Eigentlich kann man vom Flughafen Santorin gleich in die Winery hinüberspazieren. In der ehemaligen Industrieanlage haben Önologe Yannis Paraskevopoulos und Leon Karatsalos ihr Weinprojekt gestartet, das für eine radikale Besinnung auf einheimische Sorten Griechenlands steht. „Gaia Wines“, das mit dem berühmten italienischen Namensvetter Angelo Gaja nicht zu tun hat, begann 1994 mit dem Thalassitis, eine Anspielung auf die Meer-Lage Santorins (und den antiken Brauch Wein mit Salzwasser zu strecken). Der Wein zählt zu den erstaunlichsten des Landes, was ausschließlich an seiner Rebsorte, dem Assyrtiko, liegt.
Mittlerweile teilt sich die Produktion auf zwei Regionen auf: Während in Santorin das Zentrum der Weißweine von Gaia darstellt, liegt in der Nähe von Korinth die Kellerei von Koutsi, die vor allem die Rotweine aus Agiorgitiko, der alten Sorte in der Gegend von Nemea, erzeugt. Doch zurück auf die Insel Santorini, denn egal, wie man den Assyrtiko schreibt (mit zweimal „i“, mit einem „s“, mit „c“, alles ist vorgekommen), er hat sich ideal dem Mikroklima der Vulkaninsel angepasst. Das sorgt zum einen mit kühlenden Winden für weitaus schlankere Weine, als es das Vorurteil von den Fruchtbomben des Südens wahr haben will. Traditionell liegen die Erntemengen deutlich unter dem erlaubten Maximum, wer 3.000 Liter von einem Hektar rund um Pyrgos ernten kann, ist durchaus froh. Was allerdings nicht am fehlenden Wasser liegt, denn die porösen Vulkanböden speichern in ihren Hohlräumen weit mehr, als der schwitzende Tourist glaubt, der sich mit dem Quad bergan Richtung der Stadt Thira müht. Winderosion und Hitzeperioden setzen dem Wein aber immer noch zu.
Warum der meteorologisch-geologische Einschub? Weil er vieles erklärt, ohne das man diesen 2014er Assyrtiko nicht glauben würde. Die Sorte selbst hat eine jahrhundertelange Tradition und gibt das karg-mineralische Terroir der schwarz-sandigen Ferieninsel kongenial wieder.
Der Wein als geologischer Wiedergänger
Honigmelone und nicht zu knapp, dazu Nektarine und ein Hauch von Zitrusfrische steigt aus dem Glas. Im Hintergrund findet sich bei aller Fruchtigkeit auch etwa Würzig-medizinales, irgendwo zwischen Lorbeer und Eibischteig. Auf den knackigen Beginn des 13%-igen Weißen ist man also vorbereitet, auf die klirrende Mineralik hingegen nicht. Denn über die Zitruszeste und den gelben Apfel, die eine Welschriesling-artige Fruchtgrundierung anbringen, legt sich eine bremselnde Feuersteinnote. Wenn den Wein – wie in der Blindprobe passiert – nach Röschitz oder auf den Heiligenstein verortet, unterstreicht, wie stark hier der Boden sich im Wein ausprägt (auch wenn immer wieder argumentiert wird, dass das technisch gar nicht geht – zu wenig Eintrag über die Pflanzenwurzeln!). Sei’s drum, wer Mineralik oder Mineralität – der nächste Streit um Kaisers Bart ist ein semantischer – erklären will, sollte zu diesem 2014er aus Santorin greifen.
Damit allerdings ist nicht alles über den Thalassitis gesagt, im Finish kommt die Lorbeer-Note als herber Schlußakkord nochmals zum Tragen. Nicht zuletzt deshalb gilt unsere Speiseempfehlung zum Assyrtiko der Lammleber und nicht den Meeresfrüchten. Nebenbei trägt er einen der selten gewordenen Kunststoff-Verschlüsse von Nomacorc – und das mit Stolz. Schwarz wie der Sand Santorins und mit griechischen Infos bedruckt, nutzt man den gleich als Werbeträger. Wobei der Wein zusätzliche Werbung gar nicht not hätte. „Res ipsa loquitur“, täte der Lateiner zum Griechen-Wein sagen – der Thalassitis 2014 spricht für sich selbst.
Bezugsquelle:
Gaia Wines, Thalassitis 2014, ist um EUR 19,90 (0,7 Liter-Flasche) bei Wein & Co erhältlich, www.weinco.at