Die Meisterschaft, die Poli beim Fass-gereiften Grappa an den Tag legt, war schon im ersten Teil über den Produzenten aus dem Veneto ein Thema. Gemeinsam mit der Leidenschaft für die Trauben seiner Heimat manifestiert sie sich am besten in Jacopo Polis „Due Barrili“. Er verwendet die Traube der Prosecco-Gegend rund um das nahe Treviso. Frisch angelieferte Glera-Trester werden destilliert und der Brand in Summe vier Jahre gelagert. Dazu kommen auch Sherry-Fässer zum Einsatz, was den Namen „zwei Fässer“ erklärt. Der Duft von roten Früchten, vor allem Kirsche, überrascht angesichts der „Sprudel-Traube“, zeigt aber auch den Einfluss des Fasses. Er wird von einem nussigen Touch verstärkt, der sich auch klar auf die Vorbelegung mit Pedro Ximénez-Sherry zurückführen lässt.
Wieder ist es ein Grappa, der extrem weich über die Zunge rollt – fast wie die weichen Mandelkekse (amaretti morbidi) schmeckt der Mix aus Kirschfrucht und etwas Marzipan. Die Balance dieses Destillats ist wunderbar, nirgendwo zwackt oder brennt etwas. Mit einem Mundgefühl, das den „Due Barrili“. fast zum Beißen dicht erscheinen lässt, gibt er auch im taktilen Reiz einiges her.
Brenn, Bordeaux-Blend: Die Metamorphose des „Sarpa“
Eine schöne Metamorphose lässt sich aber auch bei jenem Grappa erleben, der nach dem venezianisches Dialektwort für „Trester“ benannt wurde. „Sarpa“ heißt dieses Destillat „und es ist unser Bordeaux-Blend“, lacht Signore Poli. Denn die Traubenreste werden ähnlich wie in Frankreichs Cuvées aus den Rebsorten Merlot (60%) und Cabernet (40%) gebildet. Überraschend klar kommen die roten Früchte im Duft des „Sarpa“ durch, der Gaumen wieder meldet die Würzigkeit des Cabernet – in Form von Pfeffer. Der Merlot wieder besorgt den Geschmack im Nachhall; es ist die charakteristische Brombeer-Note der Rebsorte.
Doch es gibt auch den „goldenen“ Sarpa, der zwei Jahre im Fass verbringt. Das riecht man: In der Sekunde denkt man bei den Röstaromen des „Sarpa Oro“ an Haselnuss-Schnitten. Frisch eingeschenkt, hat er fast etwas von der Intensität eines Rums, ehe der Duft in die nussige Richtung einschwenkt. Mit einem schmeichelnden Vanille-Ton legt sich dieser gereifte Grappa auf die Zunge. Der „Schnitten-Charakter“ ist wieder da, die Frucht im Finale überrascht aber. Statt der Beeren liefert der „Oro“ eine satte Marillen-Note ab. An sie schließt sich ein Tee-ähnlicher Gerbstoff an. Weich und komplex zugleich, holt dieser Grappa Skeptiker des Tresterbrands locker ab.
Dass es bei unserem Besuch nicht nur bei den Grappe bleibt, ist klar. Zumal der Amaro des Hauses auch auf die Geschichte der Destillerie bezug nimmt. Der bereits erwähnte Zug nach Vicenza (siehe Teil 1) namens „Vaca Mora“ wurde zum Paten eines aufwendigen Bitterlikörs. „60 Kilo infusionierte Kräuter und Wurzeln sind es für 500 Liter“, werden die „Botanicals“ in riesigen Teebeuteln kalt im Alkohol ausgelaugt („mazeriert“). Das Ergebnis riecht nach Apotheke, was auch an der verwendeten Kalmuswurzel – neben Enzian ein Bitterstoff des „Vaca Mora“ – liegt. Der Enzian verstärkt die erdigen Töne von Polis Amaro, während die ätherische Minze für Frische sorgt.
Am Gaumen kommt die Minze im Verein mit Grünem Pfeffer als Würzegeber durch; die Basis liegt aber wieder bei den herben Geschmäckern von Wurzeln. Hier hat man nicht dem Zucker, sondern hochwertigen Pflanzenmaterial vertraut. Das schmeckt man – bis hinein in den Nachhall. Er fällt lang und mit einem Ton von Schwarzer Nuss aus. So wünscht man sich seinen Digestiv! Oder man pflegt das Ritual des „Rasentin“, wie man es im Veneto nennt: Die Espressotasse wird dafür mit einem Grappa „ausgeschwanzelt“. Man muss ja keinen „Due Barrili“ dafür nehmen!
Bezugsquelle:
Poli Grappa, Grappa „Due Barrili“ ist um EUR 41,90 (0,7 Liter-Flasche) zu haben, der „Sarpa Oro di Barrique“ ist um EUR 26,90 erhältlich und der Amaro „Vaca Mora“ wiederum kostet EUR 19,90 (0,7 Liter-Flasche), alle über Weisshaus, www.weisshaus.at