Mustergültig hat Enrico Bachechi die Selektion der 16 biodynamischen Toskaner aufbereitet. Sogar die Analysewerte, die man sich beim Kosten so oft wünscht, hat er bei jedem Wein „seiner“ Ampelis-Kollektion dabei. Während ich vor allem auf die Säure schiele (beim Sangiovese, den es auch geben wird, ja immer ein Thema), geht es ihm um die Unterschreitung der 60 Milligramm Sulfite pro Liter. Womit das Kernproblem gleich angesprochen wird: Weniger Schwefel heißt nicht immer, aber immer öfter – seit man selbst Weinfehler nur mehr „Charakter“ nennt – Fäulnisgeruch in der Nase.
Aber Bachechi ist Profi genug, mit mir Biodynamie-Saulus umgehen zu können. „Senza volatili“, ohne flüchtige Säuren, versichert er mir, worauf ich die Weißweine nicht auslasse. Sind eh nur vier. Wobei, frei nach Doktor Faustus, „hier stock‘ ich schon“. Denn bereits nach dem Bianco 2012, einer Cuvée aus Pinot blanc und lokalen Sorten mit langer Maischestandzeit von Gabriele da Pratos Podere Còncori aus Lucca, ist es aus mit den versprochenen „vini piacevoli e corretti“. Auf die saubere Marillen-Grapefruit-Nase des gehaltvollen Weissen mit dem vielleicht einen Tick zu merkbaren Hefeton folgt er bei den drei nächsten Proben wieder: der Birnenmost-Geruch. Kann man mögen, tu ich aber nicht.
Dem Raster folgend, stammt auch der erste Rotwein von da Prato. Der „Melograno“ 2012 kombiniert wieder Kleinstmengen lokaler Sorten mit einem 80%-igen Dominator, diesmal Syrah. Die Cuvée heißt „Granatapfel“, riecht nur mäßig danach, dafür nach Wildkirsche und Cranberry, auch etwas Graphit. Die Preiselbeer-Herbheit setzt sich auch im Mund durch; Würze, nicht nur von Kakao, sondern eines ganzen Wildbret-Gewürzsträußerls (Lorbeer, Wacholder und Thymian), schält sich gegen Ende immer klarer heraus und mündet in einem „mi piace“ samt der Notiz „zum Wild top“!
Was sich als gutes Stichwort herausstellt, da der nächste Favorit dem alten Jagdrevier der Medici entstammt. Der „Barco Reale“ ist heute Teil des Bauernhofs Castellina in Capraia e Limite und wird von Fabio Montomoli unter dem Namen „Daino Bianco“, gekeltert. Der 14,5 % Alkohol starke reinsortige Merlot kombiniert in aberwitziger Klarheit Weichsel, HARIBO-Colafläschchen und Liebstöckl im Bouquet. Am Gaumen setzt es Papillar-Tennis: Von der Grundlinie her spielt eine reife Weichsel ihre Aromatik aus, die „Returns“ donnert diene Mischung aus herben Noten, die fast an einen Kräuterbitter erinnern. Zarter Sternanis, Engelswurz und Lorbeer halten mit der Frucht bis in den langen Abgang Schritt.
Ein „doppelter“ Cabernet (70% Cab. Sauvignon, 30% Cab. Franc) steht hinter dem „Vigna al mare“ 2010 von I Mandorli aus Suvereto. Die Winzerin Maddalena Pasquetti (am nebenstehenden Foto zu sehen) setzt in ihrem 10 Jahre jungen Betrieb auf Vergärung in Zement. Die Reife des Cabernets drängt den vorhandenen Paprik zugunsten von sehr viel Kirsche und wenig rotem Apfel zurück, sogar ein leichter Steinton (Marzipan) ist da. Rund und saftig, vielleicht noch etwas tanningeprägt, läßt der Rote aus der Provinz Livorno an Ratatouille denken. Paprika, Melanzani, viel Kräuterwürze von Oregano und Estragon und ein pfeffriges Finale stehen vielleicht noch nicht in vollkommener Balance – but the future looks bright!
Am Montalbano zwischen Prato und Florenz hat Rosella Bencini Tesi auf ihrer Fattoria di Bacchereto die Technik verbannt. Viel Handarbeit ist im historischen Keller aus dem 15. Jahrhundert angesagt, aber das paßt so – Rosella gibt den Dingen Zeit. Auch der „Terre a mano“ 2010 reift in Holz (18 Monate). Zement (drei Monate) und dann noch ein halbes Jahr auf der Flasche. Blutwurst trifft auf Walderdbeere, läßt sich der Duft dieses Carmignano DOCG am ehesten wiedergeben, dazu vielleicht etwas frischer Kerbel. Die erdig-würzigen Noten schlagen auch am Gaumen bei der Cuvée aus Sangiovese (75%), Canaiolo (15%) und Cabernet Sauvignon (10%) durch: der Erdbeer-Kumquat-Frucht stehen Kakao, Thymian und Wacholder gegenüber, vor allem aber auch adstringierende Tannine, die noch etwas Zeit benötigen.
Als eine Klasse für sich, allerdings auch preislich, präsentierte sich der Schlußpunkt, ein Bio-Brunello di Montalcino 2007 von Stella di Campalto. Walderdbeere, likörige Erdbeere und wieder Walderdbeere machen bereits neugierig auf einen Roten, der 44 Monate im 1.500 Liter-Faß, 9 Monate in der Flasche reifte. Paprika und weisser Pfeffer melden sich am Ende eines Aromenbogens, der saftig-rotfruchtig beginnt, eine leichte Erdbeersüße als Mittelstück führt und dann in der erwähnten Würze ausklingt. Langes Leben ist dem Brunello sicher. Jetzt fehlt – siehe Bezugsquelle – nur noch ein Händler für ihn und seine Rudolf Steiner-Schulkollegen.
Bezugsquelle:
Mit Nachdruck sucht Enrico Bachechi einen Österreich-Importeur für seine biodynamischen Toskaner. Bis dahin sind sie via bachechi@ampelis.it zu beziehen. Der „Bianco“ 2012 bzw. der „Melograno“ 2012 von Podere Concori kostet EUR 20 bzw. 22: Fattoria La Castellinas „Daino Bianco“ EUR 38; I Mandorli, „Vigna al mare“ 2010 ist um EUR 35 erhältlich; die Cuvée „Terre a mano“ von Fattoria di Bacchereto ebenfalls um EUR 35; Stella di Campalto, „Brunello di Montalcino“ 2007 (EUR 78).