Die Whisky-Welt hat sich geändert. Das postuliert ein aktueller Bericht nicht ganz uneigennützig. Steht hinter dem Whitepaper „New World of New World Whisky“ mit Distill Ventures ein globaler Inkubator für Spirituosen-Start ups, der einige Whisky-Brennereien alimentiert. Doch das entwertet die Erkenntnisse nicht, die zum Beispiel das Klischée von der Männer-Spirituosen hinterfragen. 34% der Whisky-Trinker sind demnach Frauen. Spannender aber ist der Versuch, eine eigene Kategorie „New World Whisky“ festzumachen. Beim Wein gab es die einmal, doch der Einsatz von Eichenfässern reicht beim Whisky halt nicht aus als Unterscheidungsmerkmal. Die Kooperation mit lokalen Fass-Verwendern hingegen ist doch was Neues. Gut, Fass-Finishs, wie das heißt, hat auch Schottland erfunden, namentlich David Stewart, OBE. Aber einen Whisky aus dem Ginger Beer-Fass (!) wird man gemäß der schottischen Regeln auch weiter nicht sehen.
Aber, wie es der Kenner und Teilzeit-Spirituosenhändler Mike Bennie bei unserem letzten Besuch in Sydney über sein Land formulierte: „We are pretty lawless“. Das ließe sich in vielen Bereichen – Mike sprach das Weinrecht an – belegen, doch beim Whisky erweitert es eben auch die Geschmackspalette. Dafür steht unter anderem Starward. Wir haben die Aussie-Brenner aus Melbourne hier schon einmal vorgestellt, doch da gab es den oben erwähnten Ginger Beer-Whisky noch nicht. Und die Destillen im ehemaligen Flugzeughangar laufen auf Hochtouren. Zwei neue Abfüllungen haben es im noch jungen Jahr 2021 auch zu uns geschafft. Und sie adressieren teils sehr klar den neuen Whisky-Konsumenten, den das White Paper schildert: Er sucht neue Geschmacksrichtungen oder, wie es schön Englisch heißt, „Dram diversity“.
Einen Fehler machen die „Aussies“ dabei schon einmal nicht. Auch ihre Einstiegsprodukte unterfordern nicht mit Karamell-Süße und Fruchtexzessen wie mancher Speyside-Malt, mit dem die Schotten den erfolgreichen irischen Cousins das Wasser abgraben wollten. Whisky, der mit Ginger Ale oder Tonic Water gemixt wird, darf nicht nur Kanten haben, er sollte es auch. Denn was bleibt sonst von „gemälztem Orangenblütenwasser“ übrig, wenn noch die doppelte Menge Filler draufkommt? Nixi! Das sollte man eigentlich vom Gin kennen. Nun, in Melbourne braucht man keine Regeln, aber man hat die Lektion gelernt. Das zeigt der „Leftfield“, der wie eine Vorabendserie heißt, sanfte 40% Alkohol hat, aber doch nicht gänzlich jugendfrei sein will.
Das zeigt schon der Duft, der zwar süße Fruchtnoten mitbringt, aber auch eine salzige Erdnuss-Note. Die rote Beeren-Aromatik ist vielleicht „laut“, eine weitere Duftnote beamt förmlich in die Volksschulzeit zurück: Kellogg’s Smacks. Doch das große „Aaaaber“ formt sich dann nach dem Kostschluck. Denn auch hier wird es fruchtig mit Birne und Pfirsich, ab dem mittleren Gaumen darf aber auch Ingwer und sein gemahlener Bruder Weißer Pfeffer ran. Sie sorgen für einen betont würzigen, ja fast schon pikanten Abschluss. Dass diese Mischung wie gemacht ist für die Mischung mit Ginger Beer – und einen „Australian Mule“, wenn noch Limette ins Spiel kommt – kann man schmecken. Und auch preislich ist in diesem Fall der Whisky von „down under“ günstiger als so mancher „fancy“ Wodka oder Gin.
Für den versierteren Whisky-Freund ist dann der „Fortis“ gedacht. Der heißt schon eher wie ein Nachtfilm und kostet auch doppelt so viel wie der Vorabend-Starward „Leftfield“. Die enorme Würze zeigt schon an, dass hier viel und wertiges Holz im Spiel war. Blind würde man die ebenso nussige wie fruchtige Art eher einem Sherry-Gebinde zuschreiben, doch hier kamen australische Rotweinfässer aus dem Barossa-Valley zum Einsatz. Cabernet und Shiraz reiften zuvor darin und der Aromen-Eintrag ist reichhaltig in der doppelten Wortbedeutung. Datteln, Erdnussbutter, Nuss-Schokolade, vor allem aber die britische Orangen-Marmelade „thick cut“ riecht man im Glas.
Der „Fortis“ kommt mit satten 50% vol. in die Flasche. Was man wissen sollte, weil man es sonst nicht glaubt. Geschmeidig wie flüssiges Nougat kommt der Aussie-Whisky auf den Gaumen, garniert von Orangenspalten, zartem Rauch und feiner Süße. Etwas „hard spice“ wie Zimt und Piment leitet über in den Abgang, wo dann eine rotfruchtige Schlussnote – Amarena-Kirsche – wartet. Es ist ein balancierter Whisky, der entfernt an den schottischen Highland Park erinnert. Wenngleich die Süße hier doch eine spezifische Note einbringt. Eine australische!
Bezugsquelle:
Starward, „Leftfield“ ist um EUR 34,- (0,7 Liter-Flasche) erhältlich, der „Fortis“ kostet EUR 69,-, beide im Online-Shop der Theehandlung Schönbichler, www.teegschwendner.at