Die Spirituosen-Welt ist eine Konzern-Angelegenheit. So brav alle Craft Distiller – in Österreich dürfen wir ruhig kleine Brenner dazu sagen – dagegen arbeiten: An der Bar dominieren die Konglomerate, die vom Billig-Wodka bis zum limitierten Single Malt alles in einer Hand vereinen. Dass plötzlich ein kleiner Anbieter mit einem Sortiment auftaucht, das Rum, Gin, Wodka und Tequila umfaßt, hat eher Seltenheitswert. Zumal, wenn er kein Brenner ist, der Kleinstmengen erzeugt, sondern tatsächlich Winzer. Auftritt: Christoph Artner. Der smarte Sproß der Höfleiner Winzerfamilie Artner hat im Weinbau-Gebiet Carnuntum einiges Schräges gemacht. Seine Portwein-Variante mit dem hauseigenen Syrah („Portuguese Love“ genannt) gehört dazu, aber vor allem die mit Gerald Travnicek begründete, unkonventionelle Linie Punk’s Finest, wenn man so will, ist das die erste komplette Wein-Serie für Hipster und Szene-Gastronomen.
Mit ihr war er auch im Wiener „25 Hours“-Hotel gelistet und dessen neuer Chef hatte als weltläufiger Hotelmanager in den USA die „Eighty six Company“ kennengelernt. Untertitel der „86er“: Noise and Spirits. Wer aber importiert derlei, zumal die Amis da gleich eine Lizenz sehen wollen? Tja, Artner hatte diese als Exporteur und dreht den Warenfluss einfach um. Womit er nunmehr über so feine Dinge wie einen Wodka aus Canada verfügt. Der Aylesbury Duck wird wie alle „86 Spirits“ in Mendocino (ältere Leser, jetzt bitte Michael Holms Hit anstimmen: „Mendocino, Mendocino, ich fahre jeden Tag nach Mendocino, an jeder Tür klopfe ich an, doch keiner kennt mein Girl in Mendocino“!) abgefüllt. Gebrannt wird aber in Calgary genauso wie in Arandas im mexikanischen Jalisco, aber zum Tequila kommen wir ja noch. Der Wodka jedenfalls duftet zart süß; Lakritze, aber auch weiße Trauben und etwas Bergamotte-Öl sind die Eindrücke, die auf einen Wodka abseits der neutralen „Acht-Mal-bis-zu-Geschmacklosigkeit“-Destillation schließen lassen. In der Tat hat dieser Aylesbury Duck Charakter, konkret verleiht ihm die Würze Profil. Was man gemeinhin mit Roggen-Wodka assoziiert, schafft hier aber Winterweizen aus Canada. Ein wenig Gletschereis-Bonbon (die süßliche Nase täuschte nicht), viel pfeffrige Würze und ein langes Finish zeichnen den 40%-igen Neuzugang in Österreich aus.
Fords Gin wiederum stammt aus der Londoner „Thames Distillers“-Produktion und wurde nach Simon Ford, einem der Eigentümer der 86 Co. (u. a. sind auch Dushan Zaric und Jason Kosmas von New Yorks legendärer Bar Employees Only Gesellschafter) benannt. Er kann taxfrei als klassischer britischer „old school“-Gin bezeichnet werden. Der Wacholder dominiert den mit 45 Volumsprozenten kräftigsten der vier Brände. Dazu kommen unter den neun Botanicals, also aromagebenden Kräutern und Wurzeln, Koriandersamen und die Bitter-Trias Oris, Engelswurz und Cassia-Rinde. Vor allem aber setzt sich geschmacklich die Zitruskombi (Bitterorange, Zitrone und Grapefruit) in Szene. Das Mundgefühl ist recht viskos, die eigentliche Überraschung liefert aber die Milde des nach grünem Apfel, floralen Noten (Rose, ganz dezent) und grünem Pfeffer schmeckenden Gins.
Der Schrägste im Bunde der Artner-Importe war für uns der aus Panama stammende dreijährige Caña Brava-Rum (ein sieben-jähriger soll folgen!). Denn der riecht deutlich nach Himbeere, dazu kommt eine kühle Zitrusnote und etwas Orangenminze. Eine ungewöhnliche Kombination, die auch am Gaumen länger für Irritation sorgt, ab der Mitte hängt die Welt aber wieder gerade – das ist klassischer Rumgeschmack. Karamell-Noten und milde Fruchtigkeit halten bin ins Finish des Caña Brava an.
Das elegante Kleid der Thekenschlampe: Tequila Cabeza
Womit wir beim Star der Kollektion wären, dem in Bar-Kreisen seit längerem gelobte Tequila mit dem Totenkopf-Logo. „Schädel“, etwas nobler im spanischen Original Cabeza klingend, lautet auch der Name des in der Hochburg des Agavenbrennens, dem Bundesstaat Jalisco, erzeugten Destillats. Blitzsauber im Duft erinnert nichts an die alte Thekenschlampe Tequila, mit der sich viele in der Landjugend die schlimmeren Räusche der Trink-Vita anzüchteten. Die Agave – darauf schauen Profis immer als erstes – kommt im Duft durch, die leichte Honignote der Pflanze vereint sich mit weiße Schokolade, aber auch Zitrusanklängen und einer unreifen Ananas.
Der Cabeza ist überraschend weich im Mundgefühl, die zarte grüne Frische hat ebenfalls etwas für sich. Wo man sie genau verortet, ist gar nicht so leicht, ein wenig erinnert der Geschmack an Staudensellerie und grünen Pfeffer. Technisch hat man sich für keine Filtration nach der zweiten Destillation entschieden – was wie ein Blanco Tequila aussieht, bringt aber auch aus einem zweiten Grund mehr Geschmack als gewöhnlich mit: Es wird nur im Winter eingemaischt, schwört man in Jalisco auf weniger Geschmacksverlust als im heißen mexikanischen Sommer. Beachtlich – und da langweilt uns die Technik nicht weiter – klingt der Cabeza aus, die Fruchtigkeit, die Würze und die grüne Frische verbinden sich nochmals im Abgang, im Rückaroma wirkt das das fast erdig, irgendwo zwischen Kurkuma und Enzian. Für die Margarita, den Cocktail mit Limettensaft und Orangenlikör, scheint er prädestiniert, aber auch Andreas Trattners noch namenloser „Tequila Sour“ mit Agavenhonig und Limette in der „Dachboden“-Bar schmeckte kolossal. Oder besser: „Cabessal“.
Bezugsquelle:
The 86 Co., Aylesbury Duck Vodka und Caña Brava Rum sind um jeweils EUR 32,20 (0,7 Liter-Flasche) erhältlich, der Fords Gin kostet EUR 35,90 und der Tequila Cabeza EUR 45,50, alle im Webshop von Punk’s Finest, www.punksfinest.com