Sizilien in geballter Form, so präsentierte sich die Insel – nicht nur mit ihren Weinen – im Wiener Ritz Carlton. Mit einem Genussabend unter der Patronanz des Falstaff gab es die Winzer der Mittelmeer-Insel auch in Kombination mit den Gerichten des Michelin-gekrönten Ciccio Sultano („Il Duomo“, Ragusa) zu erleben. Und in der Tat kennt man abseits der großen Pionier-Weingüter Planeta und Donnafugata den sikulischen Weinbau zu wenig. Nachkosten statt vorgefaßter Meinung war also angesagt!
Unter den Weißweinen mag ein Teil des Vorurteils noch stimmen, dass aus Sizilien vielfach säurearme Abfüllungen kommen. Allerdings war das 2018 vor allem dem verregneten Wetter geschuldet und nicht der Gluthitze, die gerne für aromatische, aber flache „Nasenweine“ sorgte. Die wenigen Ausnahmen bei der Wiener Verkostung hatten entweder Holz gesehen und stammten somit noch aus anderen Jahrgängen (wie der Chardonnay „Laudári“ 2017 von Baglio del Cristo di Campobello) oder sie kamen aus kühlen Höhenlagen. 800 Meter Seehöhe etwa sind es bei Feudo Montoni, das auf die Zeit der spanischen Grundherren Siziliens und das Jahr 1469 zurückgeht.
Heute wird der alte aragonesische Lesehof (baglio) biologisch bewirtschaftet. Und der „Inzolia dei Fornelli“ 2018 stellte einen großartigen Weißwein dar, der noch dazu auch preislich interessant platziert wurde. Die Sorte selbst kenn man vielleicht auch als Ansonica, denn Inzolia (oder für die Sizilianer „nzolia“) heißt er nur auf der Insel selbst. Dass die drittbeliebteste weiße Sorte Siziliens auch für Wermut verwendet wird, kann man nachvollziehen: Frucht und Würze sind da, die Bittere ergänzt bei der Spirituose dann das Wermutkraut. Doch der Inzolia von Feudo Montoni bringt auch einen Touch Neuburger mit; in einer Blindverkostung hätte man wohl darauf getippt. Denn das „Nusserl“ ist ausgeprägt im Duft; das sind fast schon Pistazien, die sich über einen Steinobst-Mix legen.
Im Mund wird es klare; wir schmecken Nektarine und Melone, auch etwas Ringlotte. Nichts ist zu expressiv, aber alles schön saftig. Vor allem aber toppt ein salziges Finish den von leichter Säure und einem hingetupften Gerbstoff geprägten Wein. Eine Pasta, etwa mit dem Fischrogen Bottarga, wäre dazu sicher eine Feinheit!
Und die Roten Sizilianer? Sie sind nach wie vor mächtige Geräte, was bedeutet, dass die besten ebenfalls mit Finesse punkten. Denn um Reife braucht man sich bei Sorten wie Nerello Mascalese, der autochthonen Sorte am Ätna, eher nicht zu sorgen. Erfreulich viele Vertreter dieses Vulkan-Gebiets, die meisten als Busch-Weine (Alberello, also „Bäumchen“ genannt) kultiviert, waren ins Hotel Ritz-Carlton gekommen. Salvino Benanti war einer von ihnen und er verfügt mit Hermann Sussitz auch über einen österreichischen Importeur, der seine Weine führt – bei einigen anderen stellt sich leider das Problem einer Verfügbarkeit. Benantis „Contrada Monte Serra“ stammt aus dem Jahrgang 2016 und stellt einen reinsortigen Nerello Mascalese dar.
Feine Klinge statt Feuer vom Ätna: Benantis Rote
„Contrada“ wäre am ehesten mit Rotte oder Teil-Gemeinde zu übersetzen. Hier geht es weniger um einzelne Rieden an den Hängen des Ätna, sondern die von Lavaströmen gebildeten Bodenformationen innerhalb der Contrade. Sie können variieren, etwa je nach dem Anteil des Tuff-Gesteins. Beim 2016er geht es Benanti um „Reinheit und Frische“, was sich in einem Duft nach Malven, Zimtrinde und Rotem Apfel äußert. Der Wein vibriert vor säuriger roter Frucht, Ribisln und Papaya stehen zu Buche, dazu ein sanfter Tannin-Druck. Bisweilen wirkt er fast ätherisch in seiner leichtfüßigen Art. Die Jugendlichkeit bleibt bis zum Finale erhalten. Ein eigenständiger Typus, der gerne auch gekühlt serviert werden darf.
Mit einem kleinen Anteil („nie mehr als 10%“, so Silvano Benanti) Nerello Cappuccio wird aus dem Nerello Mascalese der „Rovittello“. Auch die Bezeichnung der Cuvée stammt von einem Ort, die Stöcke sind hier bis zu 100 Jahre alt und liefern Trauben, die einen typischen Ätna-Wein hervorbringen. Der Gerbstoff aus der Schale wird nicht vom Holz verstärkt; man verwendet – wie die meisten der modernen Ätna-Winzer-Kollegen – neutrale, große Holzfässer, in denen nach drei Jahren die Frische der Nerellos immer noch präsent ist.
Der „Rovittello“ 2014 duftet nach Assam-Tee, warmem Ziegelstein und kühlen Erdbeeren. Am Gaumen entwickelt er einen beachtlichen Zug, der mit seiner Eisen-Note an Blut, aber auch Sauerwässer erinnert. Das ganze, rofruchtige Potpourri wird von einer animierenden Säure begleitet. Pink Grapefruit steht am besten als Symbol für diese Mischung aus roter Frucht, Frische, Säure und herben Noten ein. Die Schale eines Roten Apfels ist auch zu spüren im langen, von etwas Gerbstoff und schwarzer Olive geprägten Abgang. Fazit: Ein Ätna-Wein zum Kennenlernen der aktuellen Stilistik dieser Raritäten – und mit seiner feinen Klinge zum Glück weit weg vom „feurigen“ Sizilien-Klischée!
Bezugsquellen:
Feudo Montoni, „Inzolia dei Fornelli“ 2018 kostet EUR 10,80, online bei Italvinus, www.italvinus.de
Vinicola Benanti, Contrada Monte Serra 2016 ist um EUR 27 zu haben, der Rovittello 2014 um EUR 35, beide bei Sussitz, www.sussitz.eu