Es war wieder „that time of the year” – der Verkostmarathon der Ersten Lagen erstreckt sich über eine Woche und umfasst längst nicht mehr den Nukleus in Grafenegg, mit dem die Traditionsweingüter einst begonnen hatten. Heuer kam die Wachau dazu und im Schloss Dürnstein standen 108 Weine auf dem Prüfstand. Nahezu ausnahmslos kamen sie aus dem Jahrgang 2021. Was zum einen bedeutete, dass mancher Probe der Füllschock noch in den Gliedern saß. Andrerseits würde eine Verkostung ein Jahr später einer Phantom-Probe gleichkommen. Denn dann sind die Smaragde längst vergriffen. Statt „langer Zähne“ auf Vergriffenes im Nachhinein stand also die schwierige Übung an, Potential junger Weine zu erahnen, die man eigentlich erst in mindestens fünf Jahren entkorken sollte.
Die gute Nachricht und zugleich der Inhalt dieses Trinkprotokolls: Es gibt sie, jene Rieslinge und Veltliner, die jetzt bereits sehr klar zeigen, wo die Reise hingeht. Zugänglich „wie nur“ war etwa der Rossatzer Veltliner von Josef Fischer. Die Lage Kreuzberg brachte 2021 einen nach Mango und Koriander duftenden Wein hervor. Grüne Kräuteranmutung, die aber so gar nichts mit unreifen oder grasigen Düften zu tun hatte, stieg aus dem Zalto-Glas. Fruchtsüß vom Beginn weg, scheint der Smaragd vom anderen Donauufer in sich zu ruhen. Wohlgemerkt: jetzt schon! Reife und irgendwie süße Zitrusfrüchte regen den Speichelfluß an – dieser animierende Kumquat-Schmelz vom Weingut mit dem Fisch-Logo hat definitiv viel für sich.
Und mit Georg Frischengrubers „Kreuzberg“, auch er Veltliner in Smaragd-Gradation, zeigt die Lage erneut auf. Mango und Karamell sind es hier, die nasal in Vorlage treten, doch sie haben guten Widerrist in Form von Zitrusfrucht-Akkorden (Kalamansi). Die exotische Kraft zeigt sich auch im Mund, wo mit der Mango auch ein reifer Pfirsich mitzukommen scheint. Strahlend und strahlig wirkt dieser Weißwein aus Rührsdorf. Einziger Unterschied zum Fischer-Wein der gleichen Lage: Hier sollte man noch ein Alzerl zuwarten. Wenn sich alles sortiert hat bei Frischengrubers „Kreuzberg“ 2021, geht hier nämlich auch die Post ab. Trinkspaß-Garantie!
Einer der Weine, der sich wiederum mit seiner Würze sofort beim ersten Riechen abhob, trug die Nummer 59. Er entpuppte sich als Grüner Veltliner vom Tegernseerhof. Martin Mittelbach kann für diesen Smaragd auf eigene Selektionen und bis zu 60 Jahre alte Stöcke zurückgreifen. Kreuzkümmel meint man fast zu riechen in dieser Cracker-artigen Rauchigkeit. Schwarzer Sesam und kaum Frucht sind die weiteren nasalen Ersteindrücke in Dürnstein. Herb und doch animierend zeigt sich der „Höhereck“ am Gaumen, wo er Anflüge von Banane und Schokolade aufweist. Aber die sind nur eine Art lange Nase – wenn ein Wein so eine drehen kann. Denn in Wahrheit geht es bei diesem halben Hektar Südosthang zwischen Felsen um den Boden. Die alte Anlage liefert einfach einen tollen Wein, der sich längst davon befreit hat, sich um Sortentypizität oder nicht zu scheren.
Ehre machte dem Lagen-Charakter, um den es – aller Jammerei über „zu früh verkostet“ zum Trotz – ging, auch der Kellerberg (am kleinen Bild rechts). Vor allem der größte Player der Region, die Genossenschaft Domäne Wachau, punktete mit Veltliner und Riesling. Der Unterschied lag in der Zugänglichkeit. Die Weißen Erdbeeren und Ringlotten-Frucht voll Saftigkeit und Säurigkeit in der Nase stand beim Riesling 2021 noch vor den reiferen Tönen von Karamellbonbon, aber auch die kräutrigen Akzente (Koriander) schwebten noch über den Dingen. Am Gaumen scheint der Kellerberg vorzupreschen und zu bremsen zugleich. Ein gutes Zeichen! Denn die Säure treibt ihn voran, die kühle Art lässt die Frucht noch verhalten wirken. Dafür zeigt das Yin und Yang von fruchtsüßen und jugendlich-säurigen Tönen, wo die Reise hingeht. Denn um diesen Riesling auszubalancieren, ist einfach alles da.
Der Grüne Veltliner Kellerberg 2021 hingegen drehte es um. Er startete verhalten und ließ eine Übung in Sachen zitrusfruchtiger Eindrücke vor der Nase los: Limetten-Zeste, Kaffirlimetten und Zitronengras schoben sich vor die zarte Steinfruchtnote. Am Gaumen aber ist dieser Wein erstaunlich cremig und packt praktisch sofort die saftige Marillenfrucht aus. Final ist dann auch das elegante „Pfefferl“, das die Sortentypiziät – aber eben hinter dem Boden-Ton – erkennen lässt. Der Kräuterstrauß steht für diese Würzigkeit. Und er erblüht schon recht ansehnlich, sprich: mit hoher Zugänglichkeit.
Bezugsquellen:
Josef Fischer, Grüner Veltliner Smaragd „Kreuzberg“ 2021 kostet EUR 25,30 bei Wachau-Spezialisten Hubert Fohringer, www.fohringer.at
Weingärtnerei Frischengruber, Grüner Veltliner Smaragd „Kreuzberg“ 2021 kostet EUR 40,40 bei der Vinothek Fohringer, www.fohringer.at
Tegernseerhof, Grüner Veltliner Smaragd „Höhereck“ 2021 kostet EUR 30,10 beim Versandhandel Vinospirit, www.vinospirit.at
Domäne Wachau, Grüner Veltliner Smaragd „Kellerberg“ 2021 kostet EUR 32, auch der Riesling Smaragd „Kellerberg“ 2021 ist um EUR 32 zu haben, beide im E-Shop der Genossenschaft, www.domaene-wachau.at