Der ungeschönte Fino Sherry der Bodega González Byass geht in sein zehntes Jahr. Traditionell nach dem Frühjahr liegt die erste Abfüllung des „Fino en rama“ vor, denn zu dieser Zeit ist die Hefe am aktivsten und der naturtrübe Wein immer noch ein „Lebewesen“. Der Wortzusatz „en rama“ bedeutet so viel wie „im Rohzustand“ und spielt auf den Verzicht auf Filtrierung dieser Variante des klassischen Tío Pepe an. Es ist quasi der naturbelassene Bruder des meistverkauften Finos dieses Planeten. Auch wenn sie lange die gleiche Entstehungsgeschichte haben. Für beide wird der Most der ersten Pressung verwendet, der zur Gänze aus Palomino Fino-Trauben stammt.
Sie wachsen unweit der Stadt und erhalten im Idealfall vom Poniente, dem Westwind der südspanischen Küste, die entsprechende Kühlung. „Im Sommer kann es schon mal 40 bis 45 Grad haben bei uns“, schildert Weingarten-Manager Manuel. Daher sei die ideale Wind-Mischung während der Trauben-Reife „80 % Poniente und 20% Levante“. Denn der heiße Südwind aus Marokko wiederum verhindert Pilzkrankheiten durch Staunässe wie den Mehltau.
Die Jahrgangsedition des trockenen Sherrys allerdings wird wie immer mit einem Etikett aus dem Archiv der 1835 gegründeten Bodega versehen; diesmal ranken sich Weintrauben um die Schrift. Der Inhalt, den Winemaker Antonio Flores (kl. Bild rechts) und seine Tochter Silvia nach rund fünf Jahren Reife aus insgesamt 63 Fässern ausgewählt haben, unterscheidet sich auch deutlich vom Vorgänger. Der erinnerte mit seinen rustikalen Noten ein wenig an Tresterbrand. Doch hier ist das Spiel aus Salzigkeit, der hausspezifischen Mandel-Note und dem deutlichen Hefe-Ton wieder in die richtige Balance gerückt.
Denn bereits im Duft stellt sich die unverkennbare Hefe-Note – wie ein frisch geöffnetes Germ-Würfel-Packerl – ein. Kamille, etwas Klar-Lack und mostige Äpfel gesellen sich dazu. Die Salzigkeit des Palomino Fino spart sich dieser Sherry noch auf. Sie schlägt am Gaumen zu, wenn sich der Fino en rama wie ein Schluck Oliven-Lake anfühlt. Zart ist auch die Papiernuss zu spüren, die nahezu ansatzlos einer Salzmandel-Note Platz macht. Die spannendste Aromakomponente bildet der an Brie – und zwar Käseteig und Rinde – erinnernde Touch des Sherrys.
Diesen herben, aber auch Hefe-artig intensiven Anteil toppt dann das kräutrige Finale: Lässt man den Tío Pepe länger auf der Zunge, wird daraus ein dezenter Thymian, mit dem dieser Apéro für Kenner abschließt. Was man dazu ißt, wissen wir mittlerweile auch: Zufällig stand er in Jerez zu einer Gazpacho mit rosa Garnelen als Einlage am Tisch im La Carbona – da spielte der Fino en rama dann alle Stückerl: Kräuter und Salz würzten die Suppe und boten dem rohen, süßen Krustentier Paroli. Die Molligkeit des Hefe-Rests fettete die pikante, kalte Suppe auf.
Bezugsquelle:
Tío Pepe, Fino en rama 2019 ist um EUR 16,85 (0,75 Liter-Flasche) bei Decantalo online erhältlich, www.decantalo.com