Warum gehört ein Schloss-Weingut dem Zisterzienser-Orden? Dafür, dass Gobelsburg im Kamptal heute zu den landwirtschaftlichen Besitzungen des Stiftes Zwettl zählt, gab es zwei Gründe. Zum einen kam das Renaissance-Schloss durch einen Notverkauf von Otto Achaz von Ehrenreich an die Mönche. Nur 15 Jahre waren ihm in dem umgebauten Schloss vergönnt, das einst schon als Burg der Kuenringer diente. 1786, und damit wären wir beim zweiten Grund, brannte der Lesehof des Stifts in Kammern ab – der Weinbau übersiedelte nach Gobelsburg, das seither den Keller der Stiftsweine beherbergt.
Anderswo wären das historische G’schichteln, allenfalls gut für Retro-Marketing. Doch mit Eva und Michael Moosbrugger, die vor knapp 25 Jahren Gobelsburg übernahmen (2021 feiert man doppeltes Jubiläum, zumal auch das Winzertum des Stifts 850 Jahre währt), lebt die Tradition. Wer es nicht glaubt, sollte sich schnell die Baustelle des neuen Fasskellers im Kamptal ansehen. Ehe nämlich die Fässer auf ihren Rädern, eine Spezialität des Hauses, hierher übersiedeln. Dann erkennt man, wie sehr die sakrale Architektur des Ordens hinter dem neuen Grundriss steht. Ein Kreuzgang mit Brunnen in der Mitte, der nicht nur als Erfrischung, sondern auch geistige Erquickung gesehen wird im Schloss, wurde neu errichtet. Und zwar ohne Stahlbeton, „der nach 120 Jahren nicht mehr hält“, wie Michael Moosbrugger erzählt.
Qui bon vin boit, Dieu voit
(Wer guten Wein trinkt, schaut Gott)
Spruch der Zisterzienser
Seine Baumeister sollten aber Dauerhaftes schaffen, was nur mit Stein und Ziegel (wie zur Gründungszeit des Stiftes eben) möglich ist. Getreu der austeren Bautradition der Zisterzienser wurde auch das Gewölbe nicht sandgestrahlt und behübscht, sondern erzählt mit außenliegender Fuge von den Händen, die es geschaffen haben. Man betritt den Verkostraum also entsprechend ehrfürchtig. Und das Sortiment, das Moosbrugger und Alfred „Fredi“ Unterganschnigg (kleines Bild) präsentieren, bestätigt diese Haltung. Es beginnt beim Messwein, der getreu dem Motto „die Schöpfung nicht zu verbessern“ weder gesäuert, noch gezuckert wird im Keller. Dieser Wein hat das Schloss-Weingut früh bekannt gemacht, dabei ist es ein Weißwein. Traditionell allerdings war der liturgische Wein rot – wie das Blut Christi, in das er verwandelt wird. Womit etliche Fässer griechischer Wein aus Samos und anderswo in die heimischen Diözesen rollte. Doch spätestens seit dem Konzil von Trient (1545-1563) ist der weniger Flecken-gefährliche Weiße ebenfalls zugelassen.
Der Jahrgang 2019 dieses Grünen Veltliners riecht nach „Golden Delicious“-Apfel, überhaupt ist er reif ausgefallen, denn auch etwas Casali-Schokobanen-Mark vermeint man zu riechen. Als Gegensatz schimmert aber auch Limettenzeste im Duftbild durch. Balanciert zwischen den Gegensätzen ist auch der Eindruck im Mund. Apfel und Birne halten sich die Waage bei den fruchtigen Noten, feine Würze von Kräutern, aber auch eine schön stützende Säure runden diesen Klassiker aus Gobelsburg ab.
Unter den Veltlinern, die es als Ortswein und in mehreren Lagen gibt, hat uns vor allem der junge „Ried Steinsetz“ fasziniert. Auch hier ist der Gelbe Apfel als Sorten-Erkennungsschild in der Nase da, aber weitaus reifer geht es ansonsten zu. Sesam bringt die rauchige Note der Lage ein mit ihren Quarzit-Einsprengseln. Dazu beamt einen die cremig-süße Duftnote der „Junior“-Schokolade in die Kindheit zurück. Das alles verbrämt ein exotischer Saum aus Mango. Der erste Schluck wirkt überaus knackig und straft Erwartungen an barocke Anlage oder Überreife Lügen. Karambol-Frucht, ein Synonym für kühle, gelbfruchtige Geschmackseindrücke, wird notiert. Dazu eine ebenfalls recht kühle Netzmelone, die für den schmelzigen Teil dieses 2019er „Steinsetz“ steht. Pink Grapefruit steht ebenso wie grüner Wachholder für die Jugend, die man in diesem abschließenden Gerbstoff-Bitterl noch merkt. Es setzt aber einen keineswegs störenden Widerpart zu der Frucht, indem es den Wein geschmeidig in das Finish trägt.
Vor den Technik-Exzessen im Keller: Tradition 2017
Diesem vielleicht zugänglichsten der 2019er, die wir verkosteten, steht dann eine Spezialität gegenüber, die nochmals die Verbindung zwischen monastischer Tradition und gegenwärtigem Weinbau herstellt. 1860 setzte die maschinelle Hilfe im Keller ein und wie vor diesem Paradigmenwechsel des „industriellen Weins“ vinifiziert wurde, lotet Michael Moosbrugger mit der „Tradition“ aus. Technisch bedeutet das, mit einer eigenen Presse, die den Druck und die geringe Auslaugung einer Baumpresse herstellt, gearbeitet wird. Auch die Eiche ist die Manhartsberger Variante und kein speziell getoastetes Barrique. In den 2.500 Liter großen Behältnissen reich der ohne Kühlung spontan vergorene Wein. Braucht man es frischer, rollt man das Fass tiefer in den Keller (deshalb die Räder – „wir bringen den Wein zur Temperatur“, so Moosbrugger). Gefüllt wird nach 18 Monaten Fassreife, sodaß aktuell der Jahrgang 2017 verkostet wird.
Aus dieser historischen Weinbereitung ragt der Grüne Veltliner 2017 heraus. Er steht am Beginn seiner Entwicklung, zeigt aber auch, was abseits der rauchigen Stilistik der Kamptaler Urgesteinsböden mit der heimischen Lieblingssorte möglich ist. Riedenweine, die „smoky“ sind und damit bezaubern, hat man ohnehin anzubieten. Hier aber wird eine andere Art von Kühle zelebriert, ein wenig metaphysisch könnte man sagen, sie kommt aus der Traube selbst, nicht dem Boden. Aus dem Frucht-, nicht dem Erd-Reich kommen süß-saure Duftnoten, sobald sich das erste „Stinkerl“ dieses komplexen 2017er „Tradition“ verzogen hat.
Dann stehen Kaktusfeigen und Quitten zu Buche, die aber nur eine Vorschau geben auf den Gaumen-Eindruck dieses Veltliners. Saftig und voller tropischer Geschmacksnoten bringt er einen Charakter mit, den man blind vielleicht einem Wachauer Smaragd zugeschrieben hätte. Doch nichts prunkt hier, eher vermeint man den Tiefgang der exotischen Früchte zu erschmecken. Minütlich wird dieser ein komplexer, das Trinkanimo beflügelt auch das Finale, in dem sich weißer Pfeffer anbietet, die Gaumen-Reanimierung für den nächsten Schluck zu übernehmen.
Ähnlich in die Tiefe gebaut wirkt auch der Riesling aus der „Tradition“-Linie, ebenfalls ein 2017er Jahrgang. Der zart süße Duft bringt hier die unverkennbare Pfirsich-Note eines jugendlichen Rieslings mit, im Schlepptau hat er auch die kleinen Mandarinen-Spalten und – bevor man glaubt, hier gibt es Kitsch im Kloster-Gut – auch den herben Abrieb von Orangen (wer noch „Bitter Orange“ trinkt, kennt diese Note auch). Unheimlich lebendig wirkt dieser Wein, dessen Tropenfrucht-Mix anderswo vermutlich weit breiter ausgefallen wäre. Ananas und rot-gesichtige Marille liefern sich einen Wettbewerb, wer präsenter ist am Gaumen. Vor allem diese aromatische Kraft beeindruckt, da sie ohne Verstärker durch kleines Holzfass oder ähnliches auskommt. Und doch so leichtfüßig ist. Schließlich darf auch in einem Stiftsweingut gelächelt werden. Mit dem „Tradition“ 2017 wäre der Moment dazu.
Bezugsquelle:
Schloss Gobelsburg, Messwein 2019 (=Grüner Veltliner) ist um EUR 9,45 zu haben, der Grüner Veltliner „Ried Steinsetz“ 2019 kostet EUR 16,90, für den Grüner Veltliner „Tradition“ 2017 sind es EUR 28,30 und für den Riesling „Tradition“ 2017 EUR 29,60/Flasche, alle über Vinorama, www.vinorama.at