Wenn mehr als 1.200 Weinexperten aus aller Welt anreisen, um sich in der Hofburg die aktuellen Jahrgänge zu besehen, dann ist wieder VieVinum! Die Messe hatte heuer erneut Superlative zu bieten, vor allem, was die Zahl der Master Classes betrifft. Aber auch wenn es ein „Applausometer“ in Sachen Stimmung gäbe, hätte das stark ausgeschlagen. Man freute sich auf beiden Seiten der Stände sichtlich an der Kommunikation über Wein. Und das zu Recht. Erstens gab es viel Interessantes zu kosten, andrerseits ist das Fachsimpeln über Alkohol im Rückgang begriffen. Der Konsum sinkt und vor allem immer mehr junge Semester interessiert Wein gar nicht. Bier und Schnaps aber auch nicht. Wie so oft scheint das, was „der Papa immer `trunken hat“, ziemlich demodé zu sein.
Im Elfenbeinturm aus Marmor war die Welt der Genießer aber in Ordnung. Und so ließen wir uns treiben, um ohne Agenda und Gebietsfokussierung das zu trinkprotokollieren, was uns geschmeckt hat. Beginnend mit einem Wein, den man so nicht kaufen kann, aber vormerken sollte. Denn beim „Green Cat“, einer Weißwein-Cuvée des Jahrgangs 2023, ist man beim Weingut Hagn ohne Dogmen vorgegangen: Grüner Veltliner (60%), mit Riesling (20%) und Chardonnay (20%) zu vermengen, ist unkonventionell. Aber der ausschließlich für die Gastronomie gedachte Wein bringt das Beste der drei Sorten mit. Apfel und Zitrone im Duft sind „GV“ pur, etwas Curry und Ingwer sprechen die burgundische Sprache. Und im Mund liefert der Riesling dann im Hall Pfirsich-Töne, während davor tropenfruchtige „Chardo“-Geschmacksnoten mit dem Zug des Veltliners verbunden waren. Wer ihn sich bei seinem Wirten wünscht, sollte ihm den C&C-Tip zuraunen: Transgourmet führt den „Green Cat“, der nach der typischen Weinviertler Kellerkatze benannt ist. Sie sitzt bekanntlich nur auf den besten Fässern. In diesem Fall eben auch auf einer Cuvée mit mehrheitlich „Grünem“.
Wir bleiben noch kurz im Weinviertel, wo auch der nächste Wein ein unverkennbares Etikett trägt. Er ist einer unserer ewigen coup de cœurs, wobei es spannend war, ihn bei Erwin Poller nach einigen Jahren wieder im Glas zu haben. „Frau Mayer“ ist dabei auch noch älter geworden und das tut dem Grünen Veltliner mit dem blau-weißen Tapetenetikett gut. Intensiver Birnen-Apfel-Mix (und einmal nicht umgekehrt!) ist da zu riechen. Mittlerweile sind teilweise 80-jährige Reben im Spiel in diesem Weingarten, über den wir schon einmal berichtet haben. Der kleine Ertrag von der Granit-Ader bei Röschitz wird in 1200 Liter-Fässern noch geschmeidiger. Richtig mollig lässt sich dieser Weißwein am Gaumen an. Er schmeckt nach reifem Roten Apfel, Papaya sorgt für exotischen Schmelz und eine rosa Grapefruit liefert das letzte Puzzle-Teil zu einem intensiven süß-sauren Spiel. „Da sieht man, was alte Reben vermögen“, freute sich der Winzer über das Lob für diesen Klassiker vom Pollerhof. Denn auch der Nachklang überzeugt bei „Frau Mayer“.
Zur guten Stimmung trugen auch die Side-Events bei, wie man die Weinparties euphemistisch nennt. Vor allem am Sonntag eskalierten sie, was sich u. a. in einem fast leeren Saal der Jungen Wilden Winzer am Montag-Morgen zeigte. Gerade fünf der 24 Stände waren da bemannt. Work hard, party hard! Denn anfangs standen überhaupt nur Obfrau Christina Hugl, Dirk Würtz (deutsche Pünktlichkeit!) und Stefan Höllerer Schlag Messebeginn bereit. Letzterer hatte dafür Roten Veltliner mit. Und an dem gehen wir nie vorbei. Eine gute Entscheidung, denn der Ortswein Gösing zeigte eine eher dem Grünen, als dem Roten Veltliner, eigene Frische und zitronige Leichtigkeit. Im Stahltank bewusst in diese Richtung ausgebaut, duftet der 2023er nach Mandarinenschale und Zitronenverbene, erst dahinter kommt Golden Delicious-Apfel. Seine Kräuter-Anmutung verstärken auch Koriandergrün und Melisse. Knackig und zupackend ist dieser nach Limetten und Grünem Apfel schmeckende Wein. Er hat das Zeug, allen Skeptikern („ein Veltliner in Rot?“) die Sorte nahezubringen.
