Von Nußdorf nach Washington. Die Karriere des VWL-Doktors Robert Birnecker schien vorgezeichnet. Stellvertretender Presseattaché der österr. Botschaft in den USA, so konnte das weitergehen. Doch dann rief die familiäre Leidenschaft, einerseits gelehrt vom Großvater, andrerseits neu beflügelt von Gattin Sonat. Auch sie schmiss den akademischen Topjob und gemeinsam entstand „Koval“.
Die Presse der „windy city“ Chicago folgte der Destillerie-Gründung von Anfang an, schon lang vor den Tagen Al Capones hatte es hier keine neue Brennerei gegeben. Nun aber heizte ein kompromisslos auf Bioqualität setztender Österreicher 2008 die Brennkessel an. Den Boom der Craft Distilleries – sie wachsen ziemlich parallel zu den Craft Breweries – hat Birnecker mitbegleitet, ein gutes Drittel der 650 Kleinbrennerein brennt mit Equipment, das er heute vertreibt. Denn die „German Still“, ein Hybrid-Verfahren, das in einem Durchgang Rauh- und Feinbrand erzeugt, gilt als beliebtestes Brenngerät der Quereinsteiger.
Koscherer White Whiskey
Koval selbst wurde – aus mehreren Gründen – nach dem jiddischen Wort für Schmied benannt und mauserte sich von Anfangs 300 Litern auf einen 20 Mann-Betrieb. Die Kompromisslosigkeit bei den Zutaten traf einen Nerv in dem von Mystifikationen, Zukauf von fertigen Destillaten und in den letzten Jahren von Rechtsstreitigkeiten, in denen es oft um Verbrauchertäuschung geht, geprägten Bourbon-Szene. Dass das Sortiment auch reinsortige Getreidebrände führt (100% Rye, auch ohne Fasslagerung als „white whiskey“ destilliert), machte Kenner rasch neugierig.
Dieser Tage hatte Birnecker in Wien seinen wohl ungewöhnlichsten Brand mit. Wobei der Beiname „Millet“ bei mir noch nichts klingeln ließ. Erst der freundliche Schotte neben mir, erläuterte, „it’s what the Wellensittich eats“. Hirse? Ja, die Chicagoer Destillerie erzeugt auch daraus einen Brand. Koscher ist er dank Rabbinerzertifikat wie alle Koval-Brände, aber finden wir das auch koscher?
Im Duft jedenfalls muss man sich umstellen. Statt dem Milchkaramell des Bourbon kommt hier die getreidige Stilistik zum Tragen, süßlich nach Kletzenbirne, vor allem aber nach Knäckebrot und Couscous (ja, die Hirse!) reicht der „Millet“, ein wenig sit auch Quitte zu merken und mit etwas Luft wird es auch noch karamelliger, etwa in der Art der „Werther’s Echte“-Bonbons. Die Überraschung spart sich der Hirse-Whiskey bis zum Schluß auf; angenehm schlang beginnt der 40%-ige Brand, die zarten Aromen erinnern wieder an Couscous und Bulgur, an Früchten macht sich etwas Orangenzeste und auch eine nur hingetupfte Dörrmarille bemerkbar. Erst im Finish frischt der Millet auf, dann schlägt die Stunde des weissen Pfeffers, auch ein wenig Milchschokolade ist da, vor allem aber rote Früchte, am ehesten als junge Herzkirsche zu benennen. In jedem Fall ein höchst eigenständiger Whiskey, der auch die Basis eines Bourbons bei Koval bildet.
Dann kommt zu den gesetzlich geforderten 51% Mais die Hirse dazu, die ein vergleichsweise dunkleres Duftbild ergibt – Tabak, Pfirsich, Cornflakes und Apfelschale. Rund und aromatisch ist der 47%-ige Blend, der ebenfalls mit seinem Abgang punktet, in dem sich zu den würzig-getreidigen Noten auch heller Nougat und ein Anflug Orange gesellt. In beiden Fällen machen die Kovals pur Spaß. Oder man hält es wie beim Wellensittich – und serviert ein Schlückchen Wasser zur (gebrannten) Hirse.
Bezugsquelle:
Koval, Hirse Whiskey „Millet“ ist um EUR 36,10 erhältlich, der Bourbon um EUR 37,10 (jeweils 0,5 Liter-Flasche) bei Getränke Del Fabro, www.delfabro.at