Pleasureville/Kentucky ist der Traum jedes Photographen, der US-Klischées einfangen will. Eine Autostunde von der Whiskey-Metropole Louisville entfernt, warten nicht nur Holzhäuser mit Schaukelstühlen auf der „porch“. Es geht durch wogende Maisfelder, vorbei an verrostenden Buicks, die zwischen John Deere-Traktoren aus mehreren Jahrzehnten parken. Und natürlich weht im Henry County zumeist die US-Flagge von den Dächern. Erreicht man dann den Six Mile Creek, steht man vor einem ganz anderen Holzbau – der Brennerei, die Bob Dylans Whiskey erzeugt.
Heaven’s Door verdankt seinen Namen wie auch das Logo – metallene Türen – dem Nobelpreisträger. An der Vendome-Brennblase allerdings steht nicht „his Bobness“, sondern Ken Pierce. Seine Vorstellung hätte Dylan, der mehr als einmal den „moonshine“ besungen hat, gefallen: „Nach vier Generationen bin ich der erste, der legal destilliert“. Den ersten Schluck aus Kentucky schenkt der Master Distiller (kl. Bild links) auch gleich in der Brennerei ein. „Ascension“ ist ein typischer Bourbon, der mit Pekan-Nuss und nicht wenig Kokos die Nase kitzelt. Der Pfeffer-Punch von 46% vol. fällt mild aus, dafür geizt der aus zwei Bourbons gemixte Neuling nicht mit Schokolade, Piment und Karamell.
„50 Gallonen Whiskey erhalten wir pro Stunde“, rechnet Mister Pierce vor. Noch wird daher der zugekaufte Whiskey aus Kentucky genutzt. Davor war es die Brennerei in Tennessee, die hinter den meisten Abfüllungen von Heaven’s Door stand. Damit hat man zwei „straight Bourbons“ am Start und spielt das nicht nur im Online-Auftritt clever unter dem Stichwort „Bourbon State-Debatte“. Es geht um die Frage, aus welchem Bundesstaat der Whiskey besser schmeckt. Denn auch in Tennessee verzichtet man auf die Holzkohle-Filtration, die den dortigen Gigant Jack Daniel’s prägt.
Tatsächlich sind wir wohl „Team Tennessee“, nachdem auch zwei US-Neuheiten ins Glas kommen. Die Hausrezeptur des Tennessee-Bourbon besteht aus 70% Mais, 22% Roggen und 8% gemälzter Gerste. Für den „Exploration Series No.1“ hat man dem Whiskey ein Calvados-Fass-Finish verpasst. Diese rare Verwendung des französischen Apfelbrands gibt dem Single Barrel mit 54% vol. etwas sehr Geschmeidiges: Man denkt an Bratapfel mit Nussfülle. Am Gaumen legt der Bourbon dann kraftvoll los; die eleganteren Noten von Ingwer und Rauchpaprika unterstreichen den „Kraftlackel“ noch. Hier darf man gerne ein paar Tropfen Wasser applizieren. Das belohnt der nun etwas sanftere Whiskey mit einem prachtvollen Haselnuss-Akkord, der ebenfalls wieder dezente Röstnoten aufweist. Fazit: Starker Solist!
Noch interessanter und quasi ein doppelter Tennesseer ist dann „Decade Series No.3“, ein 10 Jahre gelagerter Double Barrel, worunter man bei einen Mix aus zwei Fass-Chargen versteht. Eigentlich ist der mit 50% vol. gefüllte Whiskey sogar fast elf Jahre alt, lässt man bei Bob Dylans Brenner-Crew durchblicken. Vor allem aber sorgt der zweite Bestandteil, ein Tennessee Rye-Whiskey für eine noch kräftigere Würzigkei
t. Grünes Curry notiert man eher selten bei Whiskey-Kostnotizen, hier aber begleitet dieser Duft die Kokos-Note der Eichenfässer, die in der Intensität fast an Rumschnitten erinnern. Schön flankiert diese Power eine Steinobst-Schlagseite, die an Pfirsich erinnert. Auch ein wenig karamellisierte Ananas ist zu riechen. Am Gaumen tut eine nussig-schmelzige Art den ersten Schritt. Milchschokolade und Cashews legen die Ouverture zum Roggen-starken Finale vor: Röstig, aber – für seine 100 proof, wie der Ami sagt – sehr sanft klingt der „Decade Series“ aus. Fast wie ein flüssiges „Toffifee“ aus Tennessee.
Man kann in diesem Fall auch die Weiterentwicklung des „Double Barrel“ erkennen, jenes Whiskeys, der uns von Beginn an am besten in der Standard-Range gefiel (hier nachzulesen). Er ist im Gegensatz zu den limitierten Auflagen, die Ken Pierce mit uns verkostet hat, auch in Europa zu haben. Er ist mit sieben Jahren jünger und auch weniger deutlich vom Roggen und der Eichenwürze geprägt, die man bei Heaven’s Door auch durch die Fass-Form (Zigarren- bzw. Torpedo-Optik) unterstützt. Die Nase meldet daher auch eher geriebene Mandeln, Oolong-Tee und gebackenen Strudelteig. Tropenfrüchte gibt es auch hier, allerdings noch die „lautere“, fast expressive Mango. Viel Schokolade, Keksteig wie im Häagen-Dazs-Eis („Cookie Dough“), aber auch eine auffrischende Sammlung an „hard spices“ liefert der Kostschluck. Muskatnuss, Piment und ein Touch Espresso lassen den „Double Barrel“ ausklingen.
Doch bevor man jetzt die „Bourbon State-Debatte” frühzeitig schließt und in Kentucky alle traurig sind, sei ergänzt: Der „new make“ vom Six Mile Creek stellt ein großes Versprechen dar. Der mit 68% vol. verkostete ungelagerte Brand liefert eine sehr fruchtige Mais-Note, dazu stammt von hier der Nuss-Akkord, der im „Ascension“ so deutlich war. Und unverkennbar ist der Roggen in der „mash bill“; er sorgt für Würze im Nachhall. Da freut man sich schon auf weitere Bundesstaats-Vergleiche. Denn wie sang schon der Barde himself? „For the times, they are a-changin’…”. Und die Whiskeys mit ihnen!
Bezugsquelle:
Heaven’s Door, „Double Barrel Whiskey” ist um EUR 63,90 im Weisshaus-Shop erhältlich, für die anderen Qualitäten gibt es noch keinen Europa-Start, www.weisshaus.at