Normaler Weise treffen wir Thomas Curtius, einer der wenigen Deutschen mit dem Kürzel MW hinterm Namen, in London. Denn der „Master of Wine“ hat sich vor allem als Experte für australischen Wein einen Namen gemacht (auch, wenn er heuer auch der „Wölschmeisterschaft“ der heimischen Welschrieslinge vorstand). Und so gehört das im Jänner zum Australia Day veranstaltete Verkosten auch bei ihm zum Fixtermin. Diesmal eben nicht – aus den bekannten pandemischen Gründen. Doch Curtius stellte stattdessen im Rahmen eines „Webinars” für die Vermarktungsorganisation Wine Australia die wohl bekannteste Rebsorte des Landes vor. Der Shiraz steht bei den wenigen, die überhaupt Wein von „down under“ trinken, nahezu synonym für den ganzen Kontinent.
Doch so monolithisch ist die Sache auch wieder nicht; das sollten die 12 Proben der selben Rebsorte zeigen. Dass wir nicht das ganze rote Dutzend beschreiben, hat leider einen altbekannten Grund – die Verfügbarkeit. Denn nur ein Bruchteil der verkosteten Weine ist auch in deutschen Landen erhältlich. Und auch das nicht so ganz einfach. Doch dazu später mehr, denn an sich überzeugte die mit Verstand ausgewählte Auswahl quer durch die Anbaugebiete vom Hunter Valley bis ins Barossa und von Eden Valley in die Grampians. Wenn wir mit dieser Region beginnen, die sich zwischen Adelaide und Melbourne im Bundesstaat Victoria befindet, dann deshalb, weil wir das Weingut Mount Langi bereits kennen. Er war einer der Weine, mit dem vor drei Jahren in London der für Pfeffer-Geschmack verantwortliche Stoff Rotundone demonstriert wurde. Damals kosteten wir den Jahrgang 2012, diesmal tanzte der 2019er im Glas. Seines Zeichens ein Shiraz mit 14,5 Volumsprozenten und einer 14 Monate dauernden Reife im französischen Holzfass.
Wunderbar dicht fallen die Duftnoten nach eingekochten Früchten aus: Wir riechen Erdbeeren, Zwetschkenröster, aber auch Himbeer-Konfitüre. Im Mund zeigt er sich ebenfalls mit einem Mix aus roten und schwarzen Beeren. Ein wenig Gerbstoff am Ende sorgt für Grip, dazu kommt auch die finale Eukalyptus-Note – Schwarzer Pfeffer (Rotundone-Alarm!) und Gurkenlake beschließen den Reigen. Was fruchtig begann, endet zart bitter und mit einer salzigen Würze-Note, die typisch für die Grampians ist. Der Granitboden kommt mit seiner prägenden Wirkung auf den Wein gut durch, auch wenn wir nicht das Flaggschiff von Mount Langi, den „Langi“-Shiraz, im Glas hatten.
Neu hingegen war die zweite Winery. Denn den Namen Battle of Bosworth hätten wir uns vermutlich gemerkt. Die Schlacht selbst wurde nicht bei den Aussies ausgetragen, sondern in Leicestershire/England Anno 1485. Sie war das Shakespeare-Drama gewordene Ende von Plantagenet-König Richard III., gleichzeitig Ende der Rosenkriege. Joch Bosworth und seine Partnerin Louise Hemsley-Smith wählten das markante Datum 1995 als Namensgeber ihres Weinguts im McLaren Vale. Dass man seit mittlerweile 26 Jahren biologisch arbeitet, macht die Familie mit ihrer „fully certified A-Grade organic winery“ zu Pionieren in Australien.
Der verkostete Shiraz namens „Puritan“ geht aber noch einen Schritt weiter. Er bringt minimalen Schwefel-Einsatz mit. „Der Wein ist unsere Interpretation eines spanischen „Joven””, formuliert es Joch Bosworth, der den „Puritan“ lediglich im Stahltank ausbaut. Das Ergebnis erstaunt in seiner Machart: Zarter Selchspeck, aber vor allem satte Beeren-Frucht, irgendwo zwischen Maulbeeren und unreifer Brombeere, gelangen an die Nase. Etwas Holunder zeigt auch die gerbstoff-reiche Seite dieses Weines im Duft an.
Am Gaumen kommt die herbe Seite erneut durch, hier erinnert er an Granatapfel-Saft. Fast zum Beißen dicht ist die herbe, rote Fruchtigkeit. Doch bei aller Kraft der 14,5% vol. stellt sich auch ein gewaltiger Trinkfluss ein. Am Ende bringt die leichte Säure des 2021 geernteten und im Juni gefüllten Shiraz noch eine Leichtfüßigkeit mit, die sich dem Ausbau verdankt – und so ganz anders ist als der reichhaltig-dunkle Beerenduft. Die Sorte ist eben immer für Überraschungen gut. Wenn man sie nur erhält. Denn der deutsche Importeur hat nur die „normal“ geschwefelte Version aus dem Jahrgang 2016 zu bieten. Bosworths „White Boar“ ist aber ein deutlich konzentrierter Wein mit zarter Süße.
Bezugsquellen:
Mount Langi Ghiran, „Cliff Edge“ Shiraz 2017 kostet EUR 19,95 bei Vinexus, www.vinexus.at
Battle of Bosworth, Shiraz „White Boar“ 2016 ist um EUR 34,90 bei Sandfire Wines zu haben, www.sandfirewines.de