Man kennt die Metallschilder: Der Schnitter oder eine Dirndl-Maid im Kornfeld und darüber der Spruch „Wer Bier trinkt, hilft der Landwirtschaft“. Die Frage in Zeiten amerikanischer Aroma-Hopfen und rückläufigen Getreideanbaus im Inland lautet nur, welcher Landwirtschaft? Der in Oregon? Der in der Ukraine? Dabei hätte auch Österreich Braugetreide, die kurze Transport-Wege und lange Tradition verbinden. Der Waldviertler Roggen mag einem einfallen, aber heute geht es um Gerste. Tiroler Gerste wohlgemerkt. Und die feiert im alpinen Bundesland mit knapp 1% Deckungsgrad bei der Getreideversorgung ein Revival – das sich in der Tat dem Brauer verdankt. Zillertaler Bier-Chef Martin Lechner hat das Projekt „Fisser Gerste“ hartnäckig verfolgt. Weshalb es sich lohnt, es auch ausführlicher zu schildern – ehe es ans Biertrinken geht.
Dass die Gerste robuster sein muss, um im Alpenraum zu überleben, ist klar (allerdings hält das im Kaukasus bis auf 2.700 Metern wachsende Getreide einiges aus). Bei den Kartoffeln kreuzte man früher gerne die „Bergsorten“ im Tal ein, um widerstandsfähiges Saatgut zu bekommen, beim Getreide kultivierte man die robustesten Arten. Und eine solche war die nach dem Tiroler Ort Fiss (bei Serfaus) benannte Sorte „Fisser Gerste“. Karl Röck selektierte das Saatgut der schönsten Ähren jedes Jahr aufs Neue, auch wenn die Nachbarn längst anderen Sorten den Vorzug vor der ertragsarmen „Flatschgerste“ gaben, wie die Tiroler spotteten. Dabei „wächst sie auf 1.500 Metern Seehöhe besser als in weniger hohen Gegenden“, lobt Herbert Röck das Pionier-Werk seines Vaters. Röck junior stand gemeinsam mit Christian Sturm und Gebhard Senn am Beginn der flächigen Renaissance der „Tiroler Imperial Gerste“, wie sie laut Zuchtbuch eigentlich heißt.
Heute übernimmt die Tiroler Saatbaugenossenschaft die Vermehrung; dass im Sommer 2017 eine eigene Halle in Flaurling errichtet wurde, verdankt sich aber auch dem Erfolg der „Fisser Gerste“ – und zwar in einer Disziplin, für die sie gar nicht geeignet schien. Denn der hohe Eiweißgehalt freut zwar die Bäcker – so nutzt etwa die Mecklenburger Backstuben GmbH im fernen Waren an der Müritz die alte Gerste – das erste Gutachten der „Brau-Uni“ Weihenstephan beschied den Zillertalern aber, dass es wohl bessere Sorten für ihr Bier gäbe. Doch Braumeister Peter Kaufmann tüftelte eben so lange, bis das Zwickl aus Zell am Ziller im Lagertank war. Und das nun stolz den Namen „Tyroler“ trägt.
Tatsächlich fällt die Schaum-Stabilität beim Einschenken des Biers auf. Dafür ist Eiweiß immer gut. Und – so viel darf man vorwegnehmen – auch beim Spülen des Glases schäumt es noch einmal deutlich auf. Doch wir wollen ja kein Schaumhäferl bewundern, sondern wissen, wie das „Tyroler“ schmeckt. Der Mühlviertler Aromahopfen (unsere Vermutung: Cascade) leistet jedenfalls ganz Arbeit, es duftet nach Pink Grapefruit, grüner Mango und ein wenig auch nach Panettone. Sieht man von der zart bitteren Note im Antrunk des 5,7% starken Zwickl ab, erweist sich das neue Zillertaler auch am Gaumen als eine Art flüssiger Zitronen-Guglhupf.
Die leichte Malzsüße bringt zarte Brot-Noten und auch etwas Walnuss mit. Dem vollmundigen Mittelteil folgt dann eine Bittere, die quasi mit Zeitverzögerung einsetzt. Dafür hält sie lange an und hat eher leicht erdige Wurzelnoten als „grüne“ Hopfen-Bitterkeit zu bieten. Abgesehen von der wunderbaren Getreidevermehrung neben Skihängen (auch im Ötztal und Mieming wächst die Fisser Gerste heute wieder): Das „Tyroler“ könnte jenes „missing link“ sein zwischen fadem Schank-Märzen und dem Aromen-Extremismus der Kreativbrauer. Denn „hopfengestopft“ ist auch dieses Zwickl, die Zitrusnoten sind aber nur so was wie die Glasur auf einem kernig-getreidigen Bier. So viel ist jetzt Fiss!
Bezugsquelle:
Zillertaler Bier, „Tyroler“ (Imperial Zwickl) ist um EUR 6,84 im Sechser-Pack in Tirol erhältlich, in 25 Gemeinden liefert es „Der Grissemann“ bequem ins Haus, www.dergrissemann.at