„Wir haben 639 Jahre auf diese Auszeichnung hingearbeitet“, scherzte Marchese Piero Antinori angesichts der Überreichung der „Ambassador“-Urkunde von Gault&Millau Österreich. Der 86-jährige war persönlich nach Wien gereist und wies auf das Jubiläum hin, das „für uns so wichtig ist“: 1974 erfolgte die erste Ernte für den Kultwein Tignanello (hier nachzulesen, inkl. Kostnotiz!). Als „Super-Tuscan“ mit Bordeaux-Rebsorten veränderte dieser Wein das Chianti-Gebiet nachhaltig. Vor allem aber steht der größte private Weinbaubetrieb Italiens (2600 Hektar!) damit auch für Spitzenqualität – ein Spagat, den man auch 50 Jahre später mit Bravour meistert.
Dass die Adelsfamilie aus Florenz sich auch auf Gastronomie versteht, unterstrich Allegra Antinori, eine der drei Töchter des Marchese. Tatsächlich ist die Wiener Cantinetta Antinori ja nur eines der Restaurants weltweit, das unter ihrer Ägide steht. Auch in fast allen Weingütern in der Toskana lässt sich gut (und zumeist auch günstig!) speisen. Die an „Badia a Passignano“ angeschlossene Osteria tut das sogar mit einem Michelin-Stern. Überall aber werden Familienrezepte der Antinoris extra auf der Speisekarte ausgewiesen. So endete durfte auch beim Gault&Millau-Festakt ein „Signature Dish“ der Cantinetta nicht fehlen: Trüffel-Risotto.
Die Weine dazu waren bewusst abseits der berühmten Chiantis gewählt worden. „Bramito“ aus Umbrien war eine herrliche Einbegleitung in das Menü, das mit Fisch-Tartar begann. Als Hinweis auf den außerhalb des Stammgebiets Chianti Classico gepflegten Weinbau stand zudem ein Weißwein aus Apulien in der Menüfolge. „Bocca di Lupo“ liefert mit seinen kargen Böden einen wunderbaren Fisch-Wein, der aus der Region Murgia stammt. Seit 1998 sind die Antinori in Apulien aktiv, unter dem Label Tormaresca liefern zwei Weingüter (Tenuta Bocca di Lupo und Masseria Maìme im Salento) Weine, darunter den bekannten Rosé „Calafuria“.
Der 2022er Chardonnay von Bocca di Lupo kombiniert zudem ähnlich wie die berühmten, roten Super-Tuscans internationale und autochthonen (=heimische) Rebsorten. In diesem Fall trifft beim „Pietrabianca“ die Burgunder-Sorte auf den lokalen Fiano Pugliese. Er macht 10% aus, gibt dem Weißwein aber mehr Frische. Denn der Ausbau erfolgt im Holz, darunter den hauseigenen ungarischen Eichenfässern, die bei Antinori mehr und mehr Einsatz finden.
Anfangs braucht der Apulier auch, um auf Touren zu kommen. Die zart reduktive Art zeigt aber, wie man moderne Trends bei diesem Weißwein „eingebaut“ hat. Melisse, Lychee und Grüne Trauben (Fiano-Erbteil!) spannen olfaktorisch einen interessanten Fruchtbogen. Dazu kommt eine ebenso ausgeprägt Fruchtigkeit am Gaumen. Da darf es auch exotischer werden – wir schmeckten Kiwi. Der Säurenerv ist es aber, der diesen Wein aus dem vermeintliche heißen und damit „breite“ Weine erzeugenden Süden prägt. Mit einem Schwung an herb-säurigen Noten, die an Bergamottenschale erinnern, klingt der „Pietrabianca“ 2022 aus.
Dabei hinterlässt er neben den zarten Bitter-Tönen eine weitere Geschmacksspur, die zum Weitertrinken Anlass gibt. Leicht salzig ist dieser Chardonnay im Nachklang – weshalb er auch eine ungewöhnliche, aber passende Wahl zum Steinbutt war. Aber bei Antinori kennt man sich eben aus mit der Spezialdisziplin „Food Pairing“. Auch wenn diese 1385, dem Gründungsjahr des Familien-Weinbaus, wohl noch kein Thema war.
Bezugsquelle:
Tormaresca, Chardonnay „Pietrabianca“ Castel del Monte DOC 2022 ist um EUR 23,85 beim Versandhandel Vinorama erhältlich, www.vinorama.at