Der direkt aus der Bar gelieferte Drink in der Flasche ist ein gewohnter Anblick geworden im ewig und drei Tage währenden Lockdown. Doch der „bottled cocktail“ ist älter und durchaus vertrackter, als man denkt. Das lernt man schnell, wenn man sich mit den beiden Münchnern Christian Eder und Ludwig Lützgendorf unterhält. „Zweieinhalb Jahre haben wir nur in die Entwicklung und Perfektion der Cocktails gesteckt“, machen die beiden Pioniere klar, dass es um weit mehr geht als die schmackhafte Vermengung von Flüssigkeiten. Bei Cocktale wollte nämlich alles richtig machen, da man 100-Milliliter-Flaschen klassischer Drinks für die Hotellerie anbieten wollte. Der Bar-Mann sitzt dann quasi in der Mini-Bar.
Doch neben den üblichen technischen Beschränkungen für stabile Drinks – z. B. keine frischen Säfte und andere verderbliche Zutaten – kamen auch gesetzliche Rahmenbedingungen: Rückstellproben ziehen, Alkoholangaben ermitteln, Zutaten und Allergene penibel anführen… Und dann braucht es noch einen Reinraum, „der uns mit unseren klebrigen Inhalten und den Mini-Flaschen nimmt“. Doch am Ende steht nun eine Range, deren Qualität großartig ist, der „Negroni“ etwa kommt fast noch harmonischer wie ein á la minute gerührter aus dem Fläschchen. Auch „Old Fashioned“ können die Cocktale-Macher!
Dass dieses Wissen auch im Lockdown gefragt war, lag an einem neuen Rum, der ebenso zur Unzeit gestartet war wie die beiden Münchener. Und so wurden nun „bottled cocktails“ mit dem Eminente kreiert. Fünf deutsche Bars tüftelten für den kubanischen Neuzugang im Portfolio von Moët Hennessy-Louis Vuitton. Vier davon haben wir verkostet und die Reise via 0,1 Liter-Fläschchen beginnt in Berlin. Genauer gesagt, in der Grace Bar, die mit dem „Jungle Fever“ tropische Aromen wie Banane und Chili zum Rum aus der Mitte Kubas, der Provinz Villa Clara, bringt.
Der Cocktail zeigt bereits im Duft herrliche Kaffee-Noten, am Gaumen differenziert sich das noch aus. Da erweist sich der „Jungle Fever“ als eine Art Schokobanane für Erwachsene. Die Frucht kommt, befeuert vom Rum herrlich durch, dazu würzen Piment und auch der Wermut den Cocktail ab dem mittleren Gaumen. Wie jede gute Komposition bleibt er auch lange stabil in seinen Aromen. Tatsächlich kommt der trockene Kakao im Finale sogar ausgeprägter rüber, wenn der Drink ein wenig Wärme und Schmelzwasser aufgenommen hat. Schöne Tropen-Grüße vom Kurfürstendamm für zuhause!
Schokobananen für Erwachsene & Rum-Kirschen
Wie eine Cocktail-Kirsche duftet der Cocktail aus der Frankfurter Bar Shuka. Es ist ein Drink, der die Story hinter dem Logo von Eminente ernst nimmt. Denn die Form des Kaimans gibt Kuba auch den Namen Isla del Cocodrilo, zudem sind die Süßwasser-Sümpfe im Süden der Insel auch Heimat des Kuba-Krokodils (Crocodylus rhombifer). Und so erklärt sich der „Cro-Cho-Cherry“. Die Frankfurter aus dem 25hours-Hotel sind ja an sich auf Sake-Drinks spezialisiert. Aber auch der Rum-Cocktail (oder: Cocktale) lässt sich schon mal fein an: Der Widerstreit zwischen dem Rum-Duft und der Kirsche macht neugierig. Vor allem, weil der Cocktail am Gaumen kaum Süße zeigt, sondern mit Kakao-Noten und der Frucht ein wenig an aromatisierte Pfeifentabake erinnert – so wie der riecht, schmeckt dieser Frankfurter Beitrag. Ein wenig Safran, der auch eine Zutat darstellt, meldet sich im Finish. Wenn es einen Drink vorm Abendessen gibt für den Lockdown, dann wäre der „Cro-Cho-Cherry“ ein (karibisch) heißer Kanidat!
Auch die Münchener Variante eines Eminente-Drinks bringt kirschige Noten hervor. Er nennt sich „B 6“ und spielt nicht nur im Stil auf das Periodensystem der Elemente an, dass es aufgrund Walter Whites Drogen-Abenteuern auch zu typographischer Wiedererkennbarkeit geschafft hat. Immerhin stammt der Cocktail aus der Call Soul Breakin Bar, die offenbar Fans der beiden TV-Serien Breaking Bad und Better Caul Saul führen. Hier ist aber nicht die Sauerkirsche, sondern der Falernum die Quelle dieser fruchtigen Noten. Er hebt die Rum-Noten und bringt neben dem kirschigen Kern des Drinks auch eine feine Mandelnote mit, die hier einen fruchtigen Cocktale beflügelt. Eine Art „Rum Old Fashioned“, der auch Einsteigern diesen Drink nahebringt – vor allem aber auch den Rum leben lässt und aromatisch sogar zu verstärken weiß.
Ein richtiger Zauber-Saft ist auch der nördlichste Vertreter, „Mandarin Nights“, den das Bootshaus in der Hamburger Hafencity mit dem kubanischen Rum kreiert hat. Genauer gesagt, war Arnd Henning Heissen am Werk, was man durchaus auch schmecken kann. Denn der langjährige Chef der Berliner Bar Curtain Club im Ritz Carlton ist bekannt für seine Verwendung von Parfüm-Zutaten. Und auch hier spielt Sandelholz eine Rolle. Witziger Weise tranken wir gar nicht weit vom Bootshaus, das der Wiener Ritz-Kollege und begnadete Gastgeber Tristan Mißner führt, einen Weihrauch-Cocktail Heissens. Das war bei Kevin Fehling in seinem Sterne-gekrönten The Table.
Und so schwirren beim Drink mit dem chinesischen Namen eine Reihe hanseatischer Erinnerungen in unserem Kopf herum. Das mag auch am Aquavit liegen, der diesem Cocktale gemeinsam mit zwei Zitrusfrüchten (Mandarine und Zitrone) eine herrliche Frische gibt. Man könnte sagen, dass Heissens Meisterschaft beide Noten des Rums – die jungen Aguardientes und die würzigeren Destilados – noch unterstreicht. Denn zum zitrusfrischen Antritt kommt ein komplexes Finale, in dem man das Sandelholz zwar spürt, aber lange bräuchte, bis es einem einfällt als Quelle dieser starken Würze. Auch von da her gut, dass die Drinks alle fein beschriftet sind. Und zu alledem ist auch klar erkennbar, dass hier kubanischer Rum im Glas ist. Der „Mandarin Nights“ hat technisch und aromatisch wirklich Klasse!
Bezugsquelle:
Cocktale, die Drinks der Eminente Special Edition kosten je EUR 18,- (100 Milliliter) im Web-Shop, https://cocktale.de/
Ron Eminente, Riserva kostet EUR 49 (0,7 Liter-Flasche) über Clos19, www.clos19.com