Eine Sammlung „mythischer Malts“ wollte das Team um Bill Lumsden mit der „Anthology“-Reihe schaffen. Dafür wurde der bei Islay-Whisky von Ardbeg mit besonderen Fässern in Berührung gebracht. Zugleich stieg auch das Reife-Alter. Nach „The Harpy’s Tale“ (13 Jahre – hier ausgiebig trinkprotokolliert) aus dem Jahr 2023 und „The Unicorn’s Tale“ (14 Jahre) im Vorjahr folgt nun ein 15-jähriger Whisky: „The Beithir`s Tale” heisst die aktuelle Limited Edition.
Der Namensgeber, der auch im Artwork mit Schuppen und reptilischen Windungen eine Rolle spielt, gehört zu den „fuath“. So nennt man in den Highlands bösartige Wassergeister. Anders als die Drachen der Festland-Sagen hat der gälische „Beithir“ keine Flügel und speit auch nicht Feuer. Er ist einer überdimensionalen Schlange, die zwischen Seen und Bergen wandert, ähnlich. Am Ben Nevis soll sich der Drache etwa besonders gern aufgehalten haben.
Wer sich gern in die Mythologie vertieft, wird diese Patenschaft vielleicht für die gelungenste der Dreier-Serie halten. Was an den Schuppen liegt, die nicht von ungefähr an das intensivste Auskohlen US-amerikanischer Fässer (alias „Aligator Char“) erinnern. Denn in der Tat hat sich Master Blender Gillian Macdonald besonderer Reife-Fässer bedient. Anders als z. B. beim „The Harpy’s Tale“ geht es aber nicht um die Vorbelegung. Die Industrie-üblichen Ex-Bourbonfässern wurden eigens bearbeitet, nämlich stark getoastet und nur leicht gekohlt. Und darin verbrachte der limitierte neue Ardbeg die gesamten 15 Jahre im Warehouse.
Zum anderen geht es bei den Legenden um die See-Schlange um Stärke und ihre Zähmung – was natürlich zu einem mächtigen Wesen ebenso passt wie zum Torfmonster unter den Whiskys. Es gab nämlich nur eine Chance, wenn man vom schottischen Drachen gebissen wurde: In einem Rennen zum nächsten Fluss oder Loch schneller zu sein als der „Beithir“.
Doch wie wird sich dieses Fabelwesen in flüssiger Form zeigen? Mit seinem angriffigen Stachel oder doch mit einer wärmenden Umarmung à la Riesenschlange? Das Trinkprotokoll hat sich – vorsichtig natürlich – dem „Beithir“ genähert. Beginnend mit dem „Atem“ des Drachens: Der typische Islay-Smoke wird hier von gewissermaßen fetten Duftnoten – Nussbutter und Haselnuss-Schnitte mit Schokoguss – begleitet. Läßt man dem 15-jährigen Whisky ein wenig Zeit, findet sich auch Vanillecreme und getrockneter Pfirsich im Geruch des bernstein-farbigen „Beithir`s Tale“. Es ist ein Kontrapunkt zum dezenten Teer und den alten Eisenbahn-Schwellen aus Holz, die man ebenfalls nicht „überriechen“ kann.
Geschmacklich liefert ebenfalls Steinobst die ersten Assoziationen. Auf die fast süße Nektarine folgt der Biss der 46 Volumsprozent und ein überraschend „braver“ Rauch-Ton. Erneut schwingen auch nussige Note mit, die saftige Marille hat dennoch auch im Hall, wo sich Smoke und Kraft des Single Malts konzentrieren, einen starken Auftritt. Man denkt an gesüßten Espresso im Rückaroma. Doch man kann es auch anders sagen: 15 Jahre sind ein ideales Whisky-Alter, das zeigt die kompakte und sehr geschmeidige Art dieses Ardbegs.
Gibt man dem Whisky ein paar Tropfen Wasser hinzu (was es nicht bräuchte), kommen die phenolischen Noten in Form von Plastik-Gummistiefeln deutlicher durch, Dazu frischt auch ein bislang verborgener Eukalyptus auf. Geschmacklich bringt das „Cutten“ des neuen Ardbeg etwas Zitrusfrucht – man denkt an geflämmte Orangenschale – mit. Wärmend und reichhaltig wird der „dram“ dann. Am besten also wäre, jetzt einen Anthology zu kaufen und im dunklen Dezember zu genießen. Die Monster bleiben garantiert draußen!
Bezugsquellen:
Ardbeg, Single Malt „The Beithir`s Tale” (15 years old) ist ab dem 12. August bei den Ardbeg Embassies – in Wien z. B. Vinothek St. Stephan oder Potstill, im Westen Weisshaus – erhältlich, ab Ende August geht die Limited Edition an den Getränkehandel, der empfohlene Preis liegt bei aktuell 150 Euro (0,7 Liter-Flasche), www.ardbeg.com/de-de/