Die Busladungen in Gumpoldskirchen waren schon einmal mehr, die Heurigen des Ortes definitiv auch. Strukturwandel mit der willkommenen Erklärung „Registrierkassa“ als finalem Sargnagel, aber auch Erb-Streitigkeiten und Verkäufe an ortsfremde Winzer haben das Heurigen-Idyll in den letzten Jahren deutlich verändert. So sehr, dass mittlerweile der Wohnbau an einer der besten Lagen einträglicher erscheint als ein Ausflugslokal. Soll sein; flächenmäßig allerdings ist Gumpoldskirchen immer noch eine Wein-Macht mit 300 Hektar Rebfläche im Ortsgebiet. Und das ist – im Gegensatz zur Abkehr von Bustouristen-Verköstigung – gut so.
Der eindeutige „Star“ auf diesen Rieden hat ein fünf-lappiges Blatt und rötliche Triebspitzen, weshalb die Weißwein-Sorte verwirrender Weise ROT-Gipfler heißt. „Ein Drittel seines Bestandes findet sich hier im Ort“, rechnet Konrad Reisacher vor. Und in diesem Fall bedeutet der heimische Bestand praktisch auch die Welt-Ernte. Der ehemalige Genossenschaftsobmann kennt sich bestens mit der Sorte und ihren unterschiedlichen Geschmacksausprägungen aus: Traminer und Roter Veltliner als wahrscheinlichste Abstammung der Thermenregion-Rarität machen den Rotgipfler zum Mitglied der Veltliner-Familie. „In manchen Weinen kommt das stärker zum Ausdruck“, so Reisacher, „doch entscheidend ist die Betriebsphilosophie“.
Vom tropenfruchtigen Schmelz – so kennen viele die Sorte, die auch als exzellenter Begleiter scharfer (Asia-)Gerichte gilt – bis zum schlanken Apfel-Aroma eines Veltliners oder der Nuss-Note eines Neuburgers reicht die Palette. Der Rotgipfler ist Heurigen-Wein und opulente Reserve zugleich. Dies sei vorausgeschickt, um die Bandbreite der Weine zu erklären, die bei der großen Rieden-Vergleichskost im Rathaus zu Gumpoldskirchen am besten gefielen. Sie findet als Frühlingsauftakt von 15 Winzer-Betrieben zu Beginn des Weinstieg genannten Tags der offenen Kellertür statt. Und sie sollte auch die Neuordnung der 60 Rieden-Bezeichnungen (Reduktion auf 23 Lagen-Namen; „Stein“ kommt etwa als neu geschaffene dazu, einige verschwinden am Etikett) ein wenig erklären. Ob die neue Rieden-Bezeichnung den Brindlbach als Bezeichnung am Etikett killt, ist noch nicht ganz klar. Otmar Bieglers Weingut hat dieser Rotgipfler aber bekannt gemacht.
Ziemlich süffig: Rotgipfler als Veltliner verkleidet
Bei Biegler wird vielleicht der balancierteste Vertreter zwischen der aromatischen Intensität der Tropenfrucht und dem Trinkanimo eines Veltliners gefüllt. 2016 duftet er animierend nach gelbem Apfel und hat vor allem den Alkohol (14% sind es) gut „versteckt“. Der aktuelle Brindlbach bringt beide Seiten des Rotgipflers mit, er beginnt als saftiger, apfelfruchtiger Veltliner und wir im Trinkverlauf immer satter. Nougat im Mittelteil mündet in einer tropenfruchtigen Saftigkeit mit leichter Süße im Finish, die 6,8 Gramm Restzucker passen perfekt zu diesem langsamen Muskelaufbau. Wie stets darf man ihn jetzt schon als idealen Schluck zum Thai-Curry empfehlen – oder einfach so genießen.
