Man verliert selbst als Kenner gern den Überblick im Weinviertel. Zu groß ist das reiche Land in Wiens Norden, aus dem der Großteil der heimischen Veltliner kommt. Aber eben nicht nur. Und wenn man dann wieder einen Ort entdeckt, in dem der Winzernachwuchs ans Werk geht, kostet man diese Referenz-Rebsorte als erste. Bei Matthias Reckendorfer ist das ein bisserl anders. Er hat sich in Ollendorf um den Nebenerwerbsbetrieb seiner Eltern angenommen – und den Wein in den Fokus gestellt. Vier Jahre später ist das Profil an der March ein klares, das sich zwar über Weißwein, nicht aber über den „GV“ definiert.
Reckendorfers Fokus liegt auf Weißburgunder und Riesling, ein Hobby des Winzers prägt auch die neue Etikettenlinie. Er spielt nämlich Trompeter und weist sukzessive seinen Weinen Musik-inspirierte Namen und Verpackungen zu. Aktuell wird das Weingut auf Bio-Bewirtschaftung umgestellt und man wird wohl noch mehr hören von diesem Newcomer.
Das zeigt schon der Riesling aus seiner „Weine mit Klang“-Produktion, dem mitunter auch das Bläser-Trio vor dem Stahltank ein Ständchen spielt. Aber hier geht es nicht um die Esoterik „beschallter“ Weine, sondern vielmehr um den Spaß, den Musizieren ebenso bereitet wie ein gutes Getränk aus Winzerhand. Beim „Dreimäderlhaus“ 2022 darf man jedenfalls das Wort Frische mit drei „I“ schreiben. Denn der Duft nach gelben Äpfeln, Stachelbeere, etwas „Fizzers“ (die weißen und gelben!) sowie noch nicht reifer Ananas macht sofort Laune. Unkompliziert und betont knackig mit seinen 12,5% vol. legt sich der Riesling auf die Zunge. Wieder denkt man an „Kronprinz Rudolf“-Apferl, aber auch ein Quäntchen Grapefruit-Fruchtfleisch kann man schmecken. Die ganz dezente Gerbstoffnote wird von der Power und Säure locker überrannt. Das alle list sich nicht wie der typische Riesling – weil Reckendorfers 2022 das auch nicht ist. Dafür aber ein knackfrischer Gute Laune-Bringer.
Der besondere Stolz des jungen Winzers sind aber die 40 Jahre alten Weißburgunder-Stöcken der Riede Reinthal. Von hier stammt sein Sekt – als reinsortiger Blanc des Blancs vinifiziert. „Maestoso“ nennt sich dieser mit 6,4 Gramm Dosage als Brut Reserve gefüllte Schaumwein. Mindestens 25 Monate Hefelagerung lässt ihm Matthias Reckendorfer angedeihen.
„Frisch gemastered“, wie es der Musikus Reckendorfer formuliert, ist hingegen der Lagenwein des Weißburgunders mit dem Namen „Ried Reinthal con espressione“. Ausdrucksstark ist der Weißwein von den kalkreichen Böden dieser Lage allemal. Im Blind-Test Ihres Trinkprotokollisten wurde sogar Sauvignon blanc als Rebsorte genannt. Das liegt zwar daneben, aber ein kurz gehauchtes „Wow!“ hat dieser Obstkorb schon verdient. Denn Birnen finden sich ebenso wie Kronprinz Rudolf-Apfel und ganz frische Feigen. Zarter ist das „Nusserl“ der Sorte ausgeprägt, doch es taucht nach einiger Standzeit im großen Weinglas in Form von Nuss-Keksen mit leichter Röstnote auf.
Auch bei der Säure irrten die Mitverkoster, sie wirkt straffer, als es der technische Wert von 5,2 Gramm ermöglicht. Doch es ist die Spannung, die den „Ried Reinthal“ am Gaumen nur so dahinzischen lässt. Viel Gelber Apfel ist erneut zu schmecken, ein wenig auch Zitronenabrieb. Der Gerbstoff stützt vor allem gegen das Finale hin diese Jugendlichkeit. Die etwas erdigen Noten, die das „Bitterl“ im Rückgeschmack zeigt, muss man mögen. Sie tragen aber dazu bei, dass man in jedem Fall nachtrinkt von diesem ungewöhnlichen Weißburgunder. Denn es muss wirklich nicht immer Veltliner sein im Weinviertel.
Bezugsquelle:
Weingut Matthias Reckendorfer, Riesling „Drei Mäderlhaus“ 2022 kostet EUR 8,30, der Blanc des Blancs „Maestoso“ EUR 21,- (0,7 Liter-Flasche) und der Weißburgunder Ried Reinthal „con espressione“ 2022 ist um EUR 17,40 erhältlich – alle im Webshop des Weinviertlers, www.weingut-reckendorfer.at