Da heißt es immer, die Deutschen erfinden gerne Abkürzungen. Denkste, um verbal bei den Nachbarn zu bleiben: DOC FCO steht hinter den Weinbezeichnungen von Chiara und Andrea Giaiotti. Friuli-Colli Orientali, früher einmal COF abgekürzt, bringt im Idealfall Weissweine hervor, die im Rest Italiens kaum so entstehen. Doch mittlerweile hat auch hier eine Winzergeneration sich auch den Klimawandel eingestellt und ein heisses Jahr bedeutet nicht automatisch lasche Weine. Ein Ende August geernteter Pinot Grigio mit „schlanken“ 14% Alkohol beweist das; mit ihm beginnt unser Besuch bei Castello Sant’Anna in Spessa, einem erhöht gelegenen Ortsteil von Cividale. Genau genommen überzeugt mich altes Maler-Kind ja schon die orange Farbe, die aus der leicht rötlichen Schale des Grauburgunders stammt.
Leichter Tischwein ist das zwar keiner, doch die Nase, an das italienische Sfogliatini-Blätterteiggebäck und seine süßliche Mandelnote erinnernd, gefällt schon mal ganz gut. Vollmundig, wenngleich vielleicht ohne die letzte Finesse und das große Finish, ist das ein feiner Begleiter zum Brathenderl mit Semmelfülle. Einen ähnlich kräftigen Einschlag zeigt der Friulano, dessen 14,5% Alkohol schon fast am 15er liegen, wie Andrea mir flüstert. In der Nase nach Karambole (Sternfrucht), wird er am Gaumen einem kräftigen Riesling immer ähnlicher. Rund um den gelbfruchtigen Kern, der sich ab und an Richtung Nektarine präzisieren läßt, huscht aber immer auch gerade soviel Säure über die Zunge, dass die Frische gewahrt bleibt.
Waren schon die „Einsteiger“ überraschend eigenständige Weine, wenn auch vielleicht etwas neben der „easy drinking“-Erwartung klassischer Friaul-Weißwein-Fans, packen die Giaiottis jetzt den wahren Hammer aus. Es ist erst die zweite Abfüllung ihres Solterra, dem hauseigenen Versuch eines Orange Wines. Vergoren wird die Cuvée aus Ribolla Gialla und Friulano (wenn man den Winzern Freude machen will, sagt man – der EU zum Trotz – immer noch „Tocai“) im 1.500-Liter-Holzfass.
Ein Kopfschütteln auf die Intonationsfrage „Volatili?“ sagt dem italienisch radebrechenden Verkoster, dass die erste Hürde genommen wurde. Hier riecht nämlich nichts nach Kompost, nach altem Birnenmost oder sonstigem Übel-Ruch, an dem vorbeitrinken müßte. Winzer Andrea und ich scheinen eine Wellenlänge zu haben, der Marke „niente Mosto“. Doch es ist nicht nur nicht unangenehm, im Gegenteil, hier steigt einmal ein wirklich komplexer Duft aus dem Glas: Viel Bienenwachs, vom Gast neben mir als Honig bezeichnet, reife Papaya und gegen Ende eine fast harzig-süße Note, die – ja, auch beim dritten Riechen bleibt’s dabei – tatsächlich an Weihrauch erinnernt. Bevor man ihn anzündet.
Saftige Honigmelone und eine merkliche Kraft (14 % haben Giaiottis „alkoholschwächere“ Weissweine) bilden die ersten Geschmackseindrücke, vor allem aber überrascht das Frucht-Säure-Spiel des in jeder Hinsicht wuchtigen Weines. Ganz undogmatisch wurde der Solterra auch leicht filtriert, womit die Frucht auch zur Neige der Flasche hin nicht von Heferückständen oder anderem Sediment überlagert wird. Auf den Preis sei gesondert hingewiesen, denn auch der hindert nicht am Kennenlernen eines feinen Vertreters der nach wie vor so heiß diskutierten „Orange Wines“.
Bezugsquelle:
Castello Sant’Anna, Pinot Grigio bzw. Friulano 2012, jeweils EUR 7,50 ab Hof, der Solterra 2011, kostet EUR 10, Bestellungen via centasantanna@libero.it