Typischer wird es dann beim ebenfalls nach Kräuterwiese, aber eben auch kühler Mango, und überraschender Weise nach Enzian duftenden „Ried Wilbling“, der seinen Ausbau in einem 1000 Liter-Akazienholz-Fass erfuhr. Es stammt vom lokalen Küfer Benninger in Grafenwörth und sorgt für einen geradezu vollmundigen Eindruck des 2022er Roten Veltliners. Der Tropenfrucht-Cocktail ist hier saftig, Mango und Papaya wie beim chinesischen Restaurant-Kompott tragen aber einen kühlen Zug. Vor allem im Finale denkt man an Mango-Lassi, weil die Säure, nicht aber die Schwere wie bei diesem Yoghurt-Getränk hinzukommt. Ein Quäntchen Gelbes Curry-Pulver würzt dann diesen auch preislich hochinteressanten Wagramer von Höllerer (kl. Bild rechts).
Eine ähnlich rare Sorte stellt der Weißburgunder dar. Und somit war der Stopp auch bei Michael und Josef Bayer programmiert. „Ried Kapellenjoch“ verbindet die beiden Bodenformationen des Leithabergs – 80% Muschelkalk und 20% Glimmerschiefer. Bei den Prozentzahlen geht es weiter, denn 50% wurden an Ganztrauben eingemaischt und spontan im gebrauchten, neutralen Holzfass vergoren. Unfiltriert ist dieser Pinot Blanc auch, was seinen wilden Aromen Auftrieb gibt. Die erste Nase verrät den Schiefer-Anteil im Boden, denn sie bietet Schwarzbrot-Kruste in Reinkultur. Erst dann zeigt sich die Frucht-Seite, in Form von Honigmelone und Kumquat präsent. Auch ein Anflug Salatgurkenschale steht für die dunkle Würze dieses Duftbilds.
Die Nuss-Note der Sorte kommt hingegen im Mund zum Vorschein, wenn der erste, straffe Antrunk einmal verflogen ist. Dann erinnert der zarte Gerbstoff des jungen Weißburgunders an die Schale eines Roten Apfels. Dieser zarte Tannin-Biss bleibt auch im Abgang erhalten und trägt zum Trinkerlebnis des „Ried Kapellenjoch“ bei. Spannend wird dann der direkte Vergleich mit einem anderen weißen Burgunder vom Erbhof Bayer, dem Chardonnay „Martinsberg“ 2022, der auf Kalk und sandigem Lehm wächst.
Zitruszesten und Matcha stehen für eine enorme Frische, die säurigen Noten des Kalksteins erinnern hier an die bei Foodies beliebte Meyer-Zitrone. „Wir hatten ihn lange auf der Hefe, aber möglichst ohne Rühren“, kommentiert Michael Bayer diesen frischen Charakter. Ihm folgt ein feingliedriges Spiel von Zitronengras und Kumquats; auch am Gaumen hat der Chardonnay aus Donnerskirchen nichts Fettes. Im Gegenteil, im Trinkverlauf wird die salzige Komponente dieses Weines immer augenfälliger. So sehr, dass man im Finale an TUC Cracker und frittierte Kapern denkt. Feiner Stoff für Kenner!
Bezugsquelle:
Pollerhof, Grüner Veltliner „Frau Mayer“ 2023 ist um EUR 19,70 ab Hof bzw. im Webshop Erwin Pollers zu haben, https://pollerhof.at
Stefan Höllerer, Roter Veltliner DAC „Gösing“ 2023 wird um EUR 8,20 angeboten, Roter Veltliner DAC „Ried Wilbling“ 2022 kostet EUR 9,70, beide ab Hof bzw. im E-Laden des Winzers, www.hoellerer-weine.at
Erbhof Bayer, Weißburgunder „Ried Kapellenjoch“ 2022 kostet EUR 27, der Chardonnay „Martinsberg“ 2022 wird um EUR 30 angeboten, beide ab Hof bzw. im Online-Shop des Weinguts, https://bayer-erbhof.at