A propos „einfach so“: Christian Schabl, der seinen Heurigen eben erst umgebaut hat, schaut besonders auf die Zugänglichkeit seiner Rotgipfler, von denen es einen trockenen und einen mit mehr Restzucker, also „halbtrocken“, gefüllte Variante gibt. Diesmal hatte gleich der erste Wein, von Schabl, die Latte hoch gelegt. Es ist der abseits der Buschenschank ausverkaufte „Schwaben“ des Jahrgangs 2015. Zart rauchig und mit leichtem Kokos-Duft wirkt er wie eine Kreuzung aus Malaga-Eis und Mango im Glas, hat dabei aber immer einen süffigen Zug trotz der satten Aromen. Noch zu haben ist der „Tradition“, mit animierendem Duft nach weißen Blüten und Golden Delicious-Apfel. Frisch und süffig ist dieser ebenfalls aus der Riebe Schwaben stammende Wein. Papaiernuss, helle Birne und ein kühles Finish lassen den Rotgipfler 2016 hier wirken wie den Biss in eine gelbe Melone: Zart süß, saftig und immer erfrischend.
Das Duo Schmelz: 2012 und 2015 voller Tropenfrucht
Fett und mit langem Leben ist Johannes Gebeshubers Reserve aus der Lage „Laim“. Dass die Rotgipfler in „Gumpolds“ gut altern kann man jederzeit in der Ortsvinothek nachprüfen, das 14.000 Flaschen umfassende Archiv geht Jahrzehnte zurück. Aktuell entkorkt man dort fallweise einen 1977er, der sich trinkt wie reifer Riesling aus dem Elsass oder der Wachau. Doch zurück zum Weingut Gebeshuber, dessen 2015er entsprechend am Beginn seiner „Karriere“ steht: Der Rotgipfler aus der 45 Jahre alten Anlage bringt 14,5% Alkohol und 5 Gramm Restzucker auf die Waage – entsprechend intensiv duftet es nach Mango, Ananas und Banane aus dem Kostglas. Vollmundig ist auch der Antrunk dieses echten „Tropenfrucht-Verkaufsstands“, Vanille aus dem Fass verbindet sich wieder mit viel Ananas-Schmelz, die Kraft, auch seiner Jugend, ist spürbar, aber dosiert, ein trockenes Finish steht der Opulenz zu Beginn gegenüber. Großer Wein, der auch seinen Preis hat, aber auch noch viele Jahre erfeuen wird.
Gebeshuber, so die jüngste Entwicklung in Sachen Freigut Thallern, hat mittlerweile auch einen Anteil der Rieden vom Stift Heiligenkreuz gepachtet. Doch der 2012er Rotgipfler stammt noch vor dieser Zeit, als der gesamte Bestand vom Winzer-Trio Aumann/Alphart/Polz bewirtschaftet wurde. Das Filetstück „Student“ liefert eine Reserve wie einen Karibikurlaub: Steinobst, vor allem Pfirsiche, mischt sich im Duft mit einer intensiven Note, die an das „Bananenmark“ der beliebten Süßigkeit Schokobanane (Casali) erinnert. Deutlicher fächert sich die Exotik dieses Rotgipflers am Gaumen auf – satte Ananas wie frisch vom Grill, mit leichtem Karamellaroma nämlich, wäre da, auch Mango-Lassi und wieder diese kühle, fast küntlich intensive Bananen-Note. Der 2012er Student, könnte man kalauern, hat noch nicht seinen Abschluß, aber einen überzeugenden Bachelor gemacht. Er ruht in sich und macht aktuell wirklich viel Spaß, in diesem Fall ist sogar noch etwas verfügbar, zu einem guten Preis für „viel Wein“. Aus der Abteilung „Schmelz“ gefiel er am besten, aber wie gesagt, es ist nur eine Seite dieses weißen Thermenregion-Juwels.
Bezugsquellen:
Biegler, Rotgipfler „Brindlbach“ ist um EUR 9,- ab Hof erhältlich, www.weingut-biegler.at
Schabl, Rotgipfler „Tradition“ 2016 ist um EUR 8,- ab Hof bzw. im Webshop erhältlich, www.schabl.me
Freigut Thallern, Rotgipfler Student Reserve 2012 ist um EUR 18,90 ab Hof bzw. im Webshop erhältlich, www.freigut-thallern.at
Gebeshuber, Rotgipfler „Laim“ ist um EUR 29 bei Craftwines erhältlich, http://craftwines.com