Der Wein aus dem Stein. Das klingt doch nach etwas! Ob es auch kellertechnisch etwas bringt, daran arbeiten sich derzeit die Winzer ab. Denn mehrere Lösungen sind aktuell in Verwendung. Da wären vor allem die Granitfässer, mit denen etwa Peter und Florian Masser in der Steiermark arbeiten. Die leicht raue Oberfläche hält die Feinhefe in Schwebe und auch „Gärspitzen gibt es in dem kühlen Stein keine“, lobt das Duo die 1100 Liter fassenden Behältnisse. Immerhin drei davon stehen bereits in Leutschach. Auch über die Basalt-„Sarkophage“ bei Stefan Krispel haben wir als Neugiernasen und Genuss-Scouts schon hier berichtet.
Mit dem „Steinwerk“ reiht sich ein neuer Player in die Welt der steinernen Fass-Alternativen ein. „Wein zu machen, heißt für uns auch ab und zu Neuland zu betreten“, meint dazu Roman Horvath von der Domäne Wachau. Groß genug ist die Genossenschaft, auch spannendes Lesegut alter Sorten und Weingärten kommt ins barocke Kellerschlößl, weshalb in der Serie „Backstage“ die experimentelleren Abfüllungen des Dürnsteiner Weinguts gepflegt werden. Wie eben ein Grüner Veltliner aus dem Marmor-Block. Kellermeister Heinz Frischengruber fand für diese Reife-Alternative zu Holz oder Stahl das Material praktisch vor der Haustür.
Denn der legendär kühle Spitzer Graben, so etwas wie der Borderlinie-Weingarten der Wachau, beinhaltet auch Marmor. Steinmetz Heinz Dissauer aus Perwang schuf aus einem sechs Tonnen schweren Felsbrocken ein 700 Liter-Gebinde für die Domäne. Der Steinkegel war aber nicht genug, parallel erschuf er ein Granitbecken mit 1.130 Liter Fassungsvermögen als Gärbehälter. Und was kommt rein? Natürlich Wein aus den Steillagen des Spitzer Grabens!
Die Mikrooxidation durch die rauhe Oberfläche und feine Schwebeteilchen war auch Heinz Frischengruber ein Lernpunkt. Um den Einfluss des tonnenschweren Gebindes auch schmeckbar zu machen, kam der Veltliner „Steinwerk“ unfiltriert, ungeschönt und mit einer geringen Schwefelgabe auf die Flasche. Und so verlief die „Erst-Besteigung“ dieses felsigen Weins: Eine würzig-säurige Melange der Marke Senfsaat-Kaktusfeige-Kamille stellt die erste Nase dar. Ihr folgt eine zweite Kräuter-Duftwolke, die Thymian und Rosmarin mitbringt. Kühle und Struktur haben diese Aromen im Griff, erst allmählich kommen auch fruchtigere Töne durch. Dann erinnert der „Steinwerk“ an verschrumpelte gelbe Äpfel und etwas Nektarine. Sind manche Veltliner der Domäne Wachau duftig wie ein Aquarell, in dem die Fruchtfärbungen verrinnen, ist dieser mit dem breiten, aber klaren Strich einer Redisfeder gezogen.
Was schon bei Massers Rotwein aus dem Stein zu beobachten war, zeigt sich auch hier: Der Marmor „schluckte“ die Frucht. Saftigkeit, eine beachtliche Balance und eine tiefgehende Würze blieben zurück – und es ist ihnen alles andere als fad miteinander. Straff und mit ordentlichem Säurebiss, der an Kumquats erinnert, zischt der „steinerne“ Veltliner dahin. Nach dem satten Blutorangen-Finish kommt aber noch etwas nach – speziell, wenn man ihn nicht zu kalt serviert. Unerwartet meldet sich ein ordentlicher Gerbstoff. Das alles macht quasi einen „Earl Grey in reverse“ daraus: Erst kommt die Bergamotte, dann tee-starkes Tannin. Und beides macht Lust zum Nachtrinken. Da schwören wir – passend zum Wein – Stein und Bein drauf!
Bezugsquelle:
Domäne Wachau, Grüner Veltliner „Steinwerk Spitzer Graben“ 2018 kostet EUR 17 ab Hof bzw. im Webshop der Wachauer Genossenschaft, https://shop.domaene-wachau.at