin schlägt dann ab der Mitte zu, der Gerbstoff bringt einen satten Espresso-Bass zum Wummern, dieser Barolo bleibt so ewig lang – und scheint im Finish fast zu „bremseln“ mit seiner Bitternote und dem Pfeffer. Wenn man Lagerpotential eines großen Weins greifen kann, dann hier.
„Immer der zugänglichere Wein“ sein aber der Barolo „Conteisa“. Und auch hier hat Angelo Gajas Tochter (auch ihre Schwester und seit ganz kurzem der Bruder arbeiten am Gut mit) recht. Rote, intensive Fruchtnoten, zwischen Apfelschale und Himbeer-Pürée steigen in die Nase. Präzise und mit einem so nicht erwarteten „Zug“ kommt der 2013er aus dem Piemont auf die Zunge. Zarte Nuss-Aromatik würzt die frisch wirkenden roten Beeren. Diese Saftigkeit macht ihn zum Wein, der auch Gaja-Novizen am meisten Freude bereiten wird. Man braucht den „Conteisa“ nicht groß erklären, er spricht für sich, auch wenn hier ebenfalls noch viele Jahre Trinkspaß warten. Wir sagen derweil „Grazie, Gaia“ und „Buon compleanno, Wein&Co“!
Bezugsquelle:
Gaja/Pieve Santa Restituta, Brunello di Montalcino 2013 kostet EUR 59, der Brunello „Sugarille“ ist um EUR 150 erhältlich; Gaja, Barbaresco „Sorí Tildín“ 2014 ist um EUR 440 zu haben, der Barolo „Conteisa“ 2013 um 190 EUR, der Barolo „Sperss“ 2013 kostet EUR 195, alle Weine in den Wein&Co-Filialen bzw. online, www.weinco.at