Wer sich beim Spirituosen-Kauf nicht vom Billigsten im Flugblatt leiten lässt, landet irgendwann in der Botanik. Und die hat abseits der Wurzeln und Kräuter für Amaro und Gin auch noch einige Überraschungen zu bieten. Versteht man endlich, dass nur die Agavenart Tequila vom Mezcal unterscheidet, kommt die nächste Lektion: Was wissen Sie über Dasylirion?
Diese Pflanzengattung gehört zu den Spargel-Gewächsen, doch der „Wüstenlöffel“ ist keine Agave. Weshalb das Destillat aus Dasylirion auch einen eigenen Namen hat: Sotol. Der ist wie alles in Mexico streng geregelt und darf nur in drei Bundesstaaten hergestellt werden. Lange war dieser Schnaps gar verboten, er gehört seit der Zeit der Spanier zur Kultur der Pueblos – bis heute ist der Bundesstaat Chihuahua seine Hochburg. Und auch im angrenzenden Texas wird in kleinen Mengen Sotol gebrannt. Wir halten uns aber an das mexikanische Original. Für die Ernte der ausnahmslos wild wachsenden Sorten benötigt man eine Genehmigung des Secretaría del Medio Ambiente y Recursos Naturales. Die Naturschutzbehörde wacht über die Bestände und entsprechend selten ist Sotol im Vergleich zu den Agaven-Cousins. Erst recht, wenn der Zusatz „artesanal“ am Etikett steht wie bei unseren beiden Flaschen von Sotomayor. Alle (!) Produktionsschritte sind damit manuell durchgeführt – es sind Destillate, die Respekt einflössen. Und dankenswerter Weise importiert sie der Mexico-Spezialist Dr. Sours mittlerweile.
Die erste Kostprobe aus Mexico, der mit 44% vol. gefüllte reinsortige Sotol aus Dasylirion Leiophyllum, zeigt sich gleich einmal extrem aromatisch – kleine Räume erfüllt sein Duft locker! Der Geruch erinnert an Grasschnitt, japanischen Genmai-Tee und Agaven-Honig. Blanchierte Mandeln und ein nicht kleiner Anteil des Odeurs einer „speckigen“ Lederjacke ergänzen das komplexe Duftbild. Die (säuerliche) Frucht hebt sich dieser Sotol für den Gaumen auf.
Da kommt dann Mirabelle und ein leichter Stein-Ton wie Kirschmarzipan auf die Zunge. Die schöne Rauchigkeit ist dezent, weist keine „selchigen“ Noten auf, dafür eine schöne Trockenheit, die gut zu der balancierten Art des Sotomayor „Blanco“ passt. Weiße Schokolade, allerdings mit wenig Süße, und etwas Kokosraspel legen im Finish noch eine geschmackliche Zuwaag‘ drauf. Für den Cocktail ruft dieser Mexikaner förmlich nach Zitrusfrüchten, die „Paloma“ ist sicher eine klassische Idee mit dem Sotomayor.
Für den Pur-Genuss gibt es dann noch eine Edelversion, die „on the rocks“ noch mehr Freude macht. Ihren Namen verdankt der „Ensamble“ der Tatsache, dass er eine „Cuvée“ aus drei Dasylirion-Arten darstellt. Es ist ein Sotol aus Leiophyllum, Cedrosaum und Texanum (das nur alle 30 Jahre blüht!), der in der schönen weißen Keramik-Flasche mit 48% vol. daherkommt. Wer bei solchen Werten zu schwitzen beginnt, sei versichert: Hier beißt nichts! Im Gegenteil, rund und mit Anklang an Mandelmilch kommt der rare Sotol ins Glas. Das vegetale Element ist hier Aloe Vera-Drinks nicht unähnlich, kommt aber auch als leichter Grünspargel-Duft (frisch, nicht gekocht!) durch.
Im Mund zeichnet sich die feine Würze vom Beginn weg ab – ein zarter Pfefferton schwebt gleichsam über allen anderen Geschmacksnoten wie getrockneter Marille oder Toffee. Bisweilen erinnert der Sotol an junge Single Malts, bei denen noch nicht das Holz die aromatische Regie übernommen hat. Im Finale wartet dann ein Rauch-Tönchen, das Mezcal-Fans gefallen könnte; wie trockener Zigarrenrauch legt sich dieser ätherisch-nachklingende Akkord auf den Gaumen. Definitiv eine Horizont-Erweiterung. ¡Muchas gracias!
Bezugsquelle:
Sotomayor, Sotol Leiophyllum ist um EUR 66,90 (0,7 Liter-Flasche) erhältlich, der Sotol Ensamble kostet EUR 93,90, beide bei der Booz Embassy, www.boozembassy.com