Bescheiden tritt sie auf. Erst nach drei Sätzen zu ihrer Rolle in der einzigen Rumbrennerei Trinidads wird klar: Ariana Maharaj ist die Herrscherin über den Geschmack aller Angostura-Rums! Genauer gesagt, leitet sie das ausschließlich weibliche Sensorik-Team. Seit 2017 gehört sie ihm selbst an. Und immer wieder lässt sie ihre Expertise in unserer gemeinsamen Verkostung im „Oak Room“ der Destillerie in Laventille aufblitzen. Es sind Termine wie dieser, von denen man als Trinkprotokollant am stärksten profitiert.
Das beginnt bereits beim ersten der drei Rums aus der Premium-Range, dem „1919“. Der könnte nämlich auch „1932“ heißen, denn in diesem Jahr brannte auf der Karibikinsel das staatliche Zoll-Lager ab. Nur weniger Fässer entgingen der Katastrophe – sie stammten aus dem Brennjahrgang 1919. „Aber es ging nicht um eine Re-Kreation des damaligen Geschmacks“, so die Master Blenderin. Der „1919“ ist zugänglich und weist einen hell-fruchtigen Duft auf: Honig-Salz-Mandeln, etwas Karamell und Vanille, aber auch exotische Fruchttöne (Bananenchips zum Beispiel). Nur ganz im Hintergrund „unseres Bestsellers“, so Ariana Maharaj, lauert ein Schub Weißer Pfeffer.
Am Gaumen fällt dann die Maske und der „1919“ gibt sich als flüssige MARS-Riegel-Füllung zu erkennen. Viel Kakao ist auch dabei, die Fruchtnoten machen Platz für diese schokoladige Süße. Selbst im Nachklang gibt es kaum Schärfe bei diesem 40% vol.-sanftem Rum. Die Zugänglichkeit soll einfach Spaß machen. Oder zum liebsten Zeitvertreib der Trinis anregen, dem Rumhängen alias „Liming“.
Wenn dabei auch eine Zigarre ins Spiel kommt, dann schlägt die Stunde des „1824“. Er verbindet vier verschiedene Rums im Alter von fünf bis 17 Jahren, allesamt in ehemaligen US-Weißeichen-Fässern gereift. Es ist ein würdiger Rum, um das wichtigste Jahr für das House of Angostura in Erinnerung zu rufen. 1824 füllte Dr. Johann Siegert das erst Mal die Magen-Arznei ab, die später als Angostura Bitter weltberühmt werden sollte. In jeder Bar dieser Welt steht die Flasche mit dem gelben Verschluss und dem zu großen Klebe-Etikett. Rum kam erst 1936 ins Portfolio, richtig fett im Geschäft war man aber nach dem Kauf der Fernandes Group; 1973 übernahm man den Konkurrenten, der vor allem mit der sehr starken „Puncheon“ (75% vol.) einen lokalen Bestseller landete.
Der „1824“ bringt eine Duftfülle mit, die karamellisierte Tropenfrüchte mit Ahorn-Sirup verbindet. Zur Mango kommt aber auch Birne und Pfirsich als heller Akzent hinzu. Und doch ist der Geschmack weitaus anders. Leicht und angenehm rollt der Trinidad-Rum über die Zunge, Zimtgeschmack und etwas Muskatnuss setzen die ersten Wegmarken zu einer breiten Spur von „hard spices“ wie Piment. Sie werden ergänzt von einem nussigen Ton, der für würzig-röstige Anmutung sorgt. Auch hier wurde nicht mit Zucker nachgeholfen. Trocken und reichhaltig klingt dieser Rum dann mit einem Finish aus, das an wegschmelzende Milch-Schokolade erinnert. Wenn auch solche mit höherem Kakao-Anteil. Der „1824“ ist nämlich keine „Kinder“-Schokolade!
Auch der dritte Rum der Premium-Range erinnert an ein historisches Ereignis: Er trägt „1787“ als Namen, das Jahr, in dem in Port of Spain die erste Zuckermühle errichtet wurde. Heute erinnert der Name des Friedhofs der Hauptstadt („La Peyrouse“) an den französischen Zuckerpionier Picot de la Peyrouse. Seine Nachfolger in Sachen Zuckerrohr-Verarbeitung haben einen dunklen Rum geschaffen, der „über 20 Jahre alte Bestandteile enthält“, wie Mrs. Maharaj verrät. Er ist somit also älter, als die offizielle Angabe „15 years“. Vor allem aber stellt der „1787“ einen Rum für Fortgeschrittene dar. Der verhaltene Duft zwingt zu einer ausgiebigen Beschäftigung, denn die dezenten Noten liefern interessante Noten: Grünkaffee, enorm viel Pfirsich (!), dezent auch Adlerholz-Duft („Oud“) und Salzerdnüsse.
Gewährt man dem ältesten aus der Angostura-Verkostung viel Sauerstoff-Kontakt, dann kommt auch noch Karamell-Creme im Geruch zum Vorschein. Eine ähnlich leise Gangart zeigt der „15 years“ auch am Gaumen. Er will entdeckt werden in all seiner Eleganz. Florale Noten sind eine Spezialität des Rums, der wie alle ein neues Gewand erhielt. In Europa werden die noch wertigeren Flaschen ab 2025 ausgeliefert. Vor Ort gibt es sie natürlich und der an Lavendel, Rose und feine Dattel-Süße erinnernde „1787“ kommt in den neuen Flaschen umso besser zur Geltung. Feine Eichenholz-Würze sorgt für einen trockenen Ausklang diesen leisen, aber sehr vielschichtigen Rums aus Laventille.
Erneut ist es ein Satz von Ariana Maharaj, der den „1787“ am besten charakterisiert: „Er richtet sich auch an Scotch Whisky-Liebhaber“. Denn Rum muss nur in Österreich immer süß sein. In der Karibik liebt man es würzig. Nicht nur bei den Nationalgerichten wie den „Doubles“. Da wird Kichererbsen-Curry am Teigfladen noch reichlich mit „Pepper Sauce“ versehen. Und auch der „1787“ alias „15 years“ hat mehr als einen Layer an Geschmack aufzubieten.
Bezugsquelle:
Angostura, Premium Gold Rum „1919“ kostet EUR 28,90 (0,7 Liter-Flasche), der „1824“ ist um EUR 58,90 zu haben und der 15 Jahre alte Caribbean Rum „1787“ wird um EUR 64,90 angeboten – alle im Webshop Trinklusiv, https://trinklusiv.at