Der gelernte Österreicher wird gleich einmal hellhörig: Warum heißt ein Whisky, der weder aus London, noch aus Wien stammt, denn „Freud“? Nun, vielleicht deshalb, weil es nicht um eine psychoanalytische Hommage geht, sondern eine geographische. Freudenberg, nahe dem Spessart und seinem berühmten Wirtshaus gelegen, stellt nämlich die Heimat des jüngsten deutschen Whiskys dar.
Wer sich ein wenig auskennt in der deutschen Brenner-Szene, wird da sofort an die Destillerie Gebrüder J. & M. Ziegler denken, die seit 1865 im Badischen Obstbrände erzeugt. Das tut sie auch heute noch, auch wenn dieser Tage eine neue Ära in Freudenberg angebrochen ist. Denn die letzten 30 Jahre sorgte Ziegler im Weinhandelsimperium von Hawesko (u.a.: Jacques Weindepot, Wein Wolf oder Wein&Co.) als einziger Produktionsbetrieb für Destillate. Vor allem der Wild-Kirschbrand war von vielen „Schnapswägen“, auch außerhalb Deutschlands, nicht wegzudenken.
Den Kirsch gibt es nach wie vor, doch ein neues Management straffte das breite Portfolio radikal. Andreas Rock (ehemals Red Bull) und Christian Neumeyer (Ex-Diageo) verstehen sich wie Christian Bauer von Flyeralarm auf modernes Marketing. „Tradition allein verkauft nicht“, war CEO Andreas Rocks Prämisse, die 2022 in lediglich acht Fruchtbränden mündete. Bei den Likören blieb man Wildkirsche und Pfirsich treu, dazu kommen die Geiste von Himbeere und Haselnuss. Auch die erfolgreiche „Aureum“-Serie mit kleinen Whisky-Chargen ist seit heuer Geschichte. Sie hatte einen guten Namen in der Szene; etwa der getorfte „The Bruce“ – ein fünfjähriger Single Malt mit der Band Grave Digger.
Das Know How der Whisky-Herstellung blieb aber erhalten. Brennmeister Paul Maier kam als Lehrling in die Destillerie und hält als 32-Jähriger bei nunmehr 16 Jahren Ziegler-Erfahrung. Und er griff für den „Freud“, aktuell einziger Whisky der Brennerei, auch auf einen alten Schatz zurück. Denn auch das „Chestnut Cask“ gab es bereits in der alten Aureum-Serie. Damals reifte der Single Malt fünf Jahre im Kastanien-Fass, nunmehr sorgt ein Mix aus US-Weißeiche und europäischer Kastanie für die Aromatik der „Freud“. Wobei dann auch ein ungewöhnliches, aber zur Obstbrandmarke mit dem „Z“ passendes, Fass-Finish anschließt: Der neue Malt Whisky lagert noch kurz in Fässern des Obstbrands „Alte Zwetschge“.
Daher steht auch „Distiller’s Cut“ am Etikett des rund fünf Jahre alten badischen Whiskys, auch wenn das international eher für Fass-Stärken und/oder Exklusivabfüllungen steht. Doch die feine Abstimmung, der „Cut“ eben, ist essentiell, um keinen Zwetschkenbrand mit Malz-Geschmack abzufüllen. Aber keine Angst, Paul Maier hat hier geliefert: Die Zielgruppe für den neuen Whisky-Auftritt der Freudenberger erschließt sich beim ersten Schnuppern – wie ein guter Bourbon kommt hier die vom Eichenholz-geprägte Würze durch. Fast wie Bündner-Fleisch reicht der „Freud“, der mehr als eine kleine Dosis Umami im Duft mitbringt. Dörrzwetschken und Schokolade verbinden sich in der zweiten Nase so, wie früher einmal „beschwipste Früchte“ (=Pralinen mit Obstbrand) gerochen haben.
Sanft und rund ist der erste Schluck des deutschen Malts, die Alkoholstärke hat Paul Maier offensichtlich perfekt mit den „unrunden“ 41,5% vol. eingestellt. Die malzigen Duftnoten wiederholen sich dann auch am Gaumen; final ist die Zwetschke aus dem Obstbrand-Finish dann präsenter, als sie es im Duft war. Etwas Haselnuss sorgt im Nachklang für Geschmack, das Finish ist aber angenehm trocken. Und weist so auch einen Weg zur „mixability“ des fränkischen Whiskys, der explizit auch im Cocktail funktionieren soll. Denn Süße stellt hier das am wenigsten präsente Element dar – was ein roter Wermut natürlich schnell beheben kann. Klare „Manhattan“-Empfehlung also! So macht der „Freud“ noch mehr Freud‘.
Bezugsquelle:
Brennerei Ziegler, „Freud“ Distiller‘s Cut Malt Whisky kostet EUR 44 (0,7 Liter-Flasche) im Webshop der Destillerie, https://brennerei-ziegler.de