Über das Alter spricht man nicht bei Glenmorangie. Zumindest, wenn es um die Private Editions geht. Vor der zehnten Auflage, die 2019 folgt, hat Dr. Bill Lumsden noch eine ungewöhnliche Kombi für die Whiskywelt gefüllt. Im gemeinsamen-Tasting (Video macht’s möglich!) erinnert er an Michael Jackson. Denn die Vorliebe des legendären Whisky-Autors für Rye zu einem Zeitpunkt, wo der amerikanische Stil praktisch an der Herz-Lungenmaschine hing, steckt auch den „Director of Distilling, Whisky Creation and Whisky Stocks“ an. Ergo kümmert man sich um einen Posten von über 200 Rye Whiskey-Fässer. Zehn Jahre nach diesem Gespräch, es muss um 2009 gewesen sein, wurde der schottische Whisky in die Eichenfässer gefüllt.
Womit man eine Ahnung bekommt, dass es wohl ein über sieben Jahre alter „Dram“, also Whisky, ist, den wir nun im Glas haben. Was jung klingt, sollte aber vor dem Hintergrund-Fakt betrachtet werden, dass der Highland-Single Malt die gesamte Zeit in diesen Fässern lag und nicht nur ein „Finish“ für ein paar Monate erhielt. In welche Richtung das geht, kann man wieder am gälischen Namen des limitierten Glenmorangie erahnen: Spìos, gälisch für Gewürz, schraubt die Erwartungen an den Aromeneintrag des Roggenfasses hoch. Mit 46% stellt er auch eine höher-grädige Abfüllung dar als der Standard-Whisky aus Tain.
Der Vergleich bietet sich vor allem mit dem klassischen Glenmorangie an, denn der Whisky ist „bis auf die Cask Maturation ident“, so Lumsden. Rufen wir uns also die Noten des 10 Jahre alten „The Original“ in Erinnerung. Der an Früchte zwischen Orange, Marille und Golden Delicious-Äpfel erinnernde Geruch wird von zartem Toffee („Stollwerck“) gekrönt. Sanft und mit honigsüßem Schmelz beginnt der Single Malt dann im Mund. Widder ist viel Apfel da, begleitet von Kompottgewürzen und einem leichten Pfeffer-Hauch, der im Abgang eine mentholige Note erhält.
Vor allem das Finish dieses sanften Drams sollte man sich merken, denn da sieht es bei der neuen Private Edition völlig anders aus. Die würzigen Duftnoten des Roggens sind beim „Spìos“ von Beginn weg da, neben gemahlenem Kaffee und der Fenchelsaat-Aromatik von Schwarzbrot findet sich auch ein erdigerer Bestandteil. Mit den röstigen Tönen zusammen kann man an heiße Maroni denken. Am Gaumen wird es dann erwartungsgemäß vielschichtiger, denn die schottische Haus-Charakteristik – Heidehonig und Orange – trifft auf die Einflüsse des amerikanischen Fasses. Wie das passiert, kann man in zwei Stufen skizzieren.
Denn die beiden Eindrücke stehen – wertfrei ausgedrückt – nebeneinander, genauer sogar: folgen sie aufeinander. Der Auftakt gehört einer fruchtig-zugänglichen Seite, dem schottischen Erbteil, wenn man so will. Was mit satten Zwetschken und Milchschokolade-Sanftheit beginnt, erinnert kurz sogar an Reiscreme oder die Maki-Füllung in seiner Geschmeidigkeit und sanften Korn-Note. Korn. Nicht Roggen.
Denn die „andere“ Seite des Glenmorangie „Spìos“ hat die US-Verwandtschaft in die Familie mitgebracht und sie prägt die Eindrücke ab dem mittleren Gaumen, besonders aber das würzige Finale: Was für uns als rauchig-salzig-scharfe Mischung unter Piment d’Espelette firmierte, charakterisierte „Dr. Bill“ als „Chili-Schokolade“. In jedem Fall folgen den üblichen Verdächtigen aus dem Gewürzregal – Zimt, Nelken und grüner Pfeffer – hier wirklich pikante Akzente, die man mit Rauchpaprika oder eben Chili beschreiben kann.
Bezugsquelle:
Glenmorangie, (= Private Edition No. 9) ist um EUR 85 (0,7 Liter-Flasche) beim Fachhändler Potstill erhältlich, www.potstill.org