Zwischen den Jahren wird noch edler getrunken in den Redaktionsräumen. Und so manche Flasche beflügelt auch die Erinnerung. Vor allem beim Riesling, der den Namen Egon Müller am Etikett trug, schwangen Reminiszenzen mit. Vor gut zwei Jahren saßen wir mit dem Winzer aus Wiltingen an der Saar zu Tisch. Dieser Super-Star des (frucht)süßen Rieslings macht sich ansonsten rar. Umso kultigere Blüten treibt der Kult um die Weine vom Scharzhof. Die mit der Goldkapsel ausgezeichneten Weine etwa gibt es praktisch nur über Versteigerungen. Doch Importeur Gerhard Kracher hatte mit den Weinen Müllers auch den Winzer selbst nach Illmitz geholt.
Begleitet wurde die spektakuläre Riesling-Reise chez Kracher von fünf Gängen aus der Küche Christian Petz. Die Kombination der längst vergriffenen „Scharzhofberger Auslese Goldkapsel“ 2007 mit einer soufflierten Marillenpalatschinke beeindruckte damals selbst den Winzer merklich. Ebenfalls für einander gemacht schienen die Taglierini mit Flusskrebsen und Mispeln als Begleiter des „Scharzhofberger Kabinett 2011“. Und die Einblicke in die Arbeitsweise des Deutschen ergaben spannende Tischgespräche: „Unreife kann wie ein Gewürz wirken“, kommentierte Müller etwa die reife 1988er Spätlese von der Wiltinger Braune Kupp. Dieser Kommentar zum Klimawandel konnte auch förmlich nach-geschmeckt werden.
Wie kein anderer Wein an diesem Abend zeigte aber der Riesling „Scharzhofberger Kabinett 2011“ die Meisterschaft Egon Müllers auch für Novizen in seinem Weißwein-Kosmos auf: Die salzige Begleitmusik lieferte der Wein von den Schieferböden des berühmten Scharzhofbergs, die glockenhelle Frucht brachte einen Film aus Marillen an die weichen Nudeln und Krebsen, sodass man schnell vergaß, wo die Speise endet und der Wein begann.
An diesen wunderbaren Wein, wie alle im Holzfass, dem Mosel-Fuder, vergoren und ausgebaut, mussten wir also heuer denken, als ein junger „Scharzhofberger“ auf den Tisch kam. Der 2020er Riesling ist der Einstieg in die Welt des Stars von der Saar und eine pure Freude im Glas. Nashi-Birne und Marille sind bei diesem Weißwein zu einem fruchtsüßen Duft verwoben, der unverkennbar „deutscher Riesling“ schreit. Ein ganz zarter Rauchton wie von Feuerstein und eine als Aquarell nur hingetupfte Würze – Estragon und Currypulver – ergänzen den 2020er Scharzhof.
Das saftige Spiel am Gaumen, unterfüttert von 34 Gramm Restzucker, die sich nach weniger anfühlen, wird von einer jugendlich-kräftigen Säure unterstützt. Sein zarter Salz-Ton wiederum balanciert die intensive Mirabellen- und Grapefruit-Frucht gut aus. Unglaublich trinkanimierend, fein-kräutrig (Melisse) und mit fast schon Tee-feinem Gerbstoff klingt dieser Riesling aus. Die nur 10,5% vol. Alkohol machen ihn zu einem saftigen Vergnügen. Auch wenn wir diesmal nicht Egon Müller himself am Tisch hatten. Aber schön war es doch!
Bezugsquelle:
Egon Müller, Riesling Scharzhof 2020 ist um EUR 45 beim Weinhandel Kate+Kon erhältlich, www.kateandkon.com