Man liebt ihn oder man hasst ihn als Whisky-Trinker – den phenolischen Stil der Insel Islay. Dem Torfrauch, über dem das Malz gedarrt wird, verdankt sich dieser besondere Geschmack, der zu langen Diskussionen Anlass gibt. Sollte wieder einmal am Institut für Alte Philologie gefeiert werden, kann der Name des neuen Ardbeg wohl ebenso kontrovers diskutiert werden. „The Harpy’s Tale“ zitiert in seinem Artwork optisch nämlich den mythischen Zwitter aus Vogelleib und Frauenkopf, den Bildungsbürger als „Harpyie“ kennen.
Denn Bill Lumsden hat als Kreativdirektor der Whisky-Kreation bei Ardbeg selbst einen Mix aus zwei scheinbar divergierenden Welten geschaffen. 13 Jahre reifte Single Malt mit dem üblich hohen Rauchmalz-Gehalt in Süßwein-Fässern. Nicht irgendwelchen, sondern jenen der französischen Edel-Flüssigkeit namens Sauternes. Diesen Anteil hat man mit einem klassischen „13 years“ aus ehemaligen Bourbon-Casks vermählt. Einen „Kampf zwischen Süße und Rauch” (© Bill Lumsden) soll der neue Whisky daher genüsslich austragen. Dazu später gleich mehr.
Zuvor sei für die Liebhaber von Islays Single Malts herausgestrichen, dass mit „The Harpy’s Tale“ auch eine neue Serie an Whiskys von Ardbeg startet. Sie nennt sich „The Anthology“ und verspricht allen „Smokeheads“ neben dem typischen Rauch „experimentelle Single Malts aus besonderen Fässern“. Der Whisky mit der Harpyie, die mit Brennerei-Maskottchen Shortie um ein im Wind flatterndes Wäschestück kämpft, ist der Auftakt dazu. In der antiken Mythologie versierte Leser dieses Blogs werden die Anspielung auf die Windgöttinnen, aber auch den Mut der Namensgebung, erkennen.
Denn abgesehen von der Analogie des süß-rauchigen Mixes zu einem Fabel-Mischwesens stehen die Harpyien in eher üblem Ruf. Egal ob bei Vergil („sie zerraffen den Schmaus und mit Unrat schänden sie alles“) oder Apollonios Rhodios. Als Schönheiten und eine Art prähistorische Düsenjäger preist sie allenfalls noch Hesiod in seiner Theogonie. In seinem Götter-Stammbaum erzählt er auch von Elektra, die Mutter wurde
…von Harpyien, gelockten, […], die mit der Winde Gebraus wetteifern auf flüchtigen Schwingen und mit den Vögeln; so rasch wie die Zeit ja fliegen sie beide.
Womit sich bei der ersten „The Anthology“-Abfüllung die Frage stellt, ob auch sie aromatisch „abhebt“? Oder der Fluch böser Harpyien auf dem 46% vol. starken Islay-Malt liegt? Beginnen wir mit dem unverkennbar „smoky“ Touch, der sofort in die Nase steigt. Er zeigt noch wenig Einfluss der Süßwein-Fässer. Allenfalls etwas Orangenmarmelade und Dörrmarillen sorgen für fruchtige Ergänzung des Rauch-Tons. Kennern von Ardbegs Whiskys wird aber neben dem Lederjacken-Duft eine neue Kräutrigkeit auffallen, die in ihrer herber Ausformung an Grüne Oliven-Paste (Tapenade), Lorbeerblätter und Koriandersamen erinnert.
Am Gaumen aber kommen die Sauternes-Noten durch. Nach einem erwartbar rauchigen Auftakt beherrschen saftige gelbe Früchte die Szenerie. Für einen kurzen Augenblick wirkt das kurz sogar fast tropenfruchtig, wenn man ein bisserl Mango und Ananas zu schmecken meint.
Klares Erbgut aus Islay wiederum ist der Geschmack von Meersalz, der im Finale aufkommt. Er begleitet eine süße Kuchtenteig-Note, die an Bananenschnitte denken lässt. Im Nachklang wird es dann mit feiner Säure und erneut gelber Fruchtigkeit sogar überraschend (weiß)weinig. Die Vorfreude darauf, was „The Anthology“ noch für Whiskys bereit halten wird, heizt der 13-jährige „The Harpy’s Tale“ jedenfalls ordentlich an. Es reicht quasi ein Flügelschlag.
Bezugsquellen:
Ardbeg, Single Malt „The Harpy’s Tale“ 13 years old ist ab dem 7. September online und bei den Ardbeg Embassies – in Wien z. B. Halbestadt und Vinothek St. Stephan – erhältlich, ab 21. September geht die Limited Edition an den Getränkehandel, die Preisempfehlung liegt bei aktuell 140 Euro/Flasche, www.ardbeg.com/de-de/