Ansichten wie diese haben den Loire-Winzer Didier Dagueneau über seinen Tod hinaus zum Maßstab gemacht:
„Ich denke, Sauvignon Blanc ist eine der komplexesten und feinsten Rebsorten, aber es ist sehr schwer, diese Komplexität zu extrahieren. Das führt zu vegetalen Aromen wie Pfeffer, grüne Bohnen, Lauch und Katzenpisse. Diese Aromen sind natürlich, aber nicht die, welche ich suche. Ich suche Feige, Aprikose, Mango, Passionsfrucht, Grapefruit und Cassis, alle Düfte aromatischer Reife„.
Mit der Weisheit des Obelix-bärtigen Didiers spürt man bei der großen Jahresverkostung der zehn steirischen „Terroir- und Klassik-Weingüter“ (STK) schnell die Nuggets unter den Sauvignons auf.
Speziell die 2011er begeistern fast durch die Bank, haben aber auch klar unterschiedliche Stilistiken aufzuweisen. Die Idee zur Vergleichsverkostung der Sorte von vier verschiedenen Boden-Arten an einem eigenen Tisch kann man nur loben, die Gleichung „Soletti-Geruch=Muschelkalk“ stammt z. B. von dort. Doch das ist nur der Auftakt: Wolfgang Maitz „Hochstermetzberg“ etwa bringt viel Exotik mit. Rauchig, mit zartem Aceton, Butterkeks und Vanille im Geruch deutet sich seine Kraft an. Papaya hat er in der Nase wie am Gaumen, dazu kommen auch Mango und die zarte Mineralik der mittlerweile tief wurzelnden Reben, die 1987 ausgepflanzt wurden. „Den Reben möglichst viel Schatten zu geben“, lautete das Erfolgsrezept, mit dem Maitz dem heißen 2011er Jahr auch eine solche Filigranität im Finish abtrotzen konnte.
Einen grünen frischen Duft im ähnlich warmen 2012er Jahrgang verströmt die „Theresienhöhe“, vulgo Therese, von Erich und Walter Polz. Sie stellt zwar noch ein Baby dar, aber Armin Polz hat genau den richtigen Lesezeitpunkt erwischt, was sich auch in „nur“ 12,9 % Alkohol widerspiegelt. Bei aller Kraft immer wieder Frische durchschimmern zu lassen, gelang auch beim ein Jahr älteren „Hochgrassnitzberg“. Zwischen Tropenfrüchten und Nougat im Duft schiebt sich immer wieder eine freche Stachelbeere. Am Gaumen hat der keineswegs leichte Wein von Beginn weg einen süffigen Zug zum Tor, Paprika, Stachelbeere und saftige Kiwi machen den Sauvignon fast überkomplett. Und klarerweise kommt auch bei diesem 2011er noch mehr.
Dies gilt auch für den jugendlichen „Kranachberg“ des jungen STK-Mitglieds Hannes Sabathi. Der Schotterboden auf der 115 Hektar großen Gamlitzer Toplage sorgt für filigrane Noten wie Zitruszeste, Kiwi und Akazienblüte im Duft des 2011er Sauvignons. Momentan meldet sich Sabathis Wein kräftig am Gaumen, doch die Sorte wird erst im Finale kenntlich, wenn der zunächst zarte grüne Paprika sein Spektrum erweitert und Kräuterwürze und zarter Rauch schmeckbar werden. Honigmelone und die momentan weniger druckvolle Säure deuten an, dass den „Kranachberg“ erst noch etwas Lagerzeit zur Perfektion formen wird.
Dass der Jahrgang insgesamt ein außergewöhnlicher war, stellte für mich am eindrucksvollsten der „Welles“ von Katharina Lackner-Tinnacher (Foto) unter Beweis. Vor allem die unerwartete und intensive Note nach exotischen Pfefferarten (Kampot und Tellicherry wie frisch aus der Mühle) verleiht dem Sauvignon einen gänzlich eigenen Stil. Mineralität vom Kreuzbergschotter kann sich da erst am Ende bemerkbar machen, zu sehr nimmt einen der grüne Paprika in Reinkultur, sowohl im Duft wie auch am Gaumen, gefangen. Dass zu der grünen (Pfeffer-)Würze auch noch eine gewaltige Länge kommt, macht diesen 2011er zu einem echten Ausnahme-Wein. Da hätte auch Monsieur Didier selig seinen Bart gezwirbelt.
Bezugsquelle: Weingut Maitz, Sauvignon blanc „Hochstermetzberg“ 2011, EUR 22,50 ab Hof, www.maitz.co.at
Erich & Walter Polz, Sauvignon blanc „Therese“ 2012 bzw. „Hochgrassnitzberg“ 2011, EUR 17,65 bzw. EUR 24,95 ab Hof, www.polz.co.at
Hannes Sabathi, Sauvignon blanc „Kranachberg“, EUR 22 ab Hof, www.hannessabathi.at
Lackner-Tinnacher, Sauvignon blanc „Welles“, EUR 29 ab Hof, www.tinnacher.at