Was ist Ironie? Dass ein „Augenöffner“ über Vorurteile und echte Qualität im ausufernden Gin-Markt ausgerechnet „Blindverkostung“ heißt. 16 Abfüllungen kamen im Heuer in die Kostgläser, um unbeeinflußt von Labels die besten Wacholder-Spirituosen zu küren. Die zehn Tester starteten mit einer unterschiedlichen Reihenfolge, um auch hier keine Beeinflussung zuzulassen. „Ein eleganter Gin geht sonst neben einem kräftigen leicht unter“, sprach der Zeremonienmeister, der aus Bassano di Grappa angereist war. Jacopo Poli, mit seinen Fruchtbränden und den Grappe bestens eingeführt als Qualitätsfanatiker, wollte schlicht herausfinden, „ob wir mit unserem Gin richtig liegen“.
Der heißt – nach Straße und Hausnummer der Destillerie – „Marconi 46“ und die Basis für den Gin des Grappa-Meisters liefert Neutralalkohol aus Deutschland. Mazerate von Muskatnuss, Koriander und Kardamom werden dabei in einem Durchgang gebrannt. Die ätherischeren Zutaten – neben dem Wacholder vor allem Minze und Piniennadeln – kommen in einem weiteren Arbeitsgang dazu. „ihre Intensität erreichen wir durch die Destillation bei 55 Grad Celsius“, die Polis Vakuumdestille ermöglicht.
Mit seinem diesmal vor allem von der Minze geprägten Gin („Spearmint“, intensiv wie eine frisch geöffnete Zahnpastatube) bewegt sich Poli quasi zwischen den Stilen. Bei Poli kommen keine Zitrusfrüchte zum Einsatz, dafür bringt die Pinie eine expressive Waldnote im „Marconi 46″-Geschmack ein. Mit dieser grünen Würze erinnert er auch an die so genannten New Western-Gins. Ihr prononcierter Vertreter – der mit mediterranen Kräutern aromatisierte Gin Mare – holte sich am Ende den vierten Platz. Mit dem fünftplazierten „Gordon’s“ zeigt einmal mehr ein Produkt, dass gerne als altmodisch geschmäht wird, dass mit dem jahrzehntelang den Gin & Tonic weltweit dominierenden Gin in der gelben Flasche auch heute noch zu rechnen ist. Wenn man eben die Scheuklappen des Etiketten-Trinkers (oder des notorischen „Ich-suche-das-Neueste“-Suchenden) ablegt.
„Manche Produkte liefern mehr Qualität als ihrem Image entspricht“, kommentierte der Test-Initiator (kl. Bild links) diesen Effekt. Der gelte auch in der umgekehrten Richtung. Die beiden Briten, die gemeinsam den Gin-Boom entfachten, rahmten etwa das mittlere Drittel der Verkostung und landeten auf Platz 11 (Hendricks) bzw. 7 (Bombay Sapphire). Und Signore Poli selbst? Der landete auf dem zweiten Platz, am Ende teilten sich der „46“ (Marconi) und der „47“ (Monkey) den Rang. Die Beeren-Noten des Schwarzwald-Gin kamen diesmal eher als Erdbeere, denn als Preislbeeere – ansonsten das Kennzeichen des „Monkey 47“ – rüber. Die Betonung der Fruchtigkeit gefiel aber den Testern, die „blind“ folgende Top Ten reihten:
- Tanqueray Ten (England)
- Monkey 47 (Deutschland) & Marconi 46 (Italien)
- Gin Mare (Spanien)
- Gordon’s (England)
- Beefeater (England)
- Bombay Sapphire (England)
- Bulldog (England)
- The Botanist (Schottland)
- Caorunn (Schottland)
Geschlagen wurde das Duo nur von „Tanqueray Ten“. Mit seinem Duft nach Limetten-Zeste und weißem Pfeffer erfüllte er die englische Beschreibung „crisp“ am besten. Knackig und dabei mit einem leicht ölig-cremigem Mundgefühl, holte sich der Klassiker mit einem komplexen Geschmacksprofil den Sieg: Für Jacopo Poli stellte dieses Ergebnis eine Bestätigung seiner bisherigen Blindtests dar, Tanqueray, Marconi 46 und Gin Mare landeten fast immer in den Top Five, der Engländer aus dem Portfolio von Diageo „hat uns auch am meisten inspiriert“, fasste der Mann aus Bassano zusammen. Und das offensichtlich sehr erfolgreich – eine weitere Lehre des „Heuer“-Gin-Tests.
Bezugsquellen:
Polis „Marconi 46“ ist um EUR 36 erhältlich, der „Tanqueray Ten“ um EUR 33,60 und „Monkey 47“ um EUR 37,20, alle bei Getränke Del Fabro, www.delfabro